BSW
„An uns kommt niemand vorbei“
Nach den Landtagswahlen vertritt das Bündnis Sahra Wagenknecht selbstbewusst einen Machtanspruch, zeigt sich aber gesprächsbereit. Doch offene Fragen bleiben.
Von Tobias Heimbach
Am Morgen nach den Landtagswahlen sieht man beim Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) gut gelaunte Gesichter. Bei der Pressekonferenz in Berlin spricht die thüringische Spitzenkandidatin Katja Wolf von einem „sensationellen Ergebnis“. Ihre sächsische Parteikollegin Sabine Zimmermann nannte das Abschneiden sogar „historisch“. In beiden Landtagen ist das BSW als drittstärkste Kraft eingezogen. Zimmermann macht klar: „Wir haben eine strategische Position. An uns kommt niemand vorbei.“ Ohne BSW wird es in keinem der beiden Länder eine Regierungsmehrheit geben, weil alle Parteien eine Koalition mit der AfD ausschließen. Gründerin und Parteichefin Sahra Wagenknecht bringt es auf den Punkt: „Wir sind zu einem Machtfaktor in Deutschland geworden.“ Nun stellt sich die Frage: Wie geht das BSW mit seiner neuen Rolle um? Am Montag konnte man schon einige Hinweise erhalten – auch wenn Fragezeichen bleiben.
Grundsätzlich zeigen sich die BSW-Vertreterinnen dazu bereit, mit anderen Parteien zu koalieren. In Sachsen hätte ein Bündnis aus CDU, BSW und SPD eine Mehrheit. In Thüringen bräuchte man derzeit zusätzlich die Linkspartei. Doch mit dieser hat die CDU eigentlich eine Zusammenarbeit ausgeschlossen. Ob die Christdemokraten davon abweichen, klären sie gerade intern.
Die landespolitischen Inhalte dürften in beiden Bundesländern keine unüberbrückbaren Hindernisse für eine Koalition sein. Wolf betonte: „Wir treten dafür an, dass es schnell für die Menschen besser wird.“ Sie nannte etwa die Bildungspolitik, den öffentlichen Nahverkehr oder die Förderung des ländlichen Raums. Zimmermann ergänzte um die Punkte Gesundheitsversorgung und eine restriktivere Migrationspolitik.
Wagenknecht beansprucht selbst einen Platz am Verhandlungstisch
Komplizierter wird es, wenn es um Außenpolitik geht. Wenn es zu Gesprächen zwischen den Parteien über eine Regierungsbildung kommt, beansprucht auch Sahra Wagenknecht selbst einen Platz am Verhandlungstisch. „Wer mit uns koalieren möchte, muss auch mit mir sprechen.“ Ihr sei es wichtig, dass sich künftige Landesregierungen gegen Krieg und für Frieden positionierten. Nach ihrer Interpretation bedeutet das keine Waffenlieferungen an die Ukraine und keine Stationierung von US-Marschflugkörpern in Deutschland. Das könnte ein Konfliktpunkt mit der Bundes-CDU sein – auch wenn Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) in Sachsen und Spitzenkandidat Mario Voigt (CDU) in Thüringen hier näher an Wagenknecht liegen.
Für wie regierungsfähig sich das BSW schlussendlich erweist, bleibt eine große offene Frage. Die Thüringerin Katja Wolf hat als frühere Oberbürgermeisterin von Eisenach Regierungserfahrung – viele ihrer Mitstreiter haben es nicht. Sahra Wagenknecht hat noch nie einen Koalitionsvertrag ausgehandelt, Sabine Zimmermann ebensowenig.
„Wir wissen noch zu wenig über die Funktionsfähigkeit des BSW“, sagt etwa Wolfgang Schroeder, Politikwissenschafter an der Universität Kassel. Viele ihrer Vertreter rekrutierten sich aus der Linkspartei und hätten Oppositionspolitik gemacht. „Sie haben keine Regierungserfahrung, wissen nicht, wie es ist Kompromisse zu schließen und diese dann auch öffentlich zu vertreten“, sagte Schroeder. Fraglich ist auch, ob mögliche Koalitionspartner es tolerieren würden, wenn das BSW in manche Fragen mit der AfD stimmt. Wolf sprach davon, dass Thüringen ein „Politiklabor“ sein könne, in dem sich „die Grenzen von Opposition und Regierung ein Stück weit auflösen“.
Während das BSW sich aufstellt, gibt es von den anderen Parteien Signale der Annäherung. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sagte, wenn man die Interessen des eigenen Landes in den Mittelpunkt stelle, „ist es bestimmt möglich, Schnittmengen zu finden.“
Wie geht es nun weiter? Anfang dieser Woche wolle man intern beraten, hieß es vom BSW. Dann könnte man sich mit anderen Parteien aber zusammensetzen. Katja Wolf scheint das durchaus zu erwarten. Mit Blick auf Thüringens CDU-Chef Voigt sagte sie: „Man hat im Vorfeld Telefonnummern ausgetauscht und es wäre nicht überraschend, wenn es mal klingelt.“