Debatte über die Sicherheit in der City
Die Vergewaltigung einer jungen Frau auf der Königstraße hat das Sicherheitsgefühl vieler Menschen erschüttert – und neue Diskussionen über die Lage in der Stuttgarter Innenstadt ausgelöst. Erste Schritte stehen fest: Am Wochenende erhöht die Polizei die Zahl der Einsatzkräfte.

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Der Stuttgarter Königsbau zieht viele Menschen an – vor allem nachts allerdings in jüngster Zeit auch eine kriminelle Klientel.
Von Jürgen Bock
Stuttgart - Bisweilen kann ein einziger Vorfall das Fass vollends zum Überlaufen bringen. Schon in den vergangenen Monaten haben sich Meldungen über nächtliche Straftaten aller Art in der Stuttgarter Innenstadt, vor allem am Königsbau, gehäuft. Immer wieder ging es dabei auch um die Belästigung von Frauen durch kleinere Gruppen von Männern. Doch eine Tat vom vergangenen Samstag erschüttert nun die Stadtgesellschaft vehement – von der Partygängerin bis zur Politik.
Eine 27 Jahre alte Frau ist gegen 4 Uhr morgens auf der Königstraße von drei Männern angesprochen, überwältigt und von einem von ihnen vergewaltigt worden – auf Höhe der Straße Neue Brücke, offenbar in einem Hauseingang. Zu einer Uhrzeit, zu der am Wochenende auf der Hauptachse der Stadt meist reichlich Nachtschwärmer unterwegs sind. Zu allem Überfluss gab es nur wenige Tage später erneut einen sexuellen Übergriff. Am Dienstagmorgen gegen 3.45 Uhr belästigten am Königsbau fünf junge Männer eine Frau, fassten sie an, verfolgten sie, bis sie einen Notruf absetzte.
Während es in diesem Fall Verdächtige gibt, sind die Männer, die an der Vergewaltigung beteiligt waren, nach wie vor flüchtig. „Einige Zeugenhinweise sind gekommen, denen wir nun nachgehen“, sagt Polizeisprecher Stephan Widmann. Man habe eine Ermittlungsgruppe eingerichtet. Die prüfe auch, ob es Aufnahmen von Überwachungskameras im fraglichen Bereich gibt.
Die ersten Konsequenzen aus dem Vorfall folgen bereits. Die Polizei wird an diesem Wochenende ihre Präsenz in der Innenstadt weiter erhöhen. „Wir werden zusätzliche Kräfte im Einsatz haben, die hochsensibel auf Auffälligkeiten achten, besonders, wenn Männergruppen unterwegs sind“, so Widmann. Gleichwohl ist klar: Die Sicherheitskräfte können nicht zu jedem Zeitpunkt an jeder Ecke sein.
Wie ist also die Lage in der Innenstadt? Zumindest manche Frauen sind verängstigt. Das Thema wird viel diskutiert. „Es gibt Rückmeldungen aus der Bevölkerung, dass das Unsicherheitsgefühl gestiegen ist. Viele sind entsetzt“, sagt Veronika Kienzle. Die Bezirksvorsteherin von Stuttgart-Mitte weiß, dass es dabei nicht rein um Statistiken geht, die immer wieder aussagen, dass die Situation in Stuttgart relativ ruhig ist. „Jeder einzelne schwere Zwischenfall ist nicht nur für die Opfer eine Katastrophe, sondern auch für die Stadtgesellschaft. So etwas erschüttert das Vertrauen in die Sicherheit“, sagt sie.
Veronika Kienzle sieht aber auch objektiv zwei Sorgenkinder. „Wir verzeichnen eine angespannte Sicherheitslage besonders entlang der Königstraße, aber auch im Leonhardsviertel. Das ist auch von Anwohnerinnen und Anwohnern zu hören.“ Letztlich sei Stuttgart eine Großstadt, in die viele Menschen aus verschiedensten Gründen kommen und müsse mit den Problemen kämpfen, die alle Großstädte haben. Man müsse aber darauf reagieren.
Kienzle fordert, dass sich alle Sicherheitsorgane der Stadt, aber auch die Gastronomen, zusammensetzen. „Wir müssen darüber sprechen, wie wir junge Menschen, die nachts in der Stadt unterwegs sind, besser schützen“, sagt die Bezirksvorsteherin. Dazu könnten bessere und günstige Lösungen für den Heimweg beitragen. Sie nimmt aber auch die Nachtschwärmer in die Pflicht: „Die erste Prämisse muss der sichere Nachhauseweg sein.“ Dazu gehöre, spätnachts nicht alleine durch die Straßen zu gehen oder im Zweifel nicht am Geld für ein Taxi zu sparen.
Unterm Strich sieht Kienzle in der Innenstadt aber „keinen solchen Hotspot, dass man sich nicht mehr auf die Straße trauen kann“. Das sagt auch Citymanager Sven Hahn: „Die Leute können sich in Stuttgart sicher fühlen.“Gleichwohl reagierten die Menschen sehr sensibel auf Meldungen wie jene von der Vergewaltigung. Er hat bereits Gespräche mit der Polizei über die Lage geführt, gerade am Königsbau, wo der private Sicherheitsdienst verstärkt worden ist. Die schwierige Klientel sei bekannt – kleine Gruppen junger Männer, die meist gar nicht aus Stuttgart kämen. „Prävention ist das eine, aber da braucht es auch Polizeipräsenz mit schnellem, klarem Eingreifen“, fordert Hahn.
Das will auch die Stuttgarter CDU. Sie hat am Freitag beantragt, dass Stadtverwaltung und Polizei im Gemeinderat die Sicherheitslage darlegen und Lösungsvorschläge mitbringen. Aus ihrer Sicht wäre die Ausweitung der Videoüberwachung eine Möglichkeit. Der Königsbau sei auch ein Brennpunkt beim Drogenhandel geworden. Und die Vergewaltigung am vergangenen Samstag sei „ein trauriger Höhepunkt der zuletzt immer mehr zunehmenden Sexualdelikte entlang der Königstraße“.