Kamala Harris gegen Donald Trump
Hohe Erwartungen an das TV-Duell
Am Dienstag treten Kamala Harris und Donald Trump zu ihrer ersten Fernsehdebatte an. Sie kann die Präsidentschaftswahl entscheiden.
Von Thomas Spang
Neunzig Minuten ohne Studiopublikum im „National Constitutional Center“ von Philadelphia, aber mehr als fünfzig Millionen Zuschauer vor den Bildschirmen – für Kamala Harris und Donald Trump ist die erste und vermutlich einzige TV-Debatte die letzte Chance vor den Wahlen, so viele Menschen gleichzeitig zu erreichen - auch in den wichtigen Swing States.
Aus Sicht der demokratischen Strategin Donna Brazile, die Harris berät, ist das „wahrscheinlich die wichtigste Debatte in der Geschichte“. Denn trotz der Rekordspenden-Einnahmen von mehr als einer halben Milliarde Dollar seit ihrem Eintritt in das Rennen um das Weiße Haus und der Begeisterungswelle für sie ist die Vizepräsidentin für einen erheblichen Teil der Wählerschaft eine Unbekannte.
In einer aktuellen Umfrage der New York Times sagen 28 Prozent der Befragten den Meinungsforschern, sie wüssten nicht genug über Harris. Im Vergleich dazu findet sich kaum jemand, der nicht eine Meinung über Trump hätte. „Diejenigen, die am wenigsten mitbekommen, haben einen unverhältnismäßig hohen Einfluss auf den Ausgang dieser Wahlen“, analysiert der Demoskop Rich Thau die Lage.
„Sie darf sich nicht von Trump in den Schlamm ziehen lassen“
Harris’ Berater sehen die Debatte deshalb als Chance für die Kandidatin, sich als Person und ihre Politik einem breiten Publikum vorzustellen. „Sie darf sich nicht von Trump in den Schlamm ziehen lassen“, rät Brazile, die wie andere Experten persönliche Attacken auf ihre ethnische Herkunft und Geschlecht erwartet. „Wenn Trump entscheidet, unter die Gürtellinie zu gehen, sollte sie in der Offensive bleiben.“
Einen Vorgeschmack dieser Strategie hatte Harris bei ihrem ersten Interview gegeben. Angesprochen auf eine rassistische Breitseite Trumps, entgegnete sie: „Die nächste Frage bitte.“ Die Berater des Ex-Präsidenten schärfen dem notorisch unberechenbaren Kandidaten ein, den „happy Trump“ zu geben. Dabei könnte ihm helfen, dass die Mikrofone während der Redezeit der anderen Person stummgeschaltet bleiben.
Jason Miller, der Trump bei der Vorbereitung hilft, rät ihm, Harris als Wendehals zu charakterisieren und sie an Joe Biden zu ketten. „Sie können keine Seite mit jemandem aufschlagen, der in einzigartiger Weise verantwortlich ist für den Albtraum in der Wirtschaft und der Grenze, den das Land zurzeit durchlebt.“ Miller spricht damit zwei Themen an, bei denen Trump in Umfragen mit Abstand mehr zugetraut wird als Harris.
„Präsident Trump übt nicht für die Debatte“
Ob es Trump gelingt, den Fokus auf das politische Hin und Her der Kandidatin zu legen oder sich in persönlichen Beleidigungen zu verlieren, könnte nach Ansicht von Beobachtern den Ausgang der Debatte bestimmen. Harris bereitete sich in den vergangenen Tagen im Omni William Penn Hotel von Pittsburgh intensiv auf das Rededuell vor, während Trump mit seiner Entourage in einem seiner privaten Golfklubs die Köpfe zusammensteckte.
„Präsident Trump übt nicht für die Debatte“, wiederholt Miller die betonte Lässigkeit des Kandidaten, der bereits über die Erfahrung von sieben Präsidentschaftsdebatten verfügt. Für Harris ist es die erste und zudem die erste persönliche Begegnung mit dem Ex-Präsidenten. Bei ihren Vorbereitungen in Pittsburgh, spielte Philippe Reines die Rolle Trumps. Reines hatte das bereits 2016 für Hillary Clinton gemacht.
Die ehemalige Präsidentschaftskandidatin rät Harris, sich nicht von Trump provozieren zu lassen. „Sie muss ihn ködern“, sagt Clinton zu ihrer Erfahrung mit dem impulsiven Kandidaten. In früheren Debatten bei den Vorwahlen oder in den Rennen für andere Ämter hatte Harris bewiesen, mit einem Lachen im Gesicht austeilen zu können. Umgekehrt brachte sie die damalige Mitbewerberin um die Nominierung bei den Demokraten 2020, Tulsi Gabbard, mit Fake-Fakten über ihre Karriere aus dem Konzept. Ein Grund, warum Gabbard zu dem Kreis von Beratern gehört, mit denen sich Trump vor dem Aufeinandertreffen umgab.
Die Umfragen zeigen ein ganz enges Rennen
Beide Seiten wissen, dass sich Präsidentschaftsdebatten nicht gewinnen lassen. Aber man kann sie verlieren, wie das Desaster Joe Bidens in dem Duell Ende Juni bewiesen hat. Die Aussetzer des Präsidenten hatten den Eindruck verstärkt, er sei den mentalen und körperlichen Anforderungen des Präsidentenamts nicht mehr gewachsen. Der historische Rückzug und der Aufstieg Harris waren das direkte Ergebnis der Debatten-Niederlage.
Die hohe Erwartung an das Rededuell wird untermauert von neuen Umfragen, die ein Foto-Finale am 5. November erwarten lassen. Nach aktuellen Daten der New York Times liegt Trump national um einen Punkt vor Harris, während das Wall Street Journal und der Economist die Vizepräsidentin mit einem oder zwei Punkten vorn sehen. Nicht anders das Bild in den sieben Swing States, wo beide Kandidaten jeweils in drei Staaten knapp führen und in einem gleichauf liegen.