Coronavirus verunsichert viele Bürger

Landratsamt richtet Hotline ein – Schulen sind für das Thema sensibilisiert – Aspacher Unternehmen sagt Tag der offenen Tür ab

Im Rems-Murr-Kreis gab es bisher keine Erkrankten, das Robert-Koch-Institut schätzt das Gesundheitsrisiko in Deutschland als mäßig ein – dennoch ist die Verunsicherung in Hinsicht auf das Coronavirus groß. Das Landratsamt hat eine eigene Bürgerhotline hierzu eingerichtet. Im Marbacher Friedrich-Schiller-Gymnasium gibt es spezielle Hygieneeinweisungen.

Coronavirus verunsichert viele Bürger

Das Pflegepersonal im Krankenhaus trägt im Isolierzimmer einen solchen Mund- und Nasenschutz. Der dient vor allem dazu, dass sich niemand mit kontaminierten Händen an den Mund fasst. Foto: B. Büttner

Von Lorena Greppo

BACKNANG. Die Nudelvorräte der einzelnen Supermärkte schwinden, in den Facebook-Gruppen der Region werden Fotos von leer geräumten Regalen geteilt und Nutzer berichten von der schwierigen Suche nach Mehl, Brot und anderen Teigwaren. Im Nachgang wird schon wieder relativiert, ein Versorgungsengpass mit Trockennahrungsmitteln ist nicht in Sicht. Die Ursache für die offenbar stattfindenden Hamsterkäufe ist jedoch schnell gefunden: Die Angst vor dem Coronavirus geht um. Wie das Landratsamt Rems-Murr erneut mitteilt, gab es im Landkreis bisher keinen bestätigten Fall einer Covid-19-Infektion. „Angesichts der aktuellen Entwicklungen im Land wappnet sich das Landratsamt jedoch ganz bewusst und berät sowohl Unternehmen als auch Städte und Gemeinden“, heißt es in einer Pressemitteilung. Unter anderem wurde eine Hotline eingerichtet, über die sich die Bürger direkt mit dem Gesundheitsamt in Verbindung setzen können. Dafür sei Personal aus anderen Abteilungen abgezogen worden, etwa aus dem Pflegestützpunkt.

„Die Mitarbeiter der Rems-Murr-Kliniken sind entsprechend sensibilisiert und informiert“, teilt auch eine Sprecherin der Rems-Murr-Kliniken mit. Sollte es Corona-Patienten geben, werden diese in einem Isolierzimmer untergebracht (wir berichteten). Diese sind von der Lüftungsanlage abgetrennt und verfügen über einen geschlossenen Vorraum. Das Pflegepersonal trägt einen Mund- und Nasenschutz – allerdings weniger wegen der durch die Luft fliegenden Viren, sondern um den Griff der eigenen kontaminierten Hand an den eigenen Mund zu unterbinden. Bisher hatte man es in Winnenden und Schorndorf nur mit Abklärungsfällen zu tun. Diese seien auch „über vorbildliche Wege zu uns gekommen“, sagt die RMK-Sprecherin. Denn: „Die Notaufnahme ist dafür nicht der erste Anlaufpunkt.“ Vor allem dann, wenn Personen in Kontakt mit Coronaerkrankten standen, sei das Gesundheitsamt zu verständigen (siehe Infobox). Dieses stimme dann wiederum das weitere Vorgehen ab, ob etwa eine häusliche Quarantäne angemessen ist.

Leserin unserer Zeitung ist im Urlaub unter Quarantäne

Vermutlich befürchten eine solche Anordnung die vielen Vorrateinkäufer. Für eine Leserin unserer Zeitung, die nicht namentlich genannt werden möchte, ist sie zur Realität geworden. Sie befindet derzeit auf Teneriffa, eigentlich um dort Urlaub zu machen. Am vergangenen Dienstag sei dann ein Zettel unter der Tür ins Zimmer geschoben worden mit der Nachricht, das Hotel sei versiegelt worden. Fünf Coronafälle habe es gegeben. Seitdem sei die Lage angespannt. „Es ist ein ungutes Gefühl“, berichtet die Frau. Zwar dürfe sie inzwischen das Zimmer wieder verlassen und in den Speisesaal und in den Garten gehen. „Aber man schaut, dass man für sich bleibt. Hauptsache, wir stecken uns nicht an.“ Mehrmals täglich minutenlang die Hände schrubben und zweimal am Tag Fieber messen gehört zu den Vorsichtsmaßnahmen. „Ringsrum um das Gebäude steht die Polizei, die Strandpromenade ist abgeriegelt“, beschreibt sie. Die Versorgung mit Medikamenten, die manche Urlaubsgäste benötigen, sei unter anderem aufgrund der Sprachbarriere schwierig. Allgemein sei der Informationsfluss dürftig. Über andere Gäste habe sie erfahren, dass die Quarantäne bis 10. März angeordnet sei. „Wir stehen in ständigem Kontakt mit unserem Reiseveranstalter und hoffen, dass wir dann auch zeitnah einen Flug bekommen.“

Teneriffa – oder Spanien allgemein – gilt bislang laut Robert-Koch-Institut (RKI) nicht als Risikogebiet. Anders verhält es sich mit manchen Regionen in Italien, was wiederum die Schulen der Region in Atem hält. Die Verhaltensempfehlungen auf Südtirol zu erweitern, wie es der Ostalbkreis vorübergehend getan hat, hätte weitreichende Konsequenzen, lässt die leitende Schulamtsdirektorin Sabine Hagenmüller-Gehring wissen. „Lehrkräfte und Kinder, die dort im Urlaub waren, müssten dann vorsorglich zu Hause bleiben.“ Bisher habe das RKI Südtirol aber nicht als Risikogebiet aufgeführt, das halte auch der Rems-Murr-Kreis so. Verunsicherung gebe es dennoch. „Wir bekommen recht viele Anfragen. Es gibt unter den Schulen eine hohe Sensibilität für das Thema.“ Man habe bisher keine Einrichtung schließen müssen, behalte die Situation aber im Auge.

Hygieneeinweisungen für Schüler des Marbacher Gymnasiums

Am Friedrich-Schiller-Gymnasium in Marbach ist gestern bereits teilweise Unterricht ausgefallen. Man habe sich „in einer außerordentlichen Sitzung gemeinsam mit der Stadt Marbach und unter Einbeziehung des Kultusministeriums einen Überblick über die aktuelle Lage verschafft“, heißt es dort. In den kommenden Tagen würden die einzelnen Klassen in grundlegendes Hygieneverhalten eingewiesen. Inwiefern sich das auf den normalen Schulbetrieb auswirkt, ist auf der Website der Schule nachzulesen.

Eine reine Vorsichtsmaßnahme hat auch Albrecht Schwarz, Geschäftsführer der Schwarz GmbH in Aspach ergriffen und den für das Wochenende geplanten Tag der offenen Tür abgesagt. In den Vorjahren haben man während der Veranstaltung jeweils zwischen 2500 und 3500 Besucher gehabt. „Wir haben uns überlegt, wie wir nun damit umgehen“, erklärt er. Schließlich sind beispielsweise in der Schweiz seit Freitag sämtliche Veranstaltungen ab 1000 Teilnehmern untersagt worden. „Unser Einzugsgebiet ist groß und reicht bis nach Tübingen und Heidelberg“, erklärt Schwarz, dessen Unternehmen landwirtschaftliche Maschinen vertreibt. Der Tag der offenen Tür sei in den vergangenen mehr als 30 Jahren nur einmal verschoben worden. Dennoch habe man diese Entscheidung getroffen. „Wir wollen abwarten, bis sich die Lage wieder beruhigt.“ Man wolle keine unnötige Panik verbreiten, betont Schwarz. Es gehe ihm lediglich darum, Kunden und Belegschaft keinem unnötigen Risiko auszusetzen. Die Rückmeldung seiner Kunden auf die Absage der Veranstaltung sei daher auch verständnisvoll ausgefallen.

Info

Für die Bürgerschaft und die Unternehmen aus dem Landkreis stellt das Gesundheitsamt auf der Startseite der Landkreis-Homepage (www.rems-murr-kreis.de) alle relevanten Informationen tagesaktuell zur Verfügung – sozusagen als erste Anlaufstelle.

Für Fragen, die durch diese Informationen nicht beantwortet werden, hat das Landratsamt eine Hotline eingerichtet. Unter der Telefonnummer 07151/501-3000 können sich Bürger werktags von 8 bis 17 Uhr an das Gesundheitsamt wenden. Dieser Service ergänzt die bestehenden Angebote des Landesgesundheitsamts und des Robert-Koch-Instituts. Sollte sich die Lage zuspitzen, wird die Erreichbarkeit ausgeweitet.

Unter www.infektionsschutz.de/coronavirus-sars-cov-2.html hat die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung umfangreiche Informationen zum neuartigen Coronavirus zusammengestellt, darunter Präventionsmaßnahmen. Die wichtigsten Hygienetipps sind: Abstand halten von Erkrankten, die Nies- und Hustenetikette beachten, Hände vom Gesicht fernhalten und regelmäßig gründlich Hände waschen.

Das Gesundheitsministerium in Baden-Württemberg hat für Betroffene, insbesondere für Reiserückkehrer aus Italien, eine Empfehlung veröffentlicht. Danach wird Rückkehrern aus Risikogebieten mit Symptomentwicklung innerhalb von 14 Tagen empfohlen, sich umgehend telefonisch mit dem Hausarzt oder dem kassenärztlichen Bereitschaftsdienst unter der 116117 in Verbindung zu setzen und das weitere Vorgehen zu besprechen. Bei einem Kontakt innerhalb der letzten 14 Tage zu einem bestätigt an Covid-19 Erkrankten unabhängig vom Auftreten von Symptomen wird empfohlen, umgehend das zuständige Gesundheitsamt zu kontaktieren.

Im jeweiligen Einzelfall stimmt das zuständige Gesundheitsamt entsprechend dem festgelegten einheitlichen Vorgehen das angemessene Prozedere ab (unter anderem Indikation zur Testung, häusliche Quarantäne oder vorsorgliche stationäre Aufnahme).