Brandenburg-Wahl
Der Sieger heißt nicht Olaf Scholz
In Brandenburg stellt die SPD fest: Sie kann noch Wahlen gewinnen. Das hat in diesem Fall alles mit Ministerpräsident Dietmar Woidke und nichts mit Kanzler Olaf Scholz zu tun, kommentiert unser Hauptstadtkorrespondent Tobias Peter.
Von Tobias Peter
Sieger ist: Dietmar Woidke. Brandenburgs Ministerpräsident hat die Menschen vor die Wahl gestellt: Entweder die SPD liegt vor der AfD – oder er tritt ab. Jetzt hat Woidke es, mit seinem Bonus als hochbeliebter Regierungschef, noch einmal geschafft. Doch ist es eine bittere Erkenntnis für alle anderen Parteien, wie stark die AfD bei den Landtagswahlen in Brandenburg Sachsen und Thüringen abgeschnitten hat.
Deshalb eines vorweg: Der Sieger an diesem Abend heißt allein Dietmar Woidke – und nicht Olaf Scholz. Dem Bundeskanzler verschafft es sicher eine Atempause, dass seine Partei sieht: Die SPD kann noch Wahlen gewinnen. Dennoch ist klar: Woidke ist das auch deshalb gelungen, weil er sich deutlich sichtbar von der Ampel und Scholz abgegrenzt hat. Er wollte nicht mal mit dem Kanzler auftreten – und er wusste warum. CDU-Chef Friedrich Merz wiederum wusste, warum er sich vor der Brandenburg-Wahl zum Kanzlerkandidaten küren lassen wollte.
Ein bedenklicher Bruch
Jenseits von diesen parteitaktischen und bundespolitischen Erwägungen gilt: Es gibt einen bedenklichen Bruch zwischen den Parteien, die das Land bisher maßgeblich geprägt haben, und einem beträchtlichen Teil der Wählerschaft. Dieses Phänomen ist nicht auf den Osten beschränkt, aber dort besonders stark ausgeprägt. Natürlich sind nicht alle AfD-Wähler rechtsextrem. Aber es gibt bei vielen Menschen kaum noch eine Hemmung, eine Partei zu wählen, die in Teilen rechtsextrem ist. Das ist heikel.
Die Ampelkoalition im Bund hat mit ihrem Dauerstreit nicht unerheblich dazu beigetragen, das Ansehen der demokratischen Parteien zu beschädigen. Dennoch wäre es zu kurz gesprungen zu glauben, der Vertrauensschaden habe allein mit der Ampel zu tun. Die Entfremdung eines Teils der Menschen von der Demokratie hat bereits viel früher begonnen. Sie reicht tief in die Regierungsjahre Angela Merkels zurück.
Viele Menschen in den ländlichen Regionen haben den Eindruck, ihre Lebenswirklichkeit werde von der Politik nicht ausreichend berücksichtigt. Der Reformstau bei der Digitalisierung und bei der Infrastruktur ist groß. Wenn schnelles Internet fehlt oder die Bahn ständig zu spät kommt, geht der Glauben an die Gestaltungsfähigkeit der Politik rapide zurück.
Fehlende Größe, fehlende Zeit
Auch dass die Pandemie-Jahre nie wirklich aufgearbeitet wurden, wirkt bis heute nach. Der Staat und die politisch Verantwortlichen sind hier nicht ohne Fehler gewesen. Wie hätten sie es in einer Situation, für die es keine Blaupause gab, auch sein können? Dass die Beteiligten hinterher keine echte gesellschaftliche und parlamentarische Auseinandersetzung über die Zeit der Pandemie angestoßen haben, ist aber ein Problem für die Demokratie. Es mag einigen Beteiligten dafür an Größe gefehlt haben, vielen sicher aber auch an Zeit und Nerven. Letzteres ist in Zeiten zahlreicher Krisen und auch des Krieges in der Ukraine zwar verständlich. Der Schaden aber bleibt.
Egal ob Sozial- oder Christdemokraten, Grüne, FDP oder Linke: Sie alle täten gut daran, mit Demut auf die Wahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen zu blicken. Sie alle müssen – jedenfalls dort, wo sie es ins Parlament geschafft haben – bereitstehen, um auch in ungewöhnlichen Konstellationen Mehrheiten jenseits der AfD zu ermöglichen. Das schließt Koalitionen mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht ein. Das Land ist wichtiger als die Frage, welche Kompromisse für die eigene Anhängerschaft schmerzhaft sind. Die kommenden Jahre müssen solche des guten Regierens und des Zuhörens sein. Sonst profitieren am Ende nur die Feinde der Demokratie.