„Ein Stürmertyp, wie er Deutschland fehlt“
Karl Allgöwer, Cacau, Kevin Kuranyi und Fritz Walter: Vier Torjägerlegenden im Trikot des VfB Stuttgart analysieren die Qualitäten ihres Nachfolgers Serhou Guirassy. Sie kommen zu unterschiedlichen Einschätzungen: Hat Guirassy einen Lauf – oder ist er einfach so gut?

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Acht Tore aus vier Saisonspielen: VfB-Stürmer Serhou Guirassy trifft, wie er will.
Von Dirk Preiß
Stuttgart - Karl Allgöwer (129), Cacau (80), Kevin Kuranyi (40) und Fritz Walter (102) haben zusammen 351 Treffer für den VfB Stuttgart erzielt. Sie wissen also, wie es geht, Tore am Fließband zu schießen und auch mal drei in einem Spiel wie jüngst Serhou Guirassy beim 3:1-Erfolg in Mainz. Das Torjäger-Quartett liefert Antworten auf die Frage, was ihren Nachfolger im VfB-Trikot aktuell so stark macht.
Karl Allgöwer (1980–1991/129 Tore):
„Guirassys große Stärke ist es, aus relativ wenig klaren Chancen das Maximum herauszuholen – so wie am vergangenen Wochenende beim Sieg in Mainz. Sein Tor zum 3:1, als er sich den Ball auf den Kopf vorlegt und dann über den Torwart köpft, das war ja jetzt keine hundertprozentige Torchance. Rein ging er trotzdem. Guirassy strotzt im Moment vor Selbstvertrauen, dann klappen eben auch solche Tore.
Er hat das, was man einen Lauf nennt. Ich kenne das aus meiner Zeit. Man spürt das, intuitiv steht man und macht alles richtig. Ich habe einmal 21 Tore in einer Saison geschossen. Richtig erklären konnte ich es mir nicht. Guirassys großes Verdienst liegt darin, dass er die Mannschaft häufig in Führung bringt und damit das ganze Spiel beeinflusst. Die Gegner, vermutlich schon der SV Darmstadt am Freitag (20.30 Uhr), werden sich in den kommenden Spielen natürlich verstärkt auf ihn konzentrieren. Das ist dann die Chance für die anderen VfB-Angreifer, in seinem Schatten stärker zur Geltung zu kommen.“
Cacau (2003–2014/80 Tore):
„Serhou Guirassy war schon in der vergangenen Saison sehr wichtig für den VfB. Neben seinen fußballerischen Qualitäten reißt er die anderen mit, übernimmt eine Führungsrolle – und ist damit der Stürmer, den der VfB Stuttgart in der Bundesliga gebraucht hat. Dass man ihn nach der Leihe fest verpflichtet hat, war richtig und wichtig, er ist sein Geld auf jeden Fall wert.
Wenn er weiter so spielt und trifft, werden andere Clubs logischerweise noch mehr auf ihn aufmerksam werden, daher sage ich: Der VfB sollte die Zeit mit ihm genießen und das Bestmögliche daraus machen. Mit ihm besteht auf jeden Fall die Chance, in dieser Saison einmal frühzeitiger den Klassenverbleib zu sichern. Ich traue ihm zu, dass er in dieser Saison auf 20 Tore kommt, wenn er gesund bleibt – das wäre überragend. Ziemlich sicher bin ich mir, dass er mehr als die 16 Treffer erzielt, die in der vergangenen Saison für Niklas Füllkrug und Christopher Nkunku gereicht haben, um die Torjägerkanone zu gewinnen.“
Kevin Kuranyi (2001–2005/40 Tore):
„Serhou Guirassy halte ich wirklich für einen super Stürmer, und das im Übrigen nicht erst, seit er in dieser Saison wie am Fließband trifft. Es hat seine Klasse schon in der vergangenen Saison gezeigt – und zwar in einer Rolle, die heutzutage nicht mehr viele Angreifer ausfüllen können: Er ist ein klassischer Mittelstürmer mit all den dazugehörenden Qualitäten. Er ist groß, ist stets präsent, sorgt in der gegnerischen Abwehr ständig für Unruhe und spielt auch stark mit dem Rücken zum Tor.
Dass er einen exzellenten Torriecher hat, kann man ja aktuell an der Torjägerliste der Bundesliga ablesen. Alles in allem lässt sich sagen: Der Franzose ist ein Stürmertyp, wie er Deutschland derzeit fehlt.“
Fritz Walter (1987–1994/102 Tore):
„Ich würde nicht sagen, dass Guirassy nur einen Lauf hat. Der Mann ist einfach klasse. Lauf heißt ja, dass einem der Ball auch ans Knie springen kann und er trotzdem irgendwie reingeht. Guirassy hat aber einfach Qualität. Bei Robert Lewandowski hat auch keiner gesagt, der hat einen Lauf. Und der hatte bei Bayern den Luxus, pro Spiel fünf bis acht Chancen zu bekommen.
Guirassy ist ein kompletter Stürmer: kopfballstark, schnell, gute Balltechnik. Schwächen sehe ich allenfalls beim ersten Kontakt. Den Ball kann er trotzdem gut halten und ablegen. Außerdem arbeitet er gut nach hinten mit. Und das Wichtigste für einen Stürmer: Er hat einen Torriecher. Das heißt, er weiß in der Regel genau, wo er hinlaufen muss, auch wenn man sich als Außenstehender über die Laufwege manchmal wundert. So etwas kannst du nicht lernen. Guirassy ist ein Straßenfußballer – so wie ich früher (lacht).“