Bauernaufstand im Südwesten

dpa/lsw Stuttgart. Die Bauern im Land sind auf den Barrikaden. Sie fühlen sich von Naturschützern, Klimaaktivisten, Gesetzen und Vorschriften gegängelt. Aus Protest rollen sie mit ihren Traktoren in die Großstädte.

An den bundesweiten Bauernprotesten gegen die Agrarpläne der Bundesregierung haben sich auch in Baden-Württemberg viele Landwirte beteiligt. Mit Hunderten Traktoren legten sie in Stuttgart teils den Verkehr lahm. Auch in Freiburg demonstrierten Bauern gegen Pläne der Bundesregierung für mehr Natur- und Tierschutz in der Landwirtschaft. Neben der Agrarpolitik aus Berlin stören sie sich im Südwesten vor allem an den Forderungen des Bienen-Volksbegehrens für mehr Artenschutz.

Am Dienstag verabschiedete das grün-schwarze Kabinett gleichzeitig ein Eckpunktepapier der Landesregierung für mehr Artenschutz. „Wir brauchen die Landwirtschaft als Partner für den Erhalt unserer Kulturlandschaften“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Es gebe viele Gründe für den Rückgang der Artenvielfalt - von Pflanzenschutzmitteln bis hin zu Schottergärten.

Das Papier ist eine Reaktion auf das Bienen-Volksbegehren und soll dessen umstrittene Forderungen entschärfen. Unter dem Motto „Rettet die Bienen“ hatten Naturschützer drei Wochen lang Unterschriften für das Volksbegehren gesammelt. Sie wollen nun lieber mit der Regierung an einer Alternative arbeiten als weiter Unterschriften zu sammeln.

Ein Pestizidverbot soll es nach den Vorstellungen der Landesregierung nur in Naturschutzgebieten geben, nicht in sämtlichen Schutzgebieten. Der Einsatz chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel soll bis 2030 um 40 bis 50 Prozent reduziert werden. Der Anteil der ökologischen Landwirtschaft soll bis 2030 auf 30 bis 40 Prozent ausgebaut werden - unter Berücksichtigung der Nachfrageentwicklung.

Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) sprach von einer breiten Unterstützung der Pläne. „Wir haben nichts ausgekungelt.“ Die Eckpunkte seien unverhandelbar, nun gehe es um die Konkretisierung. Die beschlossenen Regelungen gingen deutlich weiter als das, was in anderen Bundesländern bislang diskutiert und umgesetzt wurde.

Volksbegehren-Sprecher und NABU-Landeschef Johannes Enssle sagte: „Auch die Landwirtschaftsvertreter müssen Farbe bekennen, wie ernst es ihnen wirklich mit einem verbindlichen Artenschutz ist. In den nächsten Tagen entscheidet sich, wer die Artenvielfalt wirklich retten will - und wer nur darüber redet.“

Aufgerufen zum bundesweiten Protest hatte am Dienstag das noch recht junge Netzwerk „Land schafft Verbindung“, in dem sich Zehntausende deutsche Landwirte zusammengeschlossen haben. Durch die derzeitige Umwelt- und Landwirtschaftspolitik der Bundesregierung sehe man die Wirtschaftskraft und den sozialen Frieden im Land gefährdet, hieß es von dem Bündnis. Die Gesetzgebung sei „praxisfern, zu bürokratisch und kommt einer Entmündigung gleich“.

In Stuttgart fuhren laut Organisatoren 1000 Traktoren durch die Stadt, an einer Kundgebung nahmen demzufolge 2000 Menschen teil. Die Polizei sprach von mehreren Hundert Traktoren und von starken Verkehrsbehinderungen. Durch Freiburg rollten laut Polizei 85 Traktoren. Demnach blieb alles friedlich.

In den Debatten um Arten- und Umweltschutz sieht Agrarminister Peter Hauk (CDU) die Landwirte zu Unrecht an den Pranger gestellt. Die Bauern würden derzeit für vieles verantwortlich gemacht, für das sie gar nichts könnten, kritisierte er. Hauk sprach auch auf der Kundgebung in Stuttgart. Zu viel Bürokratie, zu viele Vorgaben, zu viele Anweisungen drehten den Landwirten die Luft ab, beklagte er.

Zum Artikel

Erstellt:
22. Oktober 2019, 17:48 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen