SPD-Vorsitzender
Klingbeil macht der Regierung klare Zeitvorgaben beim Haushalt
Weniger öffentlicher Streit, mehr Arbeiten an gemeinsamen Lösungen – das sollte nach Ansicht von SPD-Chef Lars Klingbeil wieder die Devise in der Ampel sein. Beweisen kann das die Koalition jetzt beim Thema Bundeshaushalt.

© dpa/Kay Nietfeld
SPD-Chef Lars Klingbeil streitet in den Etatdebatten für die SPD-Position: „Starke Schultern können mehr tragen.“
Von Tobias Peter und Rebekka Wiese
Nur mit großer Mühe hat die Ampelkoalition einen Gesetzentwurf für die Gebäudeenergie zustande gebracht. Ein Gespräch mit dem SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil über die Auseinandersetzungen in der Koalition, die Haushaltspläne des Finanzministers und die Kindergrundsicherung.
Herr Klingbeil, Sie sind Fan des FC Bayern München, der gerade trotz durchwachsener Saisonleistung deutscher Meister geworden ist. Soll so auch die Wiederwahl der Ampel gelingen?
Das eine ist Sport, das andere ist Politik. Manchmal gibt es Parallelen, manchmal nicht. Wir arbeiten dafür, dass Olaf Scholz wiedergewählt wird. Und der Plan ist, dass es dabei nicht so spannend wird, wie der Kampf um die deutsche Meisterschaft im Fußball es in diesem Jahr war.
Sie haben der Ampel nach einem Jahr eine Drei plus gegeben. Jetzt steht das Bündnis ohne Haushalt da, und es gibt ein monatelanges Gezerre ums Gebäudeenergiegesetz. Ist mittlerweile die Versetzung gefährdet?
Diese Regierung hat in den ersten eineinhalb Jahren wegen Corona und wegen des Kriegs in der Ukraine sehr wegweisende Entscheidungen treffen müssen. Sie hat das Land gut durch diese schwierige Zeit gebracht. Jetzt machen wir uns jenseits von Krisenbewältigung mit wichtigen, aber komplizierten Reformprojekten auf den Weg, damit der klimaneutrale Umbau unseres Landes gelingt. Wir sind eine Koalition aus drei Partnern, die alle etwas verändern wollen. Da gibt es auch mal Differenzen über das Wie. Aber der Wunsch nach Fortschritt eint uns.
Das Teamspiel wirkt grottenschlecht.
Der öffentliche Streit über das Gebäudeenergiegesetz hat auch mich persönlich sehr gestört. Das war kein Glanzstück in den letzten Wochen. In der Kommunikation ist einiges schiefgelaufen. Mir haben Leute geschrieben, die Angst hatten, ihr Haus verkaufen zu müssen. Wir hätten nie zulassen dürfen, dass solche Sorgen aufkommen. Weniger öffentlicher Streit, mehr Arbeiten an gemeinsamen Lösungen für die Menschen – das sollte künftig wieder die Devise in der Ampel sein.
Die Ampelkoalition hat sich nach langem Gezerre darauf geeinigt, dass das Gesetz nun in erster Lesung im Bundestag behandelt wird. Herrscht jetzt wirklich Einigkeit?
Das erwarte ich. Unsere Fachleute haben gemeinsam mit der Fraktionsführung und den Spitzen der Regierung gute Leitlinien für das Gesetz festgelegt. Jetzt geht es darum, dass wir diese bis zur Sommerpause geordnet durch das parlamentarische Verfahren bringen. Und dabei können alle gemeinsam mithelfen.
Sind jetzt alle inhaltlichen Probleme gelöst?
Uns als SPD war wichtig, dass es eine umfassende Förderung für die Bürgerinnen und Bürger gibt und dass Mieter nicht übermäßig belastet werden, wenn wir jetzt in die Wärmewende einsteigen. Darauf haben wir uns nun im Grundsatz verständigt. Außerdem wird es eine enge Verzahnung mit der kommunalen Wärmeplanung geben und ausreichend Übergangszeiten für den Austausch von Heizungen. Es ist richtig, dass wir diese konkreten Schritte jetzt gehen und dass wir darauf achten, dass alle dabei mitkommen.
Was muss die Politik dauerhaft aus der Debatte über das Gebäudeenergiegesetz lernen?
Wir müssen beim Klimaschutz den sozialen Ausgleich immer von Anfang an mitdenken. Niemand darf das Gefühl haben, im Wandel alleinegelassen zu werden. So verhindern wir auch, dass die Klimadebatte zu einem Kulturkampf wird. Ich merke in vielen Gesprächen, dass Leute denken, die Politik wolle ihnen ihr Auto, ihr Haus, ihre Heizung wegnehmen. Das wollen wir nicht. Wir wollen als Gesellschaft gemeinsam mit dem Klimaschutz loslegen, damit wir Generationen nach uns einen intakten Planeten übergeben.
Thema Haushalt. Finanzminister Christian Lindner führt die Gespräche mit sparunwilligen Kolleginnen und Kollegen jetzt gemeinsam mit dem Kanzler. Fehlt Lindner die Autorität?
Nein, das ist nicht meine Wahrnehmung. Aber darum geht es auch gar nicht. Das Entscheidende für mich als Parteivorsitzender ist: Ich erwarte von der Bundesregierung, dass sie bis zum 5. Juli und damit bis zur parlamentarischen Sommerpause einen Haushaltsentwurf vorlegt.
Das ist ein klares Wort.
Es geht darum, dass das Parlament rechtzeitig mit den Beratungen beginnen kann. Der Bundestag muss wissen, was die Regierung plant. Und das Parlament muss genug Zeit haben, seinen Job zu machen. Das ist die Bundesregierung den Abgeordneten schuldig. Wenn die gemeinsamen Gespräche von Kanzler und Finanzminister mit den anderen Kolleginnen und Kollegen im Kabinett dazu beitragen, dass dieser Zeitplan eingehalten wird, soll es mir recht sein.
Sehen Sie irgendeine Chance, mit Christian Lindner in dieser Legislaturperiode noch zu einer Lösung zu kommen, bei der Menschen mit besonders hohen Einkommen und Vermögen über höhere Steuern einen größeren Anteil an den Krisenkosten übernehmen?
Als SPD-Vorsitzender vertrete ich das, wofür unsere Partei steht. Unser Grundsatz lautet: Starke Schultern können mehr tragen. Die Krisen der vergangenen Jahre haben die Lebensstandards von Armen und Reichen noch weiter auseinandergehen lassen. Deshalb treiben wir als SPD die Debatte voran, wie wir Lasten gerechter verteilen – und wie wir sicherstellen können, dass der Staat auch notwendige Investitionen tätigen kann. Für eine solche Finanzpolitik schärft die SPD gerade ihre Programmatik. Und wir werden mit guten Argumenten dafür werben.
Die Einführung der Kindergrundsicherung sollte eine der großen Sozialreformen dieser Legislaturperiode werden. Bleibt dafür – angesichts der Einsparungen – noch genug Geld?
Zwei große Schritte sind schon erreicht: Der Kinderzuschlag und das Kindergeld sind deutlich erhöht worden. Das ist ein wichtiger Bestandteil des Projektes. Der Haushalt, der jetzt verhandelt wird, muss einen wirklichen Einstieg in die Kindergrundsicherung gewährleisten. Diese Erwartung habe ich. Wir haben uns als Koalition verpflichtet, Kinderarmut zu bekämpfen. Das werden wir einlösen.
Aber unabhängig von den Erhöhungen, die es schon gab: Soll pro Kind denn künftig mehr Geld ausgezahlt werden als bisher?
Es geht um die Frage: Wie kommen wir dahin, dass diejenigen Kinder und Familien, denen Leistungen zustehen, diese auch erhalten? Nur ein Drittel derer, die einen Anspruch auf den Kinderzuschlag haben, beantragen das Geld tatsächlich – weil viele nicht wissen, wie das geht. Das zu ändern ist für mich ein wesentlicher Teil der Kindergrundsicherung. Die Familienministerin muss jetzt ein schlüssiges Konzept vorlegen. Dann können wir ganz konkret über Geld entscheiden.
In dieser Woche ist die Nationale Sicherheitsstrategie im Kabinett. Was ist aus Ihrer Sicht der wichtigste Punkt?
Der wichtigste Punkt bei der Nationalen Sicherheitsstrategie ist, dass sie kommt. Die Ampel ist die erste Bundesregierung, die eine solche Strategie vorlegt. Ich habe in den USA meine Uni-Abschlussarbeit über amerikanische Sicherheitspolitik geschrieben. Ich fand es immer richtig, dass in den USA Weißes Haus, Verteidigungsministerium und Außenministerium und alle anderen ihre Perspektiven in einer gemeinsamen Strategie zusammenbringen. Sicherheit ist eine umfassende Herausforderung. Da geht es auch um Abwehr von Cyberangriffen und Energiesicherheit. Das hat auch der Krieg in der Ukraine deutlich gemacht.
Ist die deutsche Unterstützung für die Ukraine auch dann garantiert, wenn der Krieg noch Jahre dauern sollte?
Die Zusage gilt. Der Bundeskanzler hat klar gesagt, dass wir die Ukraine unterstützen, solange es nötig ist. Ich bewundere den Mut der Ukrainerinnen und Ukrainer. Und ich hoffe, dass die Offensive der Ukraine Erfolg hat, dass Russland seine Soldaten zurückzieht und dieser schreckliche Krieg beendet wird.