AnnenMayKantereit in Stuttgart
Zu schade fürs Festzelt
Eine wunderbare Balance zwischen Wehmut und Euphorie: Die Band AnnenMayKantereit ist am Samstag vor 25 000 Zuschauern auf dem Cannstatter Wasen aufgetreten.

© Lichtgut/Ferdinando Iannone
Christopher Annen (links) und Henning May beim Konzert auf dem Wasen
Von Gunther Reinhardt
„Das ist unser größtes eigenes Konzert ever!“ Henning May ist glücklich. Und das Stuttgarter Publikum ist es auch. Mit ihrem knuffigen Chansonpop haben AnnenMayKantereit am Samstagabend den Wasen ausverkauft. 25000 Besucher lockt die Band trotz des unberechenbaren Wetters an.
Doch obwohl es stimmt, dass AnnenMayKantereit noch nie bei einem Konzert vor einem größeren Publikum aufgetreten sind (Festivalauftritte zählen nicht), ist die Band, die sich vor zwölf Jahren in Köln gegründet hat, schon seit einigen Jahren eine Art Stammgast auf dem Wasen – beziehungsweise ihr Song „Pocahontas“. Wer sich einmal aufs Volksfest zwischen Bierkrüge schwenkende, „Es tut mir leid, Pocahontas!“ grölende Festzeltbesucher verirrt hat, für den sind AnnenMayKantereit nicht mehr das, was sie mal waren. Man lebt in ständiger Angst, das betrunkene Partyvolk könnte sich bald den nächsten Song einverleiben.
Lovesongs und Trennungslieder, Stimmungshits und Tanznummern
Dass die Band das nicht verdient hat, beweist ihr Auftritt am Samstag, bei dem das Wetter zum Glück erst im Zugabenteil nicht mehr durchhält – und das obwohl AnnenMayKantereit den Song „Heute Abend wird es regnen“ gar nicht im Programm haben.
Sänger Henning May, Gitarrist Christoph Annen, Schlagzeuger Severin Kantereit und Bassistin Sophie Chassée, die bei einigen Stücken von einem Bläser- und einem Streichquartett verstärkt werden, bietet in Stuttgart ein großartigen Programm voller Lovesongs und Trennungslieder, Stimmungshits und heftig groovender Tanznummern – wie zum Beispiel das vom Flamenco beseelte Stück „Ausgehen“, mit dem das Konzert nach gut anderthalb Stunden zu Ende geht.
Der Mann mit der markant-angerauten Stimme
Vor allem aber inszeniert sich Henning May, der Mann mit der markant-angerauten Stimme, bei dem Konzert als der nette Junge von nebenan, als Anti-Rockstar, der viel lächelt, bei seinen Ansagen selbstverständlich gendert, gar nicht aufhören will, die Musikerinnen und Musiker, die ihn begleiten, zu loben und auch fürs Stuttgarter Publikum ein paar ungewöhnliche Komplimente bereit hat: „Gestern haben wir ja in München gespielt, und ich muss sagen, Ihr riecht einfach besser!“
Und um besonders nahbar zu sein, spielt die Band nicht nur zwei Unplugged-Nummern auf einer Minibühne mitten im Publikum (die Ballade „Ozean“ und den Babyboomer-Bossa-nova „Als ich ein Kind war), sondern lässt für den Titelsong des aktuellen Albums „Es ist Abend und wir sitzen hier“ sogar den Tisch auf die Bühne bringen, an dem der Song entstanden ist.
Mal wieder die Kontrolle verlieren
Beim Konzert gelingt es der Band inmitten von Anleihen aus Folk, Pop, Rock, Latin oder Chanson eine wunderbar feine Balance zu finden zwischen Melancholie und Euphorie. „Ich will mal wieder mit dir die Kontrolle verlieren“, sprechsingt Henning May zum Beispiel in „Lass es kreisen“, einem Lied, das verziert mit einem Santana-Gitarrensolo zu einem Latingroove den Coronafrust forttanzt. May singt herrlich einzigartig von den Vögeln, die vom Himmel scheißen („Marie“), von der verschwendeten Jugend zwischen Kneipen und WGs („21, 22, 23“), davon, dass Du und Ich manchmal zu wenig ist („Barfuß am Klavier“). Und wie im nostalgischen „Tommi“, das im Refrain zur kölschen Schunkelnummer wird, schimmert beim Auftritt in Stuttgart durch traurige Lieder auch immer etwas Zuversicht, und hinter den ausgelassenen Songs lauert stets ein wenig Schwermut.
Es ist auch diese Uneindeutigkeit, die _AnnenMayKantereit textlich und musikalisch ganz selbstverständlich in ihr Repertoire packen, die sie zu etwas Besonderem in der deutschen Poplandschaft machen.
Das Konzert von AnnenMayKantereit auf dem Wasen
Setlist Wohin Du gehst | Nur wegen dir | Lass es kreisen | Pocahontas | Marie | Es ist Abend | Du tust mir nie mehr weh | Du bist anders | Vielleicht Vielleicht | Gegenwart | Oft gefragt | Ozean (Nebenbühne) | Als ich ein Kind war (Nebenbühne) | Jenny Jenny | 21, 22, 23 | 3 Tage am Meer | Ich geh heut nicht mehr tanzen | Zugaben Barfuß am Klavier | Tommi | Ausgehen

© Lichtgut/Ferdinando Iannone
Eindrücke vom Konzert von AnnenMayKantereit auf dem Wasen

© Lichtgut/Ferdinando Iannone
Eindrücke vom Konzert von AnnenMayKantereit auf dem Wasen

© Lichtgut/Ferdinando Iannone
Eindrücke vom Konzert von AnnenMayKantereit auf dem Wasen

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Eindrücke vom Konzert von AnnenMayKantereit auf dem Wasen

© Lichtgut/Ferdinando Iannone
Eindrücke vom Konzert von AnnenMayKantereit auf dem Wasen

© Lichtgut/Ferdinando Iannone
Eindrücke vom Konzert von AnnenMayKantereit auf dem Wasen

© Lichtgut/Ferdinando Iannone
Eindrücke vom Konzert von AnnenMayKantereit auf dem Wasen

© Lichtgut/Ferdinando Iannone
Eindrücke vom Konzert von AnnenMayKantereit auf dem Wasen

© Lichtgut/Ferdinando Iannone
Eindrücke vom Konzert von AnnenMayKantereit auf dem Wasen

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Eindrücke vom Konzert von AnnenMayKantereit auf dem Wasen

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Eindrücke vom Konzert von AnnenMayKantereit auf dem Wasen

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Eindrücke vom Konzert von AnnenMayKantereit auf dem Wasen

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Eindrücke vom Konzert von AnnenMayKantereit auf dem Wasen

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Eindrücke vom Konzert von AnnenMayKantereit auf dem Wasen

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Eindrücke vom Konzert von AnnenMayKantereit auf dem Wasen

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Eindrücke vom Konzert von AnnenMayKantereit auf dem Wasen

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Eindrücke vom Konzert von AnnenMayKantereit auf dem Wasen