Erster Corona-Fall im Rems-Murr-Kreis

44-jähriger Mann aus Rudersberg ist infiziert – Schulzentrum wird vorerst geschlossen – Landrat fordert mobile Abstricheinheit

In den Nachbarkreisen Ludwigsburg, Heilbronn und Göppingen waren in den vergangenen Tagen diverse Fälle einer Coronaerkrankung bestätigt worden, nun hat das Virus auch den Rems-Murr-Kreis erreicht: Ein 44-jähriger Mann aus Rudersberg hat sich infiziert. Um der Ausbreitung des Virus Herr zu werden, haben die Landräte verschiedener Kreise angeregt, eine mobile Abstricheinheit einzurichten. Die Ärzte der Region klagen derweil über Materialknappheit.

Erster Corona-Fall im Rems-Murr-Kreis

Das Rems-Murr-Klinikum Winnenden ist auf das Coronavirus vorbereitet: Spezielle Isolationszimmer wurden eingerichtet. Foto: B. Büttner

Von Lorena Greppo

RUDERSBERG. In Kommunikation mit den zuständigen Stellen im Landratsamt fällt häufig der Begriff „dynamisch“, wenn es um die Situation in Hinsicht auf das Coronavirus geht. Dynamisch deshalb, weil sich ständig neue Entwicklungen ergeben. Wie zutreffend diese Beschreibung ist, zeigte sich gestern aufs Neue: „Die Lage spitzt sich zu“, sagte Martina Keck, die Sprecherin des Landratsamts. Kaum hatten am Vortag sie wie auch die Sprecherin der Rems-Murr-Kliniken bestätigt, dass man bisher nur Abklärungsfälle im Rems-Murr-Kreis hatte, wurde gestern bekannt gegeben: Das Virus hat den Landkreis erreicht. „Bei einem 44-jährigen Mann mit leichten Symptomen aus dem Rems-Murr-Kreis wurde gestern vom Hausarzt ein Abstrich entnommen. Das Testergebnis fiel positiv aus“, teilte das zuständige Sozialministerium mit. Die Infektionskette werde derzeit noch ermittelt. Die stationäre Aufnahme des Mannes wurde veranlasst. „Die Rems-Murr-Kliniken sind auf einen solchen Fall vorbereitet und haben den Patienten umgehend isoliert“, teilt das Landratsamt mit. Im Klinikum in Winnenden ist für solche Fälle ein spezielles Isolationszimmer eingerichtet (wir berichteten). „Der Gesundheitszustand des Mannes ist medizinisch stabil“, heißt es weiter. Allerdings steht das Schulzentrum in Rudersberg im Zusammenhang mit der Erkrankung des 44-Jährigen und wird daher am heutigen Mittwoch vorsorglich geschlossen bleiben. „Über weitere Maßnahmen wird in Abstimmung mit dem Gesundheitsamt entschieden.“

Dynamisch ist die Situation auch in Bezug auf die Maßnahmen, die eine Ausbreitung des Virus verhindern sollen. Zum einen sei in Planung, eine zentrale Anlaufstelle für Verdachtsfälle im Schorndorfer Klinikum einzurichten, sagt Keck. Dafür seien schon alle Vorbereitungen getroffen. Außerdem hat Landrat Richard Sigel gemeinsam mit seinen Amtskollegen aus den Landkreisen Esslingen, Ludwigsburg und Göppingen einen offenen Brief an Sozialminister Manfred Lucha verfasst, in dem sie die Einrichtung einer mobilen Abstricheinheit anregen. „Aufgrund der aktuellen Entwicklung bezüglich der CoronaEpidemie in Baden-Württemberg ist es wichtig, Kontakte Covid-19-Erkrankter oder potenziell an SARS-CoV 19 infizierter Personen mit anderen Menschen zu vermeiden“, heißt es darin. Diese Personen sollten möglichst nicht in Krankenhaus-Notaufnahmen, Notfallpraxen oder Gesundheitsämter kommen müssen. Die nötigen Abstriche zur Diagnose der Coronaerkrankung sollten möglichst zu Hause bei den Patienten abgenommen werden. „Dies könnte am besten durch einen mobilen Dienst geleistet werden, der die betroffenen Personen zuhause aufsucht, die Anamnese erhebt und einen Eindruck vom klinischen Zustand der Person gewinnt, die Abstriche nimmt und die Fälle dokumentiert“, schreiben die Landräte. Laut Keck habe sich dieser Wunsch auch aus den Gesprächsrunden mit der Ärzteschaft ergeben.

Ärzte steuern auf Engpass mit Desinfektionsmitteln zu

Die Abstriche seien von Ärzten, mindestens aber von Krankenpflegepersonal zu leisten, da eine medizinisch-hygienische Qualifikation und gründliche Kenntnisse in der Anwendung persönlicher Schutzausrüstung erforderlich sind, um sich nicht selbst anzustecken. Zugleich könne so die Beurteilung erfolgen, ob die Person aufgrund ihres Gesundheitszustands ins Krankenhaus eingewiesen werden muss, oder ob eine häusliche Isolation möglich ist. „Nach Auskunft der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte in unseren Landkreisen ist dies derzeit durch den ohnehin stark ausgelasteten ärztlichen KV-Notdienst nicht leistbar.“ Zudem bestehe bereits jetzt ein erheblicher Mangel insbesondere an Atemmasken, die fast vollständig ausverkauft seien. Abhilfe im Notdienst könne durch eine personelle Aufstockung des ärztlichen Notdiensts der Kassenärztlichen Vereinigung und dessen zentrale Ausstattung mit persönlicher Schutzausrüstung geschaffen werden, regten die Landräte überdies an.

Ein im Rems-Murr-Kreis niedergelassener Arzt berichtete unserer Zeitung auch von Schwierigkeiten, das in der Medizin verwendete Sterilium zu bekommen, da sich Privatpersonen damit eingedeckt hatten. Diese Klage hat auch der Bundestagsabgeordnete Norbert Barthle (CDU) vonseiten der Ärzteschaft im Kreis vernommen und an den Bundesgesundheitsminister Jens Spahn weitergeleitet. „Uns Ärzten geht das Desinfektionsmittel aus“, wird darin der stellvertretende Vorsitzende des Kreisverbands zitiert. Und weiter: „Es ist schon schlimm genug, dass wir keine Schutzausrüstung von behördlicher Seite gestellt bekommen, aber fehlendes Desinfektionsmittel gefährdet zudem die Regelversorgung.“ Dies geschehe auf breiter Front, die medizinische Versorgung sei in Gefahr.