Besser sehen und trainieren
Entwicklungen für die Raumfahrt helfen beim Kochen, Fahren und in der Medizin. Eine Ausstellung im Mercedes-Benz-Museum zeigt, wo überall noch.
Von Jürgen Brand
Stuttgart - Raumfahrt bringt Menschen auf ganz unterschiedliche Art und Weise an ihre Grenzen: Sich die vermeintliche Unendlichkeit des Weltalls vorzustellen ist eigentlich unvorstellbar; bis zum Mond haben es Menschen schon geschafft – bis zum Mars werden wohl noch ein paar Jahre vergehen. Und um solche Projekte überhaupt finanzieren zu können, braucht es die Finanzkraft reicher Staaten oder eben die von Multimilliardären, ob sie nun Jeff Bezos oder Elon Musk heißen.
Das ändert nichts daran, wie faszinierend das Thema für viele ist. Und was die Forschung in den vergangenen Jahrzehnten für Weltraumprojekte entwickelt hat, egal ob für Mondlandungen, Raumstationen wie die ISS oder für die Erforschung der Erde durch Satellitentechnik von Erdumlaufbahnen aus, hilft dem Leben und Überleben der Menschheit heute in vielfältiger Weise. Beispiele dafür sind noch bis 15. Oktober in der Sonderausstellung „All.täglich!“ im Mercedes-Benz-Museum zu sehen.
Der Röntgensatellit Rosat ist wahrscheinlich nur wenigen Stuttgarterinnen und Stuttgartern ein Begriff. Er war von 1990 bis 1999 in Betrieb, der bis dahin schwerste deutsche Satellit überhaupt und kostete 560 Millionen Mark, woran sich auch die USA und Großbritannien beteiligten.
Für die Spiegel des vierfach geschachtelten sogenannten Wolter-Teleskops hatte Zeiss ein Polierverfahren entwickelt, das diese Spiegel sogar ins Guinnessbuch der Rekorde brachte: Sie galten lange als die glattesten Spiegel der Welt. Dieses Verfahren hat Zeiss dann weiterentwickelt – und ermöglichte so individualisierte Gleitsichtbrillen, die vermutlich nicht wenige Stuttgarterinnen und Stuttgarter jeden Tag ein bisschen besser sehen lassen. Die internationale Raumstation ISS dürfte schon mehr Menschen in der Region ein Begriff sein. Dort verbringen Astronautinnen und Astronauten viele Wochen, wenn nicht Monate. Der deutsche Esa-Astronaut Thomas Reiter zum Beispiel arbeitete 166 Tage in der Station. Daher konnte er bei der Ausstellungseröffnung im Mercedes-Benz-Museum auch so eindrücklich über die Bedeutung von Raumfahrt erzählen.
Ein Problem für Menschen in der Schwerelosigkeit ist, dass sich ihre Muskeln rasch zurückbilden, wenn sie nicht täglich mehrere Stunden trainieren. Die Zeit sollten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an Bord aber eigentlich besser mit Experimenten und Forschung verbringen. So entstanden die heute weitverbreiteten und beliebten Galileo-Vibrationstrainingsgeräte, auf denen schon zehn Minuten Muskeltraining reichen.
Franziska Zeitler ist Abteilungsleiterin Innovation und Neue Märkte bei der Deutschen Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Bonn.
Sie hat die Ausstellung „All.täglich!“ mitkonzipiert und könnte noch viele Beispiele für den ganz alltäglichen Nutzen von Raumfahrt aufzählen.: Ceranfelder etwa sind eine Erfindung der Schott AG, die die Glaskeramik eigentlich für Weltraumteleskope entwickelt hatte; die Röntgentechnik von Rosat wird heute für die Früherkennung von Hautkrebs eingesetzt, mit deutlich erhöhter Erfolgsquote; und für das deutsch-französische Satellitenprojekt Merlin wurde die Lidar-Technik entwickelt.
Die ist zwar in den sogenannten Radarpistolen der Polizei nicht so beliebt, umso mehr aber in den Assistenzsystemen moderner E-Autos - womit dann auch klar ist, warum so eine Raumfahrtausstellung ziemlich gut in ein Automuseum passt.
Sonderausstellung Die Schau „All.täglich!“ im Mercedes-Benz-Museum zeigt 40 Technologien und Anwendungen aus der Raumfahrt im Alltag im Bereich Faszination Technik auf Ebene 0 zu den üblichen Öffnungszeiten bis 15. Oktober 2023. Weitere Informationen findet man unter: https://www.mercedes-benz.com.