Libanonzeder

Der Klimawandel bedroht den Gottesbaum

Die Zeder ist das Nationalsymbol des Libanon. Doch der Klimawandel bedroht die letzten Wälder der Gottesbäume im Land. Nun soll ausgerechnet dieser Baum dem Waldsterben in Baden-Württemberg trotzen.

Von Jana Gäng

An den Schulen, den Uniformen der Soldaten, den Flugzeugen und den Gebäuden der Nationalbank – wer durch die Straßen der libanesischen Hauptstadt Beirut spaziert, dem begegnet der pilzförmige Umriss der Libanonzeder fast überall. Als Symbol der libanesischen Identität schmückt der Baum die Landesflagge.

Doch wer die immergrünen Nadelbäume nicht nur als Abbild sehen möchte, der muss suchen. Der muss raus aus der Hauptstadt. Die Zeder ist bedroht und steht auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion International Union for Conservation of Nature, kurz IUCN.

2200 Hektar an ausgewachsenen Libanonzedern seien im Land noch übrig, sagt Nabil Nemer von der Heilig-Geist-Universität Kaslik. Seit 1996 forscht er zu dem Baum. Die letzten Haine finden sich in bergigen Lagen. Einst seien es mindestens zehnmal so viele Hektar Zedernwald gewesen, sagt Nemer. Der Klimawandel bedroht die letzten Exemplare. Ausgerechnet in Baden-Württemberg soll ihm der Baum trotzen – doch dazu später.

Im Bürgerkrieg schützte ein Milizenführer die Zedern mit Minen

Wer den ursprünglichen Bestand schätzt, blickt noch weiter zurück als Nemer. Als heiliger Baum erwähnt wurde die Libanonzeder bereits im Epos des Gilgamesch. Fast 4000 Jahre alt soll die Schrift sein. Von den Zedern Gottes ist auch im Alten Testament die Rede. Mit Zedernholz aus dem heutigen Libanon soll König Salomon einst seinen Tempel in Jerusalem gebaut haben. Dem Politiker und Milizenführer Walid Dschumblat sollen die Zedern im Chouf-Gebirge gar so viel bedeutet haben, dass er während des Bürgerkriegs Minen gegen Plünderer um die Haine legen ließ.

Doch ihr wertvolles Holz wurde der Zeder zum Verhängnis. Über Jahrhunderte fand ein regelrechter Raubbau statt, ohne junge Bäume anzupflanzen. Aus Zedernplanken bauten die Phönizier ihre Flotte, im Osmanischen Reich wurden die Zedern zu Bahnschienen, und auf den alten Steinhäusern sitzt im Libanon ein Dach aus Zedernholz. Erst seit den 1990er Jahren steht der Baum unter Schutz, darf nicht mehr gerodet werden.

Dann begannen die Regierung und NGOs, wieder aufzuforsten. „Je nachdem, was als Wald klassifiziert wird, kamen seitdem 5000 bis 7000 Hektar an jungen Bäumen hinzu“, so Nemer. Aber nicht alle Programme seien erfolgreich. Einige waren von Beginn an unrealistisch, sagt der Forscher. Die Regierung etwa wollte 40 Millionen Bäume bis 2030 pflanzen. Zwei Millionen seien es bisher aber höchstens – inklusive der von den NGOs gepflanzten Bäume. Andere Programme wurden eingestellt, weil in der Wirtschaftskrise das Geld ausging. Und dann gebe es Programme, die laut Nemer an der falschen Stelle wiederaufforsten. Denn der Klimawandel lässt die Gebiete im Land schrumpfen, in denen Zedernwälder noch natürlich überleben können.

Der Zedernwald kann sich nicht mehr selbst verjüngen

Bedroht seien jene Haine, die in den südlichen Ausläufern des Libanongebirges wachsen und nun immer weniger Regen, Kälte, Nebel und Schnee abbekommen – notwendige Bedingungen für Samen und Jungpflanzen, um zu überleben. Um ein bis zwei Grad sollen die Temperaturen im Land bis 2040 steigen, während zehn bis zwanzig Prozent weniger Regen fällt. So heißt es in einem Prognosemodell des Weltklimarats der Vereinten Nationen. Der Klimawandel nimmt dem Wald damit die Fähigkeit, sich selbst zu verjüngen und nach Jahrtausenden natürlich weiter zu bestehen. Seit den 1990ern würden die Effekte immer stärker sichtbar, sagt Nemer: „Wir haben das Sprichwort, dass Zedern ewig leben. Aber irgendwann werden die alten Zedern sterben und keine jungen natürlich nachkommen, um sie zu ersetzen.“

Holzwespen schlüpfen nun jedes Jahr

Auch im weniger exponierten Norden greift eine Folge des Klimawandels die heiligen Bäume an: die Holzwespe Cephalcia tannourinensis. Mit den wachsenden Temperaturen hat sich die Diapause des Insekts verändert. Diese Ruhephase, in der sich die Insekten nicht entwickeln, dauert nun nur noch ein Jahr statt wie früher mehrere Jahre, weiß der Insektenforscher Nabil Nemer. Die Wespe frisst die Nadeln der Zedern – Stress für die Bäume, der sie anfällig für Insekten und Krankheiten mache. Liegen junge Bäume über einige Jahre vollkommen kahl, sterben sie. Zwar kultivieren Nabil Nemer und Forscherkollegen einen Pilz als natürlichen Feind der Holzwespe. Doch ihn in den Boden der Wälder zu injizieren ist aufwendig, zumal auch der Pilz ebenjene Feuchtigkeit braucht, die zunehmend fehlt. Trotzdem ist er für den Norden Libanons hoffnungsvoll: „Ich habe in der Vergangenheit beobachtet, wie sich die Zeder anpasste, etwa ihre Nadel verkürzte, sodass Insekten dort keine Eier ablegen können. Diese Veränderungen dauern Jahrzehnte, aber die Libanonzeder ist ein Beispiel dafür, dass ein Baum Jahrtausende überdauern kann.“

Der Gottesbaum wächst nun auch in Baden-Württemberg

Seit wenigen Jahren findet sich der Gottesbaum auch in Baden-Württembergs Wäldern, obwohl er hier nicht heimisch ist. Kraft einer höheren Macht? Tatsächlich ist es vielmehr das Ergebnis eines Experiments der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg.

Mindestens 5000 Libanonzedern wachsen nun auf acht Versuchsflächen, die Andreas Ehring und Kollegen bisher angelegt haben. Darauf stehen neben der Libanonzeder weitere nicht heimische Baumarten, die voraussichtlich überleben können, anders als einige der heimischen Bäume, wenn es in Baden-Württemberg immer heißer und trockener wird.

Ausgerechnet der Baum, der im Libanon so unter dem Klimawandel leidet, soll ihm also in Baden-Württemberg trotzen. Was widersinnig klingt, ist für Nabil Nemer einleuchtend: „Einmal ausgewachsen, ist die Libanonzeder außerordentlich widerstandsfähig gegen Temperaturextreme.“

Dagegen sterben die in Baden-Württemberg heimischen Nadelbäume besonders schnell: „Unsere Wälder werden sich in Richtung Laubbaum entwickeln“, sagt Ehring. Zu warm, zu trocken, zu groß die Borkenkäferplage – die Fichte etwa werde das kaum überstehen. „Vielleicht noch in den höchsten Lagen im Schwarzwald oder an den Mooren im Oberschwäbischen, ansonsten wird es schwierig.“

Gleiches Schicksal wie im Libanon?

Wo Tanne, Kiefer und Fichte ausfallen, könnte das Holz der Libanonzeder zu Möbeln, Häusern und Böden werden. Das werde vor allem die Flusstäler entlang des Rheins treffen, deren Kies- und Sandböden kaum Wasser speichern. Ehring will aber nicht jede verdorrte Fichte durch eine Libanonzeder ersetzen. Ein Mischwald ist das Ziel: „Auf einem Hektar sollen es vier bis fünf Baumarten sein.“ Fällt dann eine Baumart aus, liegt keine ganze Fläche kahl.

Bleibt die Frage, ob der Zeder im Südwesten langfristig das gleiche Schicksal droht wie im Libanon. Suchen Ehring und Kollegen nicht heimische Baumarten aus, sollen in deren Herkunftsgebieten schon jetzt die klimatischen Verhältnisse herrschen, wie sie wissenschaftliche Prognosen für Baden-Württemberg in 100 Jahren erwarten.

Doch Libanonzedern haben einen langen Atem – im Libanon gibt es Baumexemplare von mehr als 1000 Jahren. Dementsprechend wenig kann Ehring nach fünf Jahren Beobachtung darüber sagen, ob die Zeder in Baden-Württemberg eine Zukunft hat: „Ohne das überbewerten zu wollen, haben wir bisher hoffnungsvolle Erfahrungen gemacht“, sagt er. Gleich mehrere extreme Dürrejahre mussten die jungen Zedern seit Versuchsbeginn wegstecken. Ausfälle gab es kaum. „Aber ob genügend Schnee und Regen fällt, damit die Bäume in 50 Jahren Samen tragen und sich der Bestand natürlich verjüngt, so weit kann ich nicht in die Zukunft schauen.“

Anmerkung Ein Großteil der Reisekosten unserer Reporterin in den Libanon wurde von der Evangelischen Landeskirche in Württemberg und der Evangelischen Mission in Solidarität übernommen.

Bäume aus dem Ausland

Schutz„Es bleibt ein Risiko, wenn Bäume in ein fremdes Ökosystem importiert werden“, sagt Andreas Ehring von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt. Deshalb dürfen im Staatswald in Baden-Württemberg sogenannte Neophyten, also nicht heimische Baumarten, auf maximal einem Fünftel der Waldfläche angebaut werden.

AggressivFür invasive Baumarten gelten strengere Regeln. Anders als die Libanonzeder zählen dazu Baumarten, die sich schnell ausbreiten und heimische Flora verdrängen könnten – wie die Späte Traubenkirsche, die in den 50er Jahren aus den USA importiert wurde. Mit ihren tiefen Ästen wirft sie Schatten und sollte so lichte Kiefernwälder nördlich von Karlsruhe gegen Waldbrände sichern. Das Problem: Die Traubenkirsche verbreitete sich nicht nur rasend schnell, ihre hartnäckigen Wurzeln bekamen laut Ehring nur Bagger wieder aus dem Boden.

Die Zeder ist das Nationalsymbol des Libanon.

© imago/Sybille Yates

Die Zeder ist das Nationalsymbol des Libanon.

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Erstellt:
7. August 2023, 11:52 Uhr
Lesedauer:
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