„Das ist katastrophal für uns“

Die Coronakrise und ihre Folgen lassen die Taxiunternehmen und Mietwagenbetreiber um ihre Existenz bangen

Derzeit ist daheimbleiben quasi erste Bürgerpflicht und für manchen eine Geduldsprobe. Doch für all jene, die ihr Geld mit der Mobilität der Menschen verdienen, ist die aktuell eingeschränkte Bewegungsfreiheit sogar existenzbedrohend. Wir haben uns dazu bei zwei Unternehmen aus Backnang umgehört, deren Taxis und Mietwagen zum Teil schon seit Jahrzehnten zum Stadtbild gehören.

Andrej Hecht (links) und Serdar Dogan vom Unternehmen Taxi Scheib sind als Unternehmer zurzeit arg gebeutelt.  Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Andrej Hecht (links) und Serdar Dogan vom Unternehmen Taxi Scheib sind als Unternehmer zurzeit arg gebeutelt. Foto: A. Becher

Von Bernhard Romanowski

BACKNANG. Ein ganzes Wochenende Taxibereitschaft und nur ein Kunde: Selbst jemand mit argen kalkulatorischen Schwächen ahnt sofort, dass sich das nicht rechnet. Wären Serdar Dogan und sein Geschäftspartner Andrej Hecht darauf angewiesen, mit ihren Wagen am Bahnhof zu stehen und auf Fahrgäste zu warten – sie könnten den Laden dichtmachen. Der Laden, das ist in ihrem Fall nichts weniger als das älteste Chauffeurunternehmen in Backnang, wie Dogan betont, nämlich Taxi Scheib.

Hecht und Dogan haben das Geschäft vor einigen Jahren übernommen und betreiben es als GbR unter dem alten Namen weiter, mit einigen Angestellten, darunter auch noch Mitglieder der Scheib-Familie. Für die kleinen Taxiunternehmen sei die Coronakrise katastrophal, so schildert es Dogan. Taxi Scheib indessen hält sich derzeit mit Krankenfahrten über Wasser, bei denen sie beispielsweise Dialysepatienten chauffieren. Doch die Anzahl dieser Fahrten, die zumeist über das Deutsche Rote Kreuz vermittelt werden, hat laut Dogan ebenfalls stark abgenommen. Seine Mitarbeiter werden ab kommender Woche in Kurzarbeit gehen, sagt er.

Er selbst, ebenso wie sein Kompagnon, kommt nicht daran vorbei, seine Kosten weiterzahlen zu müssen. Er spricht von über 900 Euro für seine Krankenversicherung. Da sei es zwar zu begrüßen, dass das Finanzamt den Selbstständigen Stundungen der Vorsteuer einräume. Aber zurückzahlen müsse er das Geld ja irgendwann doch.

Das gelte letztlich auch für die über die KfW-Bank in Aussicht gestellten Kredite für Unternehmer. Ein gut gemeintes Angebot, so Dogan, aber die Zinsmodalitäten betreffend könne er bei seiner Hausbank wohl sogar günstigere Konditionen erhalten. So wie es sich jetzt darstellt, könne er rund drei Monate durchhalten. Allerdings meint er: „Auch nach dem Ende der Coronapandemie brauchen wir sechs Monate bis ein Jahr, bis wir wieder den normalen Betrieb aufnehmen können.“

„Wir haben nur noch 20 Prozent von dem, was wir vorher hatten“, rechnet Annerose Graf-Bauer vor. Mit ihrem Mann betreibt sie das Unternehmen Taxi Graf und beschäftigt sieben Angestellten. Die drastische Entwicklung ihrer Situation im Schatten der Coronapandemie schildert sie an einem Beispiel: Normalerweise setzt sie wochenends drei Fahrer ein. Ihr Mann und sie selbst sind auch im Einsatz. Das bringt gemeinhin rund 1000 Euro an Fahrgeld ein. Vorletztes Wochenende lohnte sich schon nur noch der Einsatz eines Fahrers. Knapp 150 Euro kamen zusammen. Die typischen Taxifahrten vom Bahnhof zum Hotel entfallen derzeit. Der Shuttleservice, den Taxi Graf für die Monteure und andere Mitarbeiter verschiedener Firmen normalerweise durchführt, wird jetzt kaum noch beansprucht.

Viele Hochrisikopatienten lassen sich jetzt von Angehörigen fahren

Die Zahl der Krankenfahrten wurde stark reduziert. „Und Menschen, die beispielsweise zur Dialyse müssen, sind Hochrisikopatienten. Viele von ihnen lassen sich zurzeit lieber von Angehörigen fahren. Ich kann das schon verstehen“, erläutert Graf-Bauer. Obwohl ihre Fahrer die Autos regelmäßig reinigen und desinfizieren. „Aber der Sicherheitsabstand ist in einem Auto eben nicht gegeben“, gibt die Unternehmerin zu bedenken.

Rückwirkend zum 16. März hat sie Kurzarbeit für ihre Mitarbeiter angemeldet. Eine Rückmeldung habe sie noch nicht erhalten. Zwei ihrer Autos, die als Mietwagen, also für vorher terminierte Fahrten zum Einsatz kamen, muss sie abmelden. Einen Termin dafür bei der Zulassungsstelle des Landratsamts zu bekommen, dauere einige Wochen, was sich dann auch wieder in den Versicherungskosten niederschlage. Auch sie kommt auf die Stundungsmöglichkeiten vom Finanzamt zu sprechen und meint: „Die Schulden brechen uns dann eben nur später den Hals.“

Standfahrten könne man zurzeit abhaken, sagt sie. Das lohne sich nicht für zwei, drei Fahrten am Abend. Die Restaurants und Bars sind geschlossen, Fahrten „von privat zu privat“ entfallen durch die Ausgehbeschränkungen auch, die Friseure haben zu, und zum Einkaufen lässt sich auch kaum jemand fahren. „Und wenn, dann kaufen die so viel ein, dass es für länger reicht und sie uns vielleicht nach zwei Wochen noch mal anrufen“, zählt Graf-Bauer auf. „Wir stehen mit vielen Fragezeichen da. Wir müssen mindestens die nächsten drei Monate überstehen.“ Denn vor Ende Juni sei nicht mit einem Ende der jetzigen Situation zu rechnen, prognostiziert sie. Und auch dann werde es eine ganze Weile dauern, bis alle Einschränkungen aufgehoben sein werden. Sie geht sogar davon aus, dass in Backnang das Straßenfest abgesagt wird. Die letzten 14 Tage habe sie sich mit nichts anderem beschäftigt als mit der Frage, wie sie an Unterstützung und Entlastung durch die Behörden kommt, um ihr Unternehmen zu retten. „Ich habe alles gemacht, was man machen kann“, so erzählt sie hörbar angespannt. Im Moment ist sie dabei, sich über die versprochene Soforthilfe für Freiberufler und Selbstständige zu informieren.

Die Gastronomen stünden sogar noch schlimmer da, das ganze Dienstleistungsgewerbe leide, so Graf-Bauer mit sorgenvoller Stimme. Sie habe schon viel erlebt, was ihre Branche arg in Mitleidenschaft gezogen habe, sagt sie. „Aber so was wie jetzt habe ich in 40 Jahren nicht erlebt.“

Info

Es gibt klare juristische Unterschiede zwischen Taxen und Mietwagen. Taxen sind Teil des öffentlichen Personennahverkehrs. Damit gibt es eine Pflicht zur Beförderung ebenso wie eine Betriebspflicht. Tarife werden von den Gebietskörperschaften bindend vorgeschrieben.

Mietwagen dagegen sind kein Teil des öffentlichen Personennahverkehrs. Sie haben keine Pflicht zur Beförderung, keine festgelegten Tarife und keine Betriebspflicht. Die Preise werden von den Unternehmen definiert, sie orientieren sich an der Nachfrage und können auch von Fall zu Fall stark variieren.

Bei Personenbeförderungen mit dem Taxi innerhalb der Gemeinde werden sieben Prozent Mehrwertsteuer fällig. Darüber hinaus auch, wenn die Strecke nicht mehr als 50 Kilometer beträgt. Bei allen Fahrten mit dem Mietwagen werden 19 Prozent Mehrwertsteuer fällig.

Werbung ist auf Taxen erlaubt, mit Ausnahme von politischer und religiöser Werbung. Für Mietwagen gibt es keine Vorgaben. (Quelle: www.taxipedia.info)

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Erstellt:
31. März 2020, 06:00 Uhr

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