Ukraine-Krieg

Der weite Weg zum Frieden

Bundeskanzler Olaf Scholz drängt auf Friedensgespräche zur Beendigung des Ukraine-Krieges - unter Beteiligung Russlands. Wie stehen die Chancen dafür?

Enge Verbündete: der ukrainische Präsident Selenskyj (li.) und Bundeskanzler Scholz.

© dpa/Kay Nietfeld

Enge Verbündete: der ukrainische Präsident Selenskyj (li.) und Bundeskanzler Scholz.

Von Tobias Heimbach

Der Ukraine-Krieg läuft seit mehr als neunhundert Tagen und fordert immer mehr Opfer. An der Front sterben täglich Soldaten, auch Zivilsten abseits der Front sind nicht sicher. Russland beschießt mit Drohnen und Raketen ukrainische Städte, insbesondere Kraftwerke, aber auch Wohnhäuser und Einkaufszentren.

Vorstöße, um durch Verhandlungen den Krieg zu beenden, blieben bislang ohne Erfolg. Doch nun hat Kanzler Olaf Scholz (SPD) auf ein Ende des Krieges gedrängt. Im ZDF sagte er: „Ich glaube, das ist jetzt der Moment, in dem man auch darüber diskutieren muss, wie wir aus dieser Kriegssituation doch zügiger zu einem Frieden kommen, als das gegenwärtig den Eindruck macht“, sagte Scholz. Dabei forderte er auch eine Beteiligung Russlands an Friedensgesprächen. Darüber seien er und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sich einig. Doch wie stehen die Chancen dafür?

Letztes Gespräch 2022

Am Montag präzisierte Regierungssprecher Steffen Hebestreit die Äußerungen des Kanzlers mit Blick auf Russland. „Überall auf der Welt reift die Erkenntnis, dass dieser Krieg möglichst bald enden muss“, sagte Hebestreit. Danach gefragt, ob ein Telefonat zwischen Scholz und Putin mit Blick auf eine diplomatische Initiative geplant sei, verneinte der Regierungssprecher. Scholz und Putin hatten nach Kriegsbeginn mehrfach telefoniert, das letzte Gespräch führten sie im Dezember 2022.

Tatsächlich gibt es einen von der Ukraine initiierten Friedensprozess. Im Juni hatten sich Delegationen aus 100 Ländern in dem Schweizer Ort Bürgenstock getroffen. Russland war nicht dabei. Organisiert hatte das Treffen die Schweizer Regierung auf Bitten der Ukraine. Vom Außenministerium in Zürich hieß es, die Schweiz habe immer wieder Offenheit signalisiert, eine Einladung an Russland auszusprechen. „Russland hat allerdings mehrfach verlauten lassen, dass es kein Interesse an einer Teilnahme hat. Daher wurde keine formelle Einladung an Russland ausgesprochen“, hieß es in einer Mitteilung.

Auch CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen sieht bei Russland kein grundlegendes Interesse an einem Verhandlungsfrieden. „Die entscheidende Frage hat Putin ja vor einiger Zeit selbst gestellt: Warum sollte er verhandeln, wenn der Ukraine die Munition ausgeht?“, sagte Röttgen dieser Redaktion. In einer Situation, in der westliche Ukrainehilfe eher ab- als zunimmt, sehe er wenig Grund für Putin, solchen Gesprächen zuzustimmen und erst recht nicht vor den US-Wahlen. „Er kann noch immer auf einen Wahlsieg Trumps hoffen, der ganz sicher ein Ende amerikanischer Waffenlieferungen an die Ukraine bedeuten würde“, sagte Röttgen.

Vorstellungen liegen weit auseinander

Über die Frage, welche Vorbedingungen für Frieden oder zumindest einen Waffenstillstand erfüllt sein müssten, liegen die Kriegsparteien sehr weit auseinander. Putin hatte gefordert, dass die Ukraine ihre Truppen vollständig aus den Regionen Donezk, Lugansk, Cherson und Saporischschja abzieht. Das entspricht Gebieten, die russische Truppen teilweise, aber nicht vollständig kontrollieren. Zudem dürfe die Ukraine nicht der Nato beitreten und müsse Einschränkungen ihres Militärs zustimmen, so Putins Forderung. Die Ukraine hatte dies zurückgewiesen. Regierungssprecher Hebestreit betonte am Montag, es gehe um einen gerechten Frieden, nicht um einen Diktatfrieden. „Es geht nicht darum, dass die Ukraine die weiße Fahne hisst.“ Er betonte: „Der russische Präsident könnte diesen Krieg von heute auf Morgen jederzeit beenden.“

Politikwissenschaftler Christian Mölling von der Bertelsmann-Stiftung weist darauf hin: Auch wenn die Waffen einmal schweigen, ist der Konflikt nicht unbedingt auf Dauer beigelegt. „Wenn Putin eines Tages seine Unterschrift unter ein Waffenstillstandsabkommen oder einen Friedensvertrag setzen sollte, dann ist das nicht das Papier wert, auf dem es steht“, sagte er. „Sobald er eine günstige Möglichkeit wittert, wird er wieder losschlagen. Daher muss die Ukraine sich weiter rüsten.“ Der Weg zum Frieden, er dürfte noch sehr lang sein.

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Erstellt:
9. September 2024, 17:44 Uhr

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