Parlamentswahl in Österreich
FPÖ profitiert von der Unzufriedenheit
Die Rechtspopulisten liegen bei den Parlamentswahlen in Österreich vorne. Trotzdem kommen die „Blauen“ mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht in die Regierung.
Von Patrick Guyton
Wie man einen Sieg auskosten kann, zeigt Peter Westenthaler eindrücklich an diesem Wahlabend im Privatsender oe24.tv. Da sitzt der einstige FPÖ-Spitzenpolitiker und heutige Kommentator im Studio und schwärmt vom „besten Tag der Freiheitlichen, seit es die Partei überhaupt gibt“. Tatsächlich: Ein Ergebnis von 29 Prozent bei einer Wahl für das Bundesparlament, dem Nationalrat, hatte selbst Partei-Ikone Jörg Haider nie erzielt. Westenthaler nennt die Wahl, bei der die Österreicher die äußerst rechte FPÖ um 13 Prozent nach oben und zur stärksten Partei gemacht haben, einen „Hochtag der Demokratie“.
Der FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz seinerseits spricht kurz nach den ersten Hochrechnungen von einer „riesengroßen Bewegung“, die die „Blauen“, wie die FPÖ genannt wird, ins Leben gerufen haben. Die Menschen wünschten „eine Veränderung in unserem Land“.
Die SPÖ hat noch etwas mehr verloren als vor fünf Jahren
Die FPÖ liegt vorne, die konservative ÖVP und ihr Kanzler Karl Nehammer wurde mit etwa 26 Prozent brachial abgestraft, das sind elf Prozentpunkte weniger als vor fünf Jahren. Die Sozialdemokraten von der SPÖ stehen mit rund 20 Prozent noch mal ein bisschen schlechter da als vor fünf Jahren. Die Grünen verlieren deutlich – auf knapp neun Prozent. Da stehen auch die linksliberalen Neos, allerdings mit einem kleinen Plus.
Alle Warnungen und Aufrufe haben nicht erreicht, die teils rechtsextreme FPÖ vom Spitzenplatz fern zu halten. Jüdische Studierende haben in Wien eine Woche lang eine Mahnwache abgehalten mit dem Titel „Herbert Kickl hätte uns deportiert“. Am Samstag war bekannt geworden, dass bei der Beerdigung eines früheren FPÖ-Politikers einen Tag zuvor in Wien Parteimitglieder ein SS-Lied gesungen haben. Hat so etwas keinen Einfluss auf das Wahlverhalten? Jedenfalls offenbar keinen großen.
Wer bleibt? Wer kommt?
Das bisherige Bündnis aus ÖVP und Grünen ist sehr weit entfernt von einer Mehrheit. Auch haben sich die Koalitionäre ziemlich auseinandergelebt und können sich kaum mehr riechen. Zugleich hat es der ÖVP-Kanzler kategorisch abgelehnt, mit der FPÖ zu paktieren, wenn diese Platz eins einnimmt und Herbert Kickl die Führungsperson bleibt. Genau so ist es nun aber. Am Wahlabend sagte Nehammer vor seinen dennoch jubelnden Anhängern: „Was wir vor der Wahl versprochen haben, gilt auch nach der Wahl.“
Trotzdem stellt sich in den nächsten Tagen die Frage: Wer bleibt, wer kommt? Karl Nehammer, der die Partei und das Kanzleramt nach dem Rücktritt des jungen Strahlemanns Sebastian Kurz wegen dessen Chat-Affäre übernommen hatte, gilt bei dem jetzigen Ergebnis als ein Wackelkandidat. Allerdings ist in der ÖVP niemand zu sehen, der an seinem Stuhl sägt und eine überzeugendere Alternative wäre.
SPÖ-Chef Andreas Babler hat Probleme
Mindestens genauso problematisch steht es um SPÖ-Chef Andreas Babler. Dieser hatte die Partei vor 15 Monaten übernommen als ein einstiger Arbeiter mit dezidiert linkem Kurs. Er hatte den Zusammenhalt stärken und die ständigen Kämpfe innerhalb der Sozialdemokratie beenden wollen. „Andi, Andi“ rufen die Genossen auch jetzt, als er am Abend zu ihnen spricht. Obgleich die Sozialdemokraten, die früher schon absolute Mehrheiten eingefahren hatten, nun erstmals nur auf dem dritten Platz liegen. „Gerade in schwierigen Zeiten bleibe ich stehen“, ruft Babler mit einigem Trotz in der Stimme.
Gerade weil die FPÖ stärkste Kraft ist, kommt sie mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht in die Regierung. Hätte Kanzler Nehammer das seit einigen Tagen von ihm beschworene Kopf-an-Kopf-Rennen gewonnen, hätte er sich um die Rechten als Juniorpartner bemüht.
Der Bundespräsident ist am Zug
Nun aber sind schon deutliche Annäherungsbemühungen zu beobachten zwischen ÖVP und SPÖ. Weil diese Koalition nur eine Stimme Mehrheit hätte, dürfte man probieren, die Neos mit ins Boot zu nehmen. Diese wären dann die einzige Kraft, die bisher noch nie in einer Regierung vertreten war. Und wenn es auf Verhandlungen über dieses Dreier-Bündnis hinauslaufen sollte, gäbe es für die Chefs von ÖVP und SPÖ keinen Grund, das Handtuch zu werfen.
Bundespräsident Alexander van der Bellen, einst ein Grüner, ist nun am Zug. Er wird eine Kraft beauftragen, sich um eine Koalition zu bemühen. Aus seiner entschiedenen Ablehnung von Kickl macht der 80-Jährige kein Hehl.