Hauptsponsor im Grenzbereich

Der Protest gegen den neuen VfB-Sponsor Winamax reißt nicht ab. Der tritt beim vergangenen Heimspiel in ein erstes Fettnäpfchen.

Fest in Winamax-Hand: Bandenwerbung in der Stuttgarter MHP-Arena  

© Baumann

Fest in Winamax-Hand: Bandenwerbung in der Stuttgarter MHP-Arena  

Von Gregor Preiß

Stuttgart - Für Thomas Melchior war es eine „rundum gelungene Aktion“. Zwei Litfaßsäulen hatte der Anti-Glücksspiel-Aktivist am vergangenen Samstag auf die Mercedesstraße gepackt und die Fans des VfB Stuttgart vor dem Heimspiel gegen Freiburg mit einer klaren Botschaft empfangen: „Werbung für Sportwetten auf meinem VfB-Trikot? Ohne mich.“ Der einst in die Spielsucht abgeglittene Melchior will für die Gefahren von Sportwetten sensibilisieren. Und kritisieren, dass sich die Verantwortlichen des Fußball-Bundesligisten mit Winamax für einen Vertreter aus ebendieser Branche als neuen Haupt- und Trikotsponsor entschieden haben. 8,5 Millionen Euro pro Saison erhält der VfB von dem Unternehmen aus Paris, das durch die Partnerschaft den deutschen Markt erobern will.

„Die Reaktion der Fans war zu 95 Prozent positiv“, berichtet Melchior. Viele seien im dichten Besucherstrom stehen geblieben und hätten ihren Ärger über den Winamax-Schriftzug auf dem roten Brustring mit dem Glücksspiel-Gegner geteilt. Einige hätten aber gar nicht gewusst, um wen oder was es sich bei Winamax handelt.

Zur Erinnerung: Winamax ist ein auf Sportwetten spezialisierter Glücksspielanbieter, der beim VfB die Nachfolge der Mercedes-Benz-Bank als prägendes Element auf der Brust der VfB-Kicker angetreten hat. Ein in Deutschland lizenziertes Unternehmen, dessen Geschäftsmodell das bisweilen leichtfertig verspielte Geld anderer Leute ist. Und dessen Weg auf das Stuttgarter Trikot vor allem in der organisierten Fanszene ein verheerendes Echo hervorgerufen hat. „Werte und Moral unseres VfB – ein reines Glücksspiel“, hieß es vonseiten der Ultras beim Saisonauftakt.

Am vergangenen Samstag gegen den SC Freiburg trat der Hauptsponsor erstmals selbst aktiv in Erscheinung. Vor dem Stadion wurden 30 000 kostenlose Rubbellose an Fans verteilt. Zu gewinnen gab es „Tausende Speisen und Getränke“, wie es in der Ankündigung hieß. Und als „Spezial-Gewinne“: Trikots und VIP-Plätze.

Das Ganze war in etwas holprigem Deutsch formuliert, was beweist, dass das in Paris ansässige Unternehmen in Deutschland erst noch richtig ankommen muss. Der für den hiesigen Markt zuständige Bereichsleiter Lennart Engel signalisierte kürzlich im Podcast VfB x STR, „mit den VfB-Fans eine echte Community“ werden zu wollen. Man hoffe, dass es der VfB „nach Europa schafft“.

Der Start mit den Rubbellosen verlief aber eher abstiegsgefährdend. Einige Fans berichteten, dass ihre Gewinngutscheine an den Getränkeständen gar nicht angenommen worden seien. Offenbar die Folge eines Abstimmungsproblems zwischen Sponsor und Caterer. Schwerer wiegt aber der Umstand, dass sich die Franzosen mit ihrer Rubbellos-Aktion in einem rechtlichen Graubereich bewegen.

Im 2021 verabschiedeten Glücksspielstaatsvertrag der Länder ist genau geregelt, wie und in welchem Rahmen geworben werden darf. So heißt es in Paragraf 5, Absatz 4: „In Sportstätten ist Werbung für Glücksspiele nur in Form der Dachmarkenwerbung auf Trikots und Banden sowie ähnlichen Werbemitteln erlaubt.“ Nach Auffassung des Fachverbands Glücksspielsucht (FAGS) handelt es sich beim Verteilen kostenloser Rubbellose wie vor dem VfB-Spiel gegen Freiburg um eine Form der Werbung mit einer Aufforderung zur Interaktivität. Was nicht zulässig sei. Zumal die Rückseite des Loses einen QR-Code zur sofortigen Registrierung enthielt – bis zu 100 Euro für Freiwetten inklusive.

Auf Anfrage erklärte die den deutschen Markt kontrollierende Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder (GGL), den Fall auf Rechtmäßigkeit prüfen zu wollen. In einem ähnlich gelagerten Fall aus dem vergangenen Jahr wurde gegen Marktführer Tipico vonseiten des FAGS eine Unterlassungserklärung eingefordert. Der Wettanbieter hatte bei einem Heimspiel des FC Bayern die Werbeschriftzüge „Tipico – jetzt Wette platzieren“ über die LED-Banden flimmern lassen und sich nach einem Rechtsstreit schließlich bereit erklärt, diese Art der auffordernden Werbung künftig zu unterlassen.

Rechtlich ist vieles im Bereich der ständig neu aus dem Boden sprießenden Online-Wettanbieter noch Neuland. Weshalb auch im Fall des Rubbellos-Marketings von Winamax so schnell kein abschließendes Urteil erwartet werden darf. Fakt ist: Der VfB hat sich einen schwer kontrollierbaren Partner ins Haus geholt. Auf Nachfrage zur Rubbellos-Aktion verwies der Club nach Paris. „Das war eine unterhaltsame und kostenlose Aktion, die jedem Spaß gemacht hat. Uns liegt es gänzlich fern, Leute für Sportwetten zu bekehren. Diese Art von Entertainment ist Teil unserer DNA“, erklärte der Marketingverantwortliche von Winamax, Felix Boddenberg. Er beklagt angesichts lautstarker Gegner ein „Informationsungleichgewicht“ und beteuert die Seriosität seines Unternehmens. Würden die Leute nicht bei ihnen zocken, dann auf dem Schwarzmarkt.

Trotz der Debatten läuft der Verkauf der neuen VfB-Trikots nach Angaben des Clubs im Übrigen bisher sehr gut. Jede Charge, die in die Verkaufsstellen kommt, sei sofort vergriffen, heißt es. Für Thomas Melchior ein Unding. Er hat den Winamax-Schriftzug bei seiner Aktion, die er beim Heimspiel gegen Hoffenheim im Oktober wiederholen will, auf dem weißen Trikot mit dem roten Brustring überklebt. Sein Antrieb: „Ich möchte nicht, dass solche Werbepartner in der Bundesliga zur Normalität werden.“

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Erstellt:
6. September 2023, 22:08 Uhr
Aktualisiert:
7. September 2023, 21:57 Uhr

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