Kein Schutz für Wucher: Karlsruhe billigt Mietpreisbremse

dpa Karlsruhe. Vor allem in Großstädten wird Wohnen immer teurer. Die Politik steuert mit der Mietpreisbremse gegen - mit Fug und Recht, sagt nun Karlsruhe. Ist das auch ein Freibrief für die geplante Verschärfung?

Laut Mietpreisbremse darf die Miete bei neuen Verträgen in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt nicht mehr als zehn Prozent über der „ortsüblichen Vergleichsmiete“ liegen. Foto: Arne Dedert

Laut Mietpreisbremse darf die Miete bei neuen Verträgen in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt nicht mehr als zehn Prozent über der „ortsüblichen Vergleichsmiete“ liegen. Foto: Arne Dedert

Die umstrittene Mietpreisbremse für besonders begehrte Wohngegenden ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Die 2015 eingeführten Vorschriften verstießen weder gegen die Eigentumsgarantie noch gegen die Vertragsfreiheit oder den allgemeinen Gleichheitssatz, teilte das Bundesverfassungsgericht mit.

Die Karlsruher Richter wiesen demnach die Klage einer Berliner Vermieterin bereits im Juli ab. Auch zwei Kontrollanträge des Landgerichts Berlin blieben ohne Erfolg. (Az. 1 BvL 1/18 u.a.)

Die Mietenbremse soll verhindern, dass Wohnungen in manchen Gegenden unbezahlbar werden. Daher dürfen Vermieter in Gebieten „mit einem angespannten Wohnungsmarkt“ von einem neuen Mieter höchstens die ortsübliche Vergleichsmiete plus zehn Prozent verlangen.

Wo solche Gebiete sind, legen die Landesregierungen für maximal fünf Jahre fest. Die Vergleichsmiete bestimmt sich nach dem Mietspiegel. Der Berliner Senat hatte gleich mit Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Juni 2015 eine Mietenbremse im gesamten Stadtgebiet erlassen.

Die Vermieterin hatte Verfassungsklage eingelegt, weil ihr Gerichte in Berlin daraufhin eine zu hoch angesetzte Miete gedeckelt hatten. Für die knapp 75 Quadratmeter große Wohnung sollte sie statt 860 Euro nur noch ungefähr 735 Euro im Monat bekommen. Außerdem musste sie ihrer Mieterin das zu viel kassierte Geld teilweise zurückzahlen.

Die Verfassungsrichter sehen aber keine Grundrechte verletzt. „Es liegt im öffentlichen Interesse, der Verdrängung wirtschaftlich weniger leistungsfähiger Bevölkerungsgruppen aus stark nachgefragten Stadtteilen entgegenzuwirken“, entschieden sie. Die Regulierung der Miethöhe sei dazu geeignet - und Vermietern auch zumutbar: „Ihr Vertrauen, mit der Wohnung höchstmögliche Mieteinkünfte erzielen zu können, wird durch die Eigentumsgarantie nicht geschützt.“

Auch mit der Ausgestaltung der Mietpreisbremse sind die Richter zufrieden. Die Landesregierungen könnten besser einschätzen als der Bundesgesetzgeber, wo es auf dem Wohnungsmarkt kritisch wird. Im Übrigen sei die Geltungsdauer befristet, und es gebe Ausnahmen.

Für neu gebaute oder gerade sanierte Wohnungen gilt der Mietendeckel nicht. Der Vermieter darf außerdem mehr Miete als eigentlich zulässig verlangen, wenn der Vormieter auch schon so viel gezahlt hat.

Die Klägerin hatte auch beanstandet, dass nicht überall Mietobergrenzen gelten und wenn, dann in jeder Stadt andere. Bisher haben nicht alle Bundesländer von der Mietenbremse Gebrauch gemacht. Ende 2018 gab es in 313 von 11.000 Städten und Gemeinden einen Mietendeckel: zum Beispiel in München und Frankfurt, Braunschweig, Jena und auf Sylt.

Die Richter halten es aber für sachgerecht, die örtliche Vergleichsmiete als Maßstab zu nehmen. Die Bedingungen auf den regionalen Wohnungsmärkten seien ja auch sehr unterschiedlich.

Der Deutsche Mieterbund äußerte sich „hocherfreut“. „Mieterschutz ist selbstverständlich mit dem Grundgesetz vereinbar“, erklärte Präsident Lukas Siebenkotten in Berlin. Die Politik müsse nun aber auch Maßnahmen ergreifen, um die Möglichkeiten für Mieterhöhungen in laufenden Verträgen deutlich einzugrenzen.

Der Immobilienverband IVD warnte hingegen: „Es besteht nun die große Gefahr, dass die Politik die Entscheidung als Freifahrtschein für die weiteren Verschärfungen der Mietpreisbremse missversteht.“ Es sei aber völlig unklar, ob Karlsruhe „auch eine verlängerte oder weiter modifizierte Mietpreisbremse billigt“, sagte Präsident Jürgen Michael Schick.

Nach einer im Januar vorgestellten Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) ist ein Effekt messbar. Dieser ist bisher aber nicht allzu groß: Ohne Mietenbremse wären Bestandsmieten in beliebten Wohngegenden zwei bis vier Prozent höher. Viele Vermieter würden sich einfach nicht an die festgelegte Obergrenze halten.

Anfang des Jahres wurde schon einmal nachgebessert. Und erst am Sonntag haben sich Union und SPD auf eine weitere Verschärfung verständigt. Unter anderem sollen Mieter zu viel gezahlte Miete künftig für die letzten zweieinhalb Jahre zurückfordern können - bisher geht das erst ab dem Moment, an dem der Mieter die überhöhte Miete beanstandet hat. Außerdem sollen die Länder bis Ende 2025 Zeit bekommen, weitere Mietenbremsen zu erlassen. Der Deckel gilt zwar weiter maximal fünf Jahre, soll aber erneuert werden können.

Der Karlsruher Beschluss bezieht sich auf die ursprüngliche Regelung. Der Eigentümerverband Haus & Grund hält eine Verlängerung für „verfassungsrechtlich ausgeschlossen“. Die Richter hätten betont, dass die Verfassungsmäßigkeit „wesentlich auch an der beschränkten Geltung von fünf Jahren liege“, erklärte Präsident Kai Warnecke.

Der kommissarische SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel sieht „die Politik der SPD für bezahlbaren Wohnraum und mehr Rechte für Mieter“ durch die Entscheidung bestätigt. Der rechtspolitische Vize-Sprecher der Unionsfraktion, Jan-Marco Luczak, sagte, das Gericht habe aber auch Grenzen aufgezeigt. „Für uns als Gesetzgeber bedeutet dies, dass wir beim kommenden Mietrechtspaket den Regulierungsumfang und die Regulierungstiefe nicht überziehen dürfen.“

Linke-Chef Bernd Riexinger forderte massive Investitionen in den sozialen Wohnungsbau und einen flächendeckenden Mietendeckel: „Die Mieten dürfen mindestens für fünf Jahre nicht mehr steigen.“ Die FDP im Bundestag bekräftigte ihre Ablehnung der Mietpreisbremse. Diese werde sich langfristig als Preistreiber entpuppen, weil sie Investitionen in neuen Wohnraum dämpfe, sagte Parlamentsgeschäftsführer Marco Buschmann.

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Erstellt:
20. August 2019, 16:53 Uhr

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