Abschied von einer großen Liebe
Markus Pfrommer, erst Kellner, dann Chef, verlässt die Bar im Bohnenviertel – hier wurde er als „Kahlköpfiger“ zu einer Figur in Wolfgang Schorlaus Krimis.

© Lichtgut/Max Kovalenko
Markus Pfrommer vor dem Basta im Bohnenviertel
Von Uwe Bogen
Stuttgart - In der Weinstube Basta stehen auf einem Tisch leere Flaschen und Gläser. Am Abend zuvor hat der „Kahlköpfige“, wie er durchgehend in den Dengler-Krimis des Schriftstellers Wolfgang Schorlau genannt wird, mit Freundinnen und Freunden Abschied gefeiert. Zum Aufräumen hat es noch nicht gereicht. Nach der Sommerpause wird dieses französisch anmutende Lokal – mit roter Markise eine Institution im Bohnenviertel – im September wieder öffnen – aber nicht mehr mit dem langjährigen Kellner und Chef. Stabwechsel an der Wagnerstraße: Markus Pfrommer ist froh, dass er einen Gastronomen gefunden hat, der auf den „paar Quadratmetern Paris mitten in Stuttgart“ in seinem Sinne weitermacht. Wer ihm folgt, will der scheidende Wirt nicht sagen.
Der Mann mit Glatze, der es dank seines Stammgastes Schorlau zur Romanfigur geschafft hat, ist mit 60 noch fit und neugierig genug, um sich nicht jetzt schon auf die faule Haut zu legen. Wird er zur Neueröffnung des Basta zurückkehren? Die Schultern zieht er hoch und antwortet nach einem Zögern: „Ich glaube, das ist wie bei einer Liebe, die endet – da braucht man erst mal Abstand.“
Gern hätte er weitergemacht. Allein an Corona liege es aber nicht, sagt Markus Pfrommer. Auch er habe Fehler gemacht. Nach der Pandemie seien die Gäste nur zögernd zurückgekommen. Es war schwer, Personal zu finden – vor allem einen Koch. Der Basta-Chef stand selbst am Herd, strich aber den Rostbraten von der Karte, weil er ihn nicht so gut hinbekam. Weil Mitarbeiter fehlten, war die Weinstube nur noch an wenigen Tage geöffnet – der Umsatz brach ein. Die extrem gestiegenen Kosten für Lebensmittel und alles andere wollte er nicht an seine Gäste weitergeben. Finanziell wurde es enger – bis der Wirt keine andere Möglichkeit mehr sah, als seine Selbstständigkeit aufzugeben. Jetzt, da er seine Sachen packt, bricht ihm fast das Herz. Das Basta war sein Leben.
Kam ein neues Dengler-Buch heraus, hat ihm Wolfgang Schorlau stets ein Exemplar mit Widmung geschenkt. Erst habe der Krimiautor von einem „jungen, gut aussehenden Kellner mit kahlem Kopf im Basta“ geschrieben. Dann sei das „jung“ und „gut aussehend“ weggefallen, aber der „Kahlköpfige“ sei geblieben. Einen Satz durfte er nie sagen. Pfrommer war 20 Jahre alt, als er 1982 im Basta anfing. Damals fuhren hier Menschen mit Geld gern im Porsche vor. Für den jungen Kellner war es nicht schlecht, wenn Männer vor den Frauen protzen wollten. So manch ein Angeber schob ihm einen Hunderter als Trinkgeld zu, um Eindruck zu machen.
Die frühere Chefin hatte in den 70ern in diesen Räumen einen Secondhandladen geführt. Mit ihren Freundinnen traf sie sich gern bei einem Gläschen zum Plausch. Einmal sei ein Freund gekommen, so geht die Legende, und habe gefragt, was sie denn hier machten. Darauf habe die Modefrau und spätere Gastronomin gesagt: „Ich mach ein Lokal auf, Basta!“ So sei das Lokal, das 1978 eröffnet hat, zu seinem Namen gekommen.
Im Basta trafen sich Künstler, Kreative, Architekten, Theaterleute. Als die Gründerin vor 20 Jahren altersbedingt aufhörte, übernahm Pfrommer die Geschäfte. Seine offene Art schuf Vertrautheit. Gastfreundlich wurde man von ihm empfangen. „Therapeut“ wollte er nie sein, blockte ab, wenn jemand seine Lebensgeschichte erzählte. Der Hausherr wollte lieber „Vermittler“ sein, der erreicht, dass die Gäste untereinander das Nötige besprechen. Als er in die Küche musste, weil er keinen Koch fand, hat er erlebt, „was für ein knochenharter Job der Platz am Herd ist“. Die Selbstständigkeit ist für ihn nun abgeschlossen. Aber einen Job in der Gastronomie würde er gern annehmen.
Jetzt ist es Zeit, dass Schorlau zu Pfrommers Abschied ihm ein paar Worte im nächsten Buch schenkt. Der Kahlköpfige könnte einen Schluck vom Grauburgunder nehmen und sagen: „Dengler, war schön mit dir! Aber jetzt muss ich gehen! Lebewohl im Basta!“