Das VfB-Abwehrpuzzle

Konstantinos Mavropanos zieht es zu West Ham United, er hinterlässt in der Stuttgarter Verteidigung eine Lücke. Leonidas Stergiou kommt vom FC St. Gallen, ist jedoch kein Ersatz für den griechischen Nationalspieler.

Von Carlos Ubina

Stuttgart - Die Kraft des griechischen Fußballgladiators wird dem VfB Stuttgart künftig fehlen. Konstantinos Mavropanos schließt sich West Ham United an. Mit dem Wechsel erfüllt sich für den 25-Jährigen ein Wunsch, da es ihn wieder nach England zieht. Vom FC Arsenal war er vor drei Jahren zum Bundesligisten gekommen, zunächst auf Leihbasis. Im vergangenen Sommer verpflichtete ihn der VfB für drei Millionen Euro fix – nun erhalten die Stuttgarter 20 Millionen Euro an Ablöse plus Boni.

Finanziell profitiert die VfB AG also enorm von dem Transfer. Sportlich hat sich das Engagement von Mavropanos in den vergangenen Spielzeiten ebenfalls bezahlt gemacht. Der Nationalspieler gehörte mit seiner Energie, seiner Schnelligkeit und seinem Willen zu den Säulen im Team – nicht nur wegen seines athletischen Körpers mit 1,94 Meter und ausdefinierten Muskeln.

Mavropanos hinterlässt in der Abwehr demnach eine Lücke. Wenngleich er anfangs immer wieder Verletzungsprobleme hatte und bis zuletzt in seinem Eifer zu Aktionen neigte, die zu Gegentoren führten. In Summe ist er jedoch ein Spieler, der die Stuttgarter in Zukunft weiter nach vorne hätte bringen können. Aber: Der Traditionsverein von 1893 ist nun mal ein Sprungbrett für Profis mit Potenzial geworden.

Sobald sich diese Spieler in der Bundesliga etabliert haben, fühlen sie sich meist reif für die Insel. Die Premier League lockt mit Geld und der Herausforderung, die beste und attraktivste Liga der Welt zu sein. Dem VfB selbst bleibt der Part des Ausbildungsbetriebs, der nach internationalen Talenten Ausschau hält, um sie zu entwickeln.

Wie im Fall von Leonidas Stergiou. Der Schweizer mit griechischen Wurzeln ist im Hauptberuf bislang Innenverteidiger und wird deshalb in der Öffentlichkeit gerne als Mavropanos-Ersatz gehandelt. Doch der 21-Jährige wird in der sportlichen Leitung mit Sportchef Fabian Wohlgemuth und Trainer Sebastian Hoeneß anders eingeschätzt – als Perspektivspieler, unabhängig von der Personalie Mavropanos.

Stergiou bringt ein interessantes Profil mit, am Dienstagabend wurde der Wechsel des Abwehrspielers vom FC St. Gallen vom VfB bestätigt – auf Leihbasis für ein Jahr. Der Juniorennationalspieler ist zwar nur 1,81 Meter groß, dafür jedoch extrem schnell und mit einem guten Antizipationsvermögen ausgestattet. Er erahnt Situationen, verteidigt nach vorne und spielt einen ordentlichen Pass nach gewonnenen Zweikämpfen.

Alles Qualitäten, die Hoeneß im Stuttgarter Spiel sehen will. Peter Zeidler, der frühere VfB-Coach und Ex-Trainer der Stuttgarter Kickers, hat Stergiou im Winter 2019 beim Nachwuchs der St. Gallener entdeckt und ihn nach seinem Amtsantritt zu den Profis in die Super League hochgezogen. Auf 139 Einsätze in der ersten Liga der Eidgenossen bringt er es nun in jungen Jahren, und die Sehnsucht, in eine große europäische Liga zu wechseln, ist zuletzt beherrschend gewesen.

Bisher war es jedoch so, dass der Kapitän der Schweizer U 21 keinen anderen Club außerhalb der Alpennation fand, weil Stergiou als zu klein für einen Innenverteidiger erachtet wurde – trotz der ständigen Vergleiche mit dem italienischen Ausnahmeverteidiger Fabio Cannavaro. Der Weltmeister von 2006 ist sogar fünf Zentimeter kleiner als Stergiou, überragte jedoch mit seinem Stellungsspiel und seiner Kopfballstärke.

Aufgrund seines Tempos kommt Stergiou beim VfB allerdings ebenso für die Position des Rechtsverteidigers infrage, als Alternative zum aktuell verletzten Josha Vagnoman und dem weniger schnellen Pascal Stenzel. Er hat den Außenposten auch schon eingenommen. Bei seinem Stammclub ein einziges Mal, im ersten Ligaspiel der Vorsaison. Nach 45 Minuten war das Experiment beendet. Stergiou rückte wieder in die Zentrale.

Dort muss er sich in Stuttgart hinter Waldemar Anton, Dan-Axel Zagadou und Hiroki Ito einordnen. Ohnehin plant der VfB, sich in der Defensive verstärken. Denn neben Mavropanos, der in 80 Bundesliga-Partien sechs Tore erzielte, ist dem VfB Wataru Endo (FC Liverpool) abhandengekommen. Der Japaner gab im Mittelfeld Halt und hatte neben seiner Persönlichkeit als stiller Anführer ein besonderes Paket zu bieten: defensiv stabil, sodass er zusätzlich als Abwehrspieler diente, und offensiv torgefährlich, sodass er immer wieder wichtige Treffer erzielte.

Trotz der Millionen-Einnahmen auf dem Transfermarkt wird der VfB das viele Geld aber jetzt nicht voll in die Mannschaft stecken. Der erzielte Überschuss ist vor allem dazu da, finanzielle Löcher zu stopfen, gerissen durch Umsatzeinbußen in der Coronakrise und durch die hohen Kosten des Stadionumbaus. Wohlgemuth sucht deshalb weiter die passenden Teile, um das weiß-rote Abwehrpuzzle zu vervollständigen.

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Erstellt:
22. August 2023, 22:08 Uhr

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