Außenseiter Balingen will Chance suchen
Der Regionalligist geht mit einem Mix aus Demut und Selbstbewusstsein in das DFB-Pokal-Spiel gegen den VfB.
Von David Scheu
Balingen - Am Fuß der Schwäbischen Alb herrscht Ausnahmezustand. Die TSG Balingen steht vor ihrer Premiere im DFB-Pokal – und das Erstrundenduell mit dem VfB Stuttgart am Samstag (13 Uhr) im ausverkauften Reutlinger Kreuzeiche-Stadion ist nichts weniger als die größte Partie der Vereinshistorie. 13 400 Fans werden kommen, noch nie hat die TSG vor einer solchen Kulisse gespielt. Seit Wochen laufen die Planungen, 300 ehrenamtliche Helfer sind im Einsatz, der ganze Club ist auf den Beinen.
Eine kleine Gruppe aber bekommt von all dem Trubel relativ wenig mit: die Mannschaft. Sie bleibt in ihren bewährten Routinen, die sie unter Amateurbedingungen zuletzt bis auf Platz sechs in der Regionalliga geführt haben. Drei Trainingseinheiten nach Feierabend hat Coach Martin Braun (54) auch vor dem Pokalkracher angesetzt. Montag, Dienstag, Donnerstag – die letzte davon im Reutlinger Stadion. „Ich spüre keine große Anspannung, eher Vorfreude“, sagt Ex-Profi Braun, einst auch Sportlicher Leiter der Stuttgarter Kickers.
Dass die Balinger sich in der Außenseiterrolle wohlfühlen, zeigen sie in der Liga immer wieder. Die Heimspiele gegen den Meister SSV Ulm 1846 und die drittplatzierte TSG Hoffenheim II gewann die TSG in der Vorsaison, am Einsatzwillen hapert es eigentlich nie. Auch Braun lobt den Zusammenhalt: „Das Kollektiv funktioniert, ich wechsle auch nach guten Spielen fast immer drei bis vier Spieler.“ Bis auf den Langzeitverletzten Luca Kölsch (Kreuzbandriss) sind alle fit.
Und was kommt in fußballerischer Hinsicht auf den VfB zu? Ein strukturiertes Spiel nach vorne, vor allem aber eine gute Organisation bei gegnerischem Ballbesitz – oft sehr mannorientiert. Beteiligt ist daran nicht nur die Defensive um Kapitän Matthias Schmitz. „Wir haben letztes Jahr konstant aus einer sehr guten defensiven Stabilität agiert“, sagt Stürmer Jan Ferdinand, der 43 Tore in 184 Regionalliga-Spielen aufweisen kann – und 2016 bis 2019 für die Stuttgarter U 21 spielte. Womit er nicht allein ist: Sechs weitere Balinger haben eine VfB-Vergangenheit.
Das ist auch in der Kabine ein Thema. Es gebe viele VfB-Sympathisanten im Team, berichtet Braun: „Wir schauen an Spieltagen im Bus oft Bundesliga. Da stößt der VfB klar auf das größte Interesse.“ Für 90 Minuten wird das alles aber ruhen. „Die Jungs haben große Lust darauf, sich mit den Profis zu messen und ihre Grenzen auszuloten“, sagt Braun, der kürzlich ein Psychologie-Fernstudium erfolgreich abgeschlossen hat. Natürlich werde es auch auf die Tagesform des VfB ankommen: „Aber falls je eine Türe aufgehen sollte, wollen wir durchgehen.“
Auch am finanziellen Anreiz fehlt es nicht: Für das Weiterkommen schüttet der DFB 431 200 Euro aus – eine Wahnsinnssumme für die Balinger, deren Jahresetat für das Regionalliga-Team bei 700 000 Euro liegt.