Bregenzer Festspiele
„Madame Butterfly“ ist zurück
Perfekt: Die Bregenzer Festspiele präsentieren in diesem Sommer auf ihrer Seebühne nochmals Giacomo Puccinis „Madame Butterfly“.

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„Madame Butterfly“ auf der Bregenzer Seebühne
Von Georg Rudiger
Im vergangenen Jahr wurde die Premiere von „Madame Butterfly“ bei den Bregenzer Festspielen noch mitten im zweiten Akt abgebrochen. Ihre Arie „Un bel dì, vedremo“ („Eines Tages sehen wir“), in der Cio-Cio-San alias Madame Butterfly von der Hoffnung auf eine Rückkehr ihres amerikanischen Ehemannes beseelt ist, konnte Barno Ismatullaeva noch auf der leeren, 33 Meter breiten und 23 Meter hohen Bühne singen. Dann sorgte eine Gewitterfront für den Abbruch auf der Seebühne – und für eine konzertante Fortführung im Festspielhaus.
Die poetische Inszenierung von Andreas Homoki, die gerade durch ihre demonstrative Zurückhaltung großen Reiz entfaltet, wurde so zumindest auf halber Strecke ausgebremst. Dass die Produktion dann im weiteren Verlauf mit 100 Prozent Auslastung im vergangenen Jahr zu einem Publikumsmagneten wurde, war für zumindest die damaligen Premierenbesucher kein Trost.
Ein perfekter Abend
Nun gab es für die Festgäste und Kritiker die zweite Chance bei der Wiederaufnahme. Es wurde ein perfekter Abend – und das nicht nur, weil Bregenz mit einer lauen Sommernacht beschenkt wurde. Barno Ismatullaeva ist auch 2023 eine tiefbewegende Madame Butterfly, die lyrische Intensität mit dramatischer Strahlkraft kombiniert. Ganz organisch entwickelt sie die Figur von der zarten, noch ganz in der Tradition verhafteten Frau zu einer freien, tragischen Heldin.
Otar Jorjikia gibt den Marineleutnant Pinkerton nicht als arroganten Ami, sondern veredelt seinen weichen Tenor bei der ersten Begegnung mit Butterfly mit leuchtenden Farben. Jorjikia weiß zu differenzieren. Und ist am Ende nach ihrem Suizid ein gebrochener Mann.
Der Konsul zeigt echtes Mitgefühl
Auch Brett Polegato als Konsul Sharpless zeigt mit seinem kantablen Bariton echte Empathie. Wie im letzten Jahr ist Annalisa Stroppa mit ihrem vollen, in der Tiefe dunkel schimmernden Mezzosopran als Suzuki ihrer Herrin eine große Stütze. Als sie Butterfly die Nachricht überbringen muss, dass Pinkerton inzwischen eine amerikanische Ehefrau hat und ihr gemeinsames Kind mitnehmen möchte, bricht sie zusammen.
Dirigent Enrique Mazzola begleitet dieses Drama mit den groß aufspielenden Wiener Symphonikern und dem flexiblen Prager Philharmonischen Chor in jeder Phase. Die amerikanische Nationalhymne wird im Orchester auf Hochglanz poliert, wenn der Fahnenmast wie ein Phallus das im Stil des alten Japans bemalte Bühnenbild durchdringt und die Stars-and-Stripes-Flagge präsentiert (Bühne: Michael Levine). Die Streicher betten die Melodielinien sanft. Und werden von Mazzola klanglich forciert, wenn sich im dritten Akt alles zuspitzt.
Weiß gekleidete Geister tauchen auf
Selten sind Musik und Szene so eng aufeinander abgestimmt wie bei dieser Produktion. Wie Giacomo Puccini arbeitet auch der Regisseur Andreas Homoki mit Leitmotiven wie den ganz in weiß gekleideten Geistern (Kostüme: Antony McDonald), die schon vor dem Beginn auf der Bühne sind und ganz am Ende Cio-Cio San den Dolch reichen, mit dem sie sich ersticht.
Nur manches Mal ist die Texttreue Homokis etwas redundant, wenn beispielsweise die Geister als Geishas auftreten, als Butterfly sich ihrer Vergangenheit erinnert. Der bis auf das effektvolle Feuerfinale bewusste Verzicht auf jede Action und die genaue Personenführung auf der weitläufigen Bühne lassen im Laufe des Abends eine Intensität entstehen, die dieses Kammerspiel unter enorme Spannung setzt. Einer weiteren Erfolgssaison steht in Bregenz somit höchstens das Wetter noch im Wege.
„Madame Butterfly“: weitere Aufführungen auf der Seebühne der Bregenzer Festspiele bis zum 20. August. Es gibt noch Karten im Vorverkauf. 2024 folgt Carl Maria von Webers Oper „Der Freischütz“ unter Regie von Philipp Stölzl.