Gipfel in Litauen

Keine Nato-Einladung für die Ukraine

Das Land wird Sicherheitsgarantien bekommen und mehr Waffen, wartet aber weiter auf eine Zusage zum Beitritt. Für eine Überraschung sorgt der türkische Präsident Erdogan.

Der türkische Präsident Erdogan (rechts) irritiert die Welt. Nach einem Treffen mit seinem ukrainischen Kollegen Selenskyj plädiert er für einen Beitritt Kiews zur Nato. Beim Gipfel der Allianz in Litauen macht er aber den Beitritt Schwedens von der Annäherung der Türkei an die EU abhängig.

© dpa/Francisco Seco

Der türkische Präsident Erdogan (rechts) irritiert die Welt. Nach einem Treffen mit seinem ukrainischen Kollegen Selenskyj plädiert er für einen Beitritt Kiews zur Nato. Beim Gipfel der Allianz in Litauen macht er aber den Beitritt Schwedens von der Annäherung der Türkei an die EU abhängig.

Von Knut Krohn

Wieder einmal stößt der Kreml Warnungen aus. Russland werde mit „harten Reaktionen“ antworten, sollte die Ukraine in die Nato aufgenommen werden, ließ Kremlsprecher Dmitri Peskow am Montag in Moskau über die russischen Nachrichtenagenturen verbreiten. Solche Sätze kennt Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg inzwischen zur Genüge und lässt sie kühl abtropfen. Nicht Russland bestimme, ob Kiew in die Allianz aufgenommen werden, sondern die Ukraine selbst, betonte der Norweger vor dem zweitägigen Nato-Gipfel in Vilnius.

Stoltenberg deutet aber auch unmissverständlich an, dass Kiew bei dem Treffen der 31 Mitglieder keine Zusage zu einem Beitritt erhalten werde. Betont wird stets, dass es nicht möglich sei, das Land in der jetzigen Phase des Konfliktes aufzunehmen. Das würde etwa das Bündnis durch die Beistandsverpflichtung nach Artikel fünf des Nordatlantikvertrages direkt in den Krieg hineinziehen.

Bedenken aus Washington und Berlin

Vor allem die USA und Deutschland stehen der Idee skeptisch gegenüber. „Für eine Einladung der Ukraine, für konkrete Schritte in Richtung Mitgliedschaft (ist) der Zeitpunkt nicht da. Hierfür gibt es auch unter den Verbündeten keinen Konsens,“ hieß es am Montag aus Berliner Regierungskreisen.

Aus diesem Grund wird bei dem Gipfel in Litauen vor allem über mögliche Sicherheitszusagen für die Ukraine diskutiert. US-Präsident Joe Biden bot bilaterale Sicherheitsgarantien an, so wie sie die USA derzeit schon Israel gegenüber leisten. Auch aus deutschen Regierungskreisen hieß es, unabhängig von der Nato werde an einer Erklärung gearbeitet, mit welcher der Startschuss für Sicherheitszusagen für die Ukraine gegeben werden solle.

Mehr Waffen für die Ukraine

Allerdings werden die Mitglieder der Allianz Kiew weiter mit Waffen und Ausrüstung versorgen. So hat Deutschland kurz vor dem Gipfel weitere Lieferungen in größerem Umfang zugesagt. Es werde „sehr substanzielle“ Ankündigungen geben, hieß es am Montag aus deutschen Regierungskreisen in Berlin. Was in dem neuen Paket enthalten sein wird, wurde allerdings nicht verraten. Klar ist aber, was nicht geliefert wird: Marschflugkörper Taurus mit einer Reichweite von 500 Kilometern, deren Lieferung die Ukraine bereits im Mai beantragt hat. „Da gibt es keine Neuigkeiten zu vermelden, was Taurus angeht“, hieß es aus den Regierungskreisen. Die Ukraine wünscht sich die Marschflugkörper, um Stellungen der russischen Streitkräfte in der Ukraine weit hinter der Frontlinie angreifen zu können. Die Bundesregierung ist zurückhaltend, weil die Geschosse auch russisches Territorium erreichen können.

Für Irritationen kurz vor dem Nato-Gipfel sorgte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan. Am Wochenende plädierte er nach einem Treffen mit dem ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj für den Beitritt der Ukraine zum atlantischen Verteidigungsbündnis. Nun machte der plötzlich eine Zustimmung zur Aufnahme Schwedens in die Nato von einer neuen Bedingung abhängig – der Belebung der vor Jahren auf Eis gelegten Beitrittsgespräche der Türkei zur EU. Vor dem Abflug zum Nato-Gipfel sagte Erdogan am Montag in Istanbul an die EU-Länder gerichtet: „Ebnet zunächst den Weg der Türkei in die Europäische Union, danach ebnen wir den Weg für Schweden, so wie wir ihn für Finnland geebnet haben.“

Erstaunliche Nachrichten aus der Türkei

Die Äußerung ist erstaunlich. Bislang hatte Erdogan als Hauptgrund für die Blockadehaltung der Türkei zum Nato-Beitritt vor allem Schwedens aus türkischer Sicht unzureichendes Vorgehen gegen „Terrororganisationen“ genannt. Er bezieht sich damit vor allem auf die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK, die in der Türkei, EU und den USA auf der Terrorliste steht.

In Brüssel wird die Äußerung Erdogans mit einigem Kopfschütteln zur Kenntnis genommen. Die EU hatte bereits 2005 mit der Türkei Beitrittsgespräche begonnen. Diese wurden allerdings vor einigen Jahren wieder auf Eis gelegt, weil die Kommission inakzeptable Entwicklungen im Bereich der Rechtsstaatlichkeit sah. Auch in anderen Bereichen werden dem Land schwere Defizite vorgeworfen. Erdogan war Ende Mai nach 20 Jahren an der Macht erneut zum Präsidenten gewählt worden. Der Wahlkampf galt als unfair, unter anderem weil die Medien zum großen Teil unter Kontrolle der Regierung stehen und politische Gegner im Gefängnis sitzen.

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Erstellt:
10. Juli 2023, 15:38 Uhr
Aktualisiert:
10. Juli 2023, 15:43 Uhr

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