Mehrwertsteuer-Streit
Hotelier Bareiss: „Für wie dumm werden wir gehalten?“
Im September haben die Geschäftsführer der berühmten Drei-Sterne-Küche in Baiersbronn in einem Brief an den Bundeskanzler appelliert, die Mehrwertsteuer für Speisen bei sieben Prozent zu belassen. Nun zieht die Familie Bareiss eine bittere Bilanz.

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Hannes Bareiss übt harte Kritik an der Haushaltspolitik der Ampelregierung.
Von Matthias Schiermeyer
Tief enttäuscht zeigt sich die Familie Bareiss vom gleichnamigen Fünf-Sterne-Superior-Hotel in Baiersbronn von der Entscheidung der Ampelregierung, die Mehrwertsteuerabsenkung für die Gastronomie zum neuen Jahr zu revidieren. Statt sieben sollen wieder 19 Prozent für Speisen gelten. „Das Szenario ist düster“, sagte Hannes Bareiss, der das Luxushotel mit seiner Frau Britta und seinem Vater Hermann Bareiss führt, unserer Zeitung. „Wir alle werden ,bluten’: die Gastronomie, ihre Zulieferer, die Gäste.“ Aus diesem Kreislauf gebe es kein Entrinnen: „Wenn wir höhere Steuern zahlen müssen bei steigenden Kosten für Löhne, Energie und Waren, müssen wir höhere Preise nehmen“, erläutert er. „Über die Folgen sprechen wir in einem Jahr.“
Nur eine Grünen-Politikerin beantwortet den offenen Brief
In einem weithin beachteten offenen Brief vom 11. September an Kanzler Olaf Scholz und rund 60 weitere Politiker – unter ihnen Bundes- und Landesminister sowie viele Parlamentarier – hatte die Familie Bareiss intensiv für die Beibehaltung des infolge der Pandemie reduzierten Mehrwertsteuersatzes geworben. Das schwache Echo aus der Politik nimmt sie ernüchtert zur Kenntnis: „Mit Ausnahme einer Grünen-Abgeordneten, die uns im Detail und mit spürbarem Engagement geantwortet hat, bestanden die schriftlichen Reaktionen – auch von Parteispitzen – aus Satzbausteinen, die wir uns bei Chat GPT selber und differenzierter hätten holen können“, schildert Bareiss.
Vor dem Urteil des Verfassungsgerichts zum Klimafonds „standen die Signale aus der Ampel in meiner Wahrnehmung auf Grün, also beim Belassen des Status quo einer dauerhaften Ermäßigung – wie sie vom damaligen Bundesfinanzminister Olaf Scholz öffentlich zugesagt worden war“, sagt der Baiersbronner Hotelier. Der Protest aus der Branche gegen die Wiedereinführung sei ja auch unüberhörbar gewesen.
Karlsruher Urteil als „Bankrotterklärung der Haushaltspolitik“ bewertet
Bareiss selbst hält die Karlsruher Entscheidung „für die attestierte Bankrotterklärung einer unprofessionell, handwerklich völlig mangelhaft betriebenen Haushaltspolitik“. Nicht nur die Hotel-Branche sei „das Opfer eines verfassungsrechtlich non-konformen Haushalts, dessen durch das Urteil entstandene klimapolitische Löcher jetzt mit Mitteln aus Budgets gefüllt werden, die damit nichts zu tun haben“. Dies sei doch „ein ganz schlechter Witz, wenn das ,Corona-Geld’ laut Karlsruhe nicht in den sachfremden Klimafonds umgetopft werden darf“. Und die dadurch offen gewordenen Lücken im Klima-Haushalt würden jetzt mit Geld „aus einem sachfremden Topf“ gestopft, den die Gastronomie für ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit und Investitionen dringend bräuchte.
„Es ist beleidigend“
„Das nenne ich Verrat, Täuschung und Betrug an uns mündigen Bürgern – für wie dumm werden wir gehalten?“, entrüstet sich Bareiss. „Es ist beleidigend.“ Die Regierung habe einen Offenbarungseid geleistet. Mit einer weiteren Korrektur rechnet er nicht: „Neue Forderungen für den Erhalt des niedrigeren Mehrwertsteuersatzes werden unerhört bleiben“, prophezeit der 43-Jährige. „Sollte ich mich irren – nichts lieber als das.“
NGG kritisiert „falsches Signal zur falschen Zeit“
Auch die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) bedauert die Entscheidung der Ampel. „Aus unserer Sicht ist diese Anhebung ein falsches Signal zur falschen Zeit“, sagte die Stuttgarter Gewerkschaftssekretärin Magdalena Krüger unserer Zeitung. Die Gastronomie werde wohl einen Rückgang an Gästen zu spüren bekommen – in einer Zeit, in der die Betriebe wegen der vorangegangenen Krisen nicht ausreichend Rücklagen bilden könnten. Zwölf Prozentpunkte bei der Mehrwertsteuer seien „ein großer Batzen Geld“ befürchtet sie eine Zurückhaltung der Kundschaft.
„Zudem könnte die Anhebung zum jetzigen Zeitpunkt die Inflation weiter befeuern“, fügt sie an. „Wir hätten uns eine Verlängerung der Maßnahme um ein Jahr gewünscht.“ Die NGG wolle weiterhin eine grundsätzliche Debatte über die Mehrwertsteuer führen. „Aus unserer Sicht ist es dringend nötig, den ,Dschungel der Mehrwertsteuersätze’ in Deutschland kritisch unter die Lupe zu nehmen und anzupassen.“