Kommentar: Es ist nur eine Frage der Zeit im Iran
Kommentar: Es ist nur eine Frage der Zeit im Iran
Von Thomas Seibert
Beamte der Religionspolizei im Iran sollen ein 16-jähriges Mädchen verprügelt haben, weil sie in der U-Bahn kein Kopftuch trug. Ob die Jugendliche wirklich nach Schlägen der Religionspolizisten im Koma liegt, wie die iranische Opposition sagt, ist noch nicht klar, viele Iraner trauen allerdings ihrem Staat diese Art von Brutalität zu. Schon seit den Massenprotesten des vergangenen Jahres, die sich ebenfalls am Kopftuchzwang entzündeten, steht fest: Die Islamische Republik hat das Vertrauen von Millionen Bürgern verloren.
Im neuen Fall geben sich die Behörden nicht einmal viel Mühe, die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass die Religionspolizei unschuldig ist. Statt die Vorwürfe zu entkräften, ließen sie am Donnerstag die Mutter des Mädchens verhaften. Damit signalisieren die Mullahs, dass sie die Kopftuchpflicht mit allen Mitteln verteidigen wollen – selbst Minderjährige und ihre Familien sind nicht vor drakonischen Strafen sicher.
Weil es keine Massendemonstrationen gegen das Regime wie im vergangenen Jahr mehr gibt, fühlt sich die Führung der Islamischen Republik sicher genug, um allen mit Härte zu begegnen, die sich ihren Regeln nicht beugen wollen. Zu dieser Politik gehört auch ein neues Gesetz, das Frauen ohne Kopftuch zehn Jahre Haft androht. Die Kluft zwischen Regierung und Regierten im Iran wird größer – bis zur nächsten Protestwelle ist es nur eine Frage der Zeit.