Die Pflanzenwelt der Terra Australis
Der Eukalyptus schmeckt den Koalas in der Wilhelma – doch in der neuen Australienwelt finden die Besucher auch andere botanische Gewächse.

© Lichtgut/Max Kovalenko
Aero sitzt erstmals im Außenbereich der Australienwelt und frisst vom dortigen Eukalyptusbaum zur Freude der Botaniker.
Von Iris Frey
Stuttgart - Was der Chefbotaniker Björn Schäfer vor zehn Jahren begonnen hat, um den Plan zur Weiterentwicklung der Wilhelma zu erfüllen, ist jetzt Wirklichkeit geworden: die Terra Australis und die Eukalyptuszucht. Die Eukalyptusbäume, die er und sein Team einst ausgesät haben, sind prächtig gediehen. Sie dienen seit Ende Juni den Koalas aus Australien als Futter. Und beim Besuch ist live zu sehen, wie gerne die Tiere diese Pflanzen verspeisen, ihre einzige Leibspeise: Koala Aero ist sogar draußen in den Außenanlagen und schnappt sich die Eukalyptusblätter direkt vom Baum. Schäfer strahlt, als er es sieht. Drinnen im Haus sind die beiden Koalaweibchen Scarborough und Auburn schon satt, sie gönnen sich gerade ein erholsames Nickerchen.
Die australische Pflegerin Michele Barnes erklärt, dass die beiden Koalas Aero und Navy Halbbrüder seien. „Sie haben die gleiche Mutter – Kimberly, die definitiv eine unserer Favoritinnen hier ist. Sie hat ihre Persönlichkeit an Navy und Aero weitergegeben, da sie beide sehr wissbegierig sind, besonders Navy“, berichtet Barnes, die die Tiere vor gut vier Wochen nach Stuttgart gebracht hat. Und sie sagt auch: „Scarborough und Auburn sind beide süße kleine Mädchen, Auburn ist die Vorsichtigere der beiden, sie genießt es wirklich, Gesellschaft zu haben und kuschelt sich oft neben Scarborough.“
Das zeigt sich vor Ort in der grünen Eukalyptuswelt der Terra Australis, wo den Tieren passgenau ihr Futter angeboten wird – von den Wilhelma-eigenen hundert Pflanzen aus neun Arten, die allesamt Futterpflanzen sind. In der wissenschaftlichen Sammlung hat die Wilhelma 38 Eukalyptusarten, doch nicht alle würden von Koalas gefressen, erklärt Schäfer. Er ist seit 2011 als Leiter des Fachbereichs Botanik tätig, der 39 Beschäftigte hat, darunter sieben Revierleiter und fünf Auszubildende.
Die Eukalyptuspflanzen wählen die Koalas übrigens je nach Hormonstatus, Jahreszeit und Zustand, sagt der Biologe. Die Vorlage für die Landschaft, die er mit seinem Team für die Terra Australis nachgebaut hat, stammt aus dem Noosa Nationalpark im Südosten des australischen Bundesstaats Queensland. Und wo bekam er die Samen her? Die australische Regierung führe Arten- und Bestandslisten. Dort hat Schäfer sich informiert und dann über Händler in Australien die Pflanzensamen bekommen. „Wir sind der einzige Zoo, in dem Koalas auch auf den Eukalyptusbäumen sitzen und dort fressen können“, berichtet Schäfer sichtlich erfreut. Schädlinge haben sich allerdings auch schon eingefunden: Australische Blattsauger, den Blattläusen ähnlich, wurden ausfindig gemacht. Der Eukalyptusexperte und Gärtner Lorenz Ormos vermutet, dass sich die Wilhelma die Schädlinge vor zwei Jahren bei der Bundesgartenschau in Heilbronn eingefangen hat, wo sie einige Eukalyptuspflanzen ausgestellt hatte. Mit chemischen Keulen wird hier jedoch nicht gearbeitet, schließlich dienen die Pflanzen als Futter für die Koalas. Vielleicht könnten australische Marienkäfer helfen. Auch auf Mehltau müssen die Gärtner im Winter bei den Gewächshauspflanzen achten. „Die Luftzirkulation ist wichtig“, sagt Schäfer.
In der Australienwelt selbst gibt es noch die Grasbäume zu entdecken, die „Black Boys“, deren Sockel aus vertrockneten Blättern bestehen. Die Mitglieder der First Nation aus Australien, die zur Eröffnung der Terra Australis da waren, haben den Botanikern geraten, den Sockel immer wieder mal anzuzünden, das Feuer setze Harze frei, die den Sockel verkleben, damit die Pflanze nicht auseinanderbreche, wenn sie nach oben wachse. Das Feuer spiele in der australischen Botanik eine besondere Rolle, sagt Schäfer. Nach größeren Bränden würden die Grasbäume ihre Samen in die Asche werfen, die dann zuallererst wieder aufgehen.