Krieg in der Ukraine
Kiew wartet weiter vor der Tür zur Nato
Ein schneller Beitritt der Ukraine zum Bündnis gilt als unwahrscheinlich. Auf einem Treffen in Brüssel beschließen die Staaten der Allianz aber mehr Waffenlieferungen.

© dpa/Virginia Mayo
Nato-Generalsekretär Stoltenberg macht der Ukraine keine Hoffnungen auf einen schnellen Beitritt zu der westlichen Allianz.
Von Knut Krohn
Die Ansage der Nato klingt deutlich: die Zukunft der Ukraine liegt in der Nato. Immer wieder wird der Satz auch beim Treffen der Verteidigungsminister des Bündnisses in Brüssel wiederholt. Allerdings ist diese Ansage weniger klar, als sie auf den ersten Blick erscheint. Aus diesem Grund drängen die Vertreter aus Kiew seit Monaten auf konkrete Zusagen der westlichen Verteidigungsallianz, die ihnen allerdings auch am Freitag im Brüsseler Hauptquartier hartnäckig verweigert wurden.
Generalsekretär Jens Stoltenberg tat auch dieses Mal, was er seit Beginn des Überfalls Russlands auf die Ukraine tut. Er sicherte Kiew die unbedingte Unterstützung im Kampf gegen den Aggressor zu und betonte mit größtem Nachdruck, dass das Bündnis dennoch nicht Teil des Konfliktes sei.
Keine Hoffnungen auf konkrete Zusagen
Gleichzeitig ist die Nato bemüht, die Ukraine nicht völlig zu enttäuschen. Aber selbst in Kiew gibt es inzwischen nur noch wenig Hoffnung, bereits auf dem kommenden Gipfel in Vilnius Mitte Juli konkrete Aussagen in Sachen Beitritt zu bekommen. Länder wie Deutschland und die USA wollen diese Einladung im Gegensatz zu Staaten wie Litauen nicht aussprechen. Als Grund gelten Sorgen vor einer unberechenbaren Reaktion Russlands, das mit seinem Krieg gegen die Ukraine einen Nato-Beitritt des Landes zu verhindern versucht. Auch Stoltenberg betonte in Brüssel, dass es in Vilnius keine Einladung zum Beitritt geben werde.
Allerdings sind die Nato-Staaten bereit, der Ukraine auf ihrem Weg in die Allianz einen weiteren Schritt entgegenzukommen. Nach Angaben von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) verdichten sich die Zeichen, dass alle Mitgliedstaaten sich damit einverstanden erklären, vor einer möglichen Aufnahme nicht auf das übliche, sehr langwierige Heranführungsprogramm zu bestehen.
Die Ukraine wird an die Nato herangeführt
Bereits am Mittwoch hatten die Nato-Staaten in einem schriftlichen Verfahren ein neues Format für die Zusammenarbeit mit der Ukraine beschlossen. Es sieht vor, die bestehende Nato-Ukraine-Kommission zu einem Nato-Ukraine-Rat aufzuwerten. Dies soll es ermöglichen, mit dem Land auf Augenhöhe Schlüsselfragen der Sicherheit zu diskutieren und auch gemeinsam Entscheidungen zu treffen. Die Kommission wurde vor allem eingerichtet, um Reformen zu diskutieren, die für einen Beitritt zur westlichen Militärallianz notwendig sind. Verteidigungsminister Pistorius sagte am Freitag, der Rat werde erstmals am Rande des Nato-Gipfels im Juli in Litauen tagen. Die Ukraine bekomme nun einen gleichberechtigten Platz am Tisch der Allianz und sei nicht mehr nur Gast. Das sei ein deutliches Zeichen, dass man die Zukunft der Ukraine in der Nato sehe.
Die Teilnehmer des Treffens in Brüssel erklärten, dass sie das Drängen der Ukraine nachvollziehen könnten, betonten aber auch, dass die Nato schon jetzt sehr viel für die Ukraine tue. Es sei aber verständlich, dass sich die Aufnahme eines Landes, das sich im Krieg befindet, schlicht und ergreifend verbiete, erklärte Verteidigungsminister Pistorius in Brüssel. „Das muss allen klar sein, weil dann die Nato unmittelbar Kriegspartei wäre“, sagte er mit Blick darauf, dass die Ukraine dann unter Berufung auf Artikel 5 des Bündnisvertrags militärischen Beistand von den Alliierten verlangen könnte.
Kein Nato-Beitritt in Zeiten des Krieges
Auch Generalsekretär Stoltenberg schloss jüngst einen Beitritt der Ukraine in Kriegszeiten aus. Er sagte, dass es eine Voraussetzung für die Nato-Mitgliedschaft sei, dass die Ukraine den Krieg als unabhängige Nation überstehe. „Wenn sich die Ukraine nicht als souveräne unabhängige Nation in Europa durchsetzt, dann ist es sinnlos, über eine Mitgliedschaft zu diskutieren“, sagte er am Rande eines Treffens der internationalen Kontaktgruppe zur Koordinierung von Militärhilfe für die Ukraine.
Pistorius unterstrich, dass Deutschland der Ukraine weitere Waffen zur Abwehr gegen russische Luftangriffe zugesagt habe. Die Bundesregierung habe „entschieden, dass wir unverzüglich 64 weitere Lenkflugkörper für die Patriot-Systeme zur Verfügung stellen“, sagte der Minister in Brüssel. Damit unterstütze Deutschland die Ukraine „in dieser besonderen Phase des Krieges nachhaltig“, erklärte Pistorius unter Anspielung auf die ukrainische Gegenoffensive. Die Bundeswehr hatte im Frühjahr ein Patriot-Luftabwehrsystem an die ukrainischen Streitkräfte abgegeben.