Nachrückerin Senger bleibt außen vor: AfD-Fraktion schrumpft

dpa/lsw Bad Herrenalb. Selbstbeschäftigung in Bad Herrenalb: Eine Nachrückerin im Landtag wird zum Bauernopfer des Machtkampfs in der AfD-Fraktion. Damit haben die Rechtspopulisten nur noch so viele Abgeordnete wie die SPD.

Doris Senger, Abgeordnete der Partei AfD im Landtag von Baden-Württemberg, steht vor dem Gebäude des Landtags. Foto: Privat/Doris Senger

Doris Senger, Abgeordnete der Partei AfD im Landtag von Baden-Württemberg, steht vor dem Gebäude des Landtags. Foto: Privat/Doris Senger

Die AfD-Fraktion hat der Landtagsabgeordneten Doris Senger erneut die Aufnahme verweigert. In einem dritten Wahlgang am Mittwoch erzielte Senger bei der Klausur der AfD-Fraktion in Bad Herrenalb (Kreis Calw) wieder nicht das nötige Quorum, wie Teilnehmer der Deutschen Presse-Agentur bestätigten. Am Montag werde der Vorstand die weitere Vorgehensweise beraten, sagte Fraktionschef Bernd Gögel. Damit besteht die AfD-Fraktion vorerst nur noch aus 19 Abgeordneten - sie hat damit so viele Parlamentarier wie die SPD und ist nicht länger die personell stärkste Oppositionskraft im Landtag. Senger sieht sich aber selbst als Mitglied der Fraktion. Sie kündigte an, ihr Recht zur Not vor dem Landesverfassungsgericht einzuklagen.

In der Landtagsverwaltung erinnert sich keiner daran, dass so etwas schon mal vorgekommen sei. Nach Landtagsangaben behält die AfD formal aber den Status der stärksten Oppositionskraft - auch mit 19 Abgeordneten. Bei gleicher Parlamentarierzahl entscheide die höhere Gesamtstimmenzahl der entsprechenden Partei bei der Landtagswahl über die Reihenfolge. Fraktionen werden nach Stärke behandelt, das macht sich etwa beim Rederecht bemerkbar: Die Fraktionen kommen im Landtag überwiegend in der Reihenfolge ihrer Stärke zu Wort. Es sei nicht primäres Ziel der AfD, vor der SPD zu bleiben im Landtag, sagte Fraktionschef Gögel.

Die 60-Jährige Senger war bereits am Dienstag in Bad Herrenalb zweimal an einer Zwei-Drittel-Mehrheit gescheitert. Senger ist Unternehmensberaterin aus Donaueschingen (Schwarzwald-Baar-Kreis). Sie zog im Juli für Lars Patrick Berg, der ins Europaparlament gewechselt ist, in den Landtag ein. Seitdem streitet die Fraktion über die Satzung und darüber, ob Senger als Nachrückerin automatisch Fraktionsmitglied ist oder eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Abgeordneten für ihre Aufnahme stimmen muss. „Die mehrfache Ablehnung ihrer Aufnahme während der Klausurtagung ist nichtig“, kritisierte der AfD-Abgeordnete Daniel Rottmann am Mittwoch.

„Hier wird versucht, mein Mandat einzuschränken“, sagte Senger. Der Status von Nachrückern müsse rechtlich geklärt werden. Sie habe bereits an einer Fraktions- und Landtagssitzung im Juli teilgenommen und sei damals als Fraktionsmitglied vorgestellt worden. Ihr Rechtsanwalt werde nun die Fraktion auffordern, klarzustellen, dass sie Mitglied sei - trotz der drei gescheiterten Wahlgänge von Bad Herrenalb. Werde die Fraktion ihr die Rechte der Mitgliedschaft verweigern, will Senger vor das Landesverfassungsgericht ziehen. Ihr Anwalt werde dann eine einstweilige Anordnung und eine Organklage einbringen, kündigte sie an. „Ich möchte volle Rechte haben und habe mir nichts zu Schulden kommen lassen.“

Hinter dem Streit um die Personalie steckt ein seit Monaten tobender Machtkampf in der Fraktion zwischen gemäßigten Abgeordneten um Gögel und Mitgliedern vom rechten Rand um Fraktionsvize Emil Sänze. Beide Lager sind in etwa gleich stark. Senger selbst ordnet sich dem gemäßigten Lager zu. „Extrempositionen vertrete ich sicher nicht.“

Dabei geht es auch um den Umgang mit einer weiteren Personalie: Wolfgang Gedeon. Antisemitismusvorwürfe gegen den mittlerweile fraktionslosen AfD-Politiker hatten 2016 zur Spaltung der Fraktion geführt. Der 72-Jährige pflegt aber weiter enge Kontakte in die Fraktion und beantragte auf der Klausurtagung selbst seine Wiederaufnahme - auch er scheiterte an der Zwei-Drittel-Mehrheit. Aus Kreisen hieß es, dass sich aber neun Abgeordnete für die Wiederaufnahme Gedeons ausgesprochen hätten.

Gedeon sprach von einem politischen Patt. „Die Zwei-Drittel-Mehrheit erreicht niemand. Von daher würde dann niemand mehr reinkommen“, sagte er. Ein Teilnehmer der Klausur sagte, dass gewisse Abgeordnete mit der Blockadehaltung gegen Senger die Rückkehr von Gedeon ermöglichen wollen.

„Senger ist Opfer der Struktur, die durch die Spaltung entstanden ist“, sagte Fraktionssprecher Klaus-Peter Kaschke. Seit dem Rauswurf Gedeons und der Wiedervereinigung der Fraktion schreibe ein Paragraf in der Satzung eine Zwei-Drittel-Mehrheit für die Neuaufnahme von Mitgliedern vor - damit sollte die Rückkehr Gedeons erschwert werden. Nach einem älteren Paragrafen wäre eine solche Mehrheit aber nicht nötig für die Aufnahme von Mitgliedern. Externe Juristen würden nun die Satzung prüfen und klären, welcher Paragraf zum Tragen komme, sagte Kaschke. Das werde eher Monate als Wochen dauern.

„Bei der AfD-Fraktion verwehren Türsteher rechter Gedanken einer gemäßigten Kandidatin den Zutritt, während viele hinter der Rückkehr des Antisemiten Wolfgang Gedeon stehen“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer und Innen-Experte Uli Sckerl (Grüne). „Die Implosion der AfD-Fraktion geht weiter - da waren es nur noch 19. Das passiert, wenn ein gäriger Haufen entzündbare Faulgase erzeugt.“

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Erstellt:
18. September 2019, 17:33 Uhr

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