Lob fürs Ehrenamt allein reicht nicht

Deutschland ist im Katastrophenschutz zwar gut aufgestellt – dennoch gibt es Verbesserungsbedarf.

THW-Helfer im Einsatz im Ahrtal: Der deutsche Katastrophenschutz basiert vor allem auf Ehrenamtlichen.

© THW Leonberg/cf

THW-Helfer im Einsatz im Ahrtal: Der deutsche Katastrophenschutz basiert vor allem auf Ehrenamtlichen.

Von Jürgen Bock

Stuttgart/Berlin - In jüngster Zeit gab es Unglücksbotschaften zuhauf. Tage, die gekennzeichnet waren von Horrormeldungen über Katastrophen, die sich zwar nicht direkt vor unserer Haustür abgespielt, aber verheerende Folgen nach sich gezogen haben. Tausende Tote erst beim Erdbeben in Marokko, danach bei den Überschwemmungen in Libyen. Hier wie dort verbunden mit Verzweiflung und großen Schwierigkeiten, in die betroffenen Regionen schnell genügend Hilfe zu bringen.

In solchen Zeiten lohnt sich auch der Blick ins eigene Land. Das war in der vergangenen Woche einmal mehr mit einem Warntag beschäftigt, der den Ernstfall simulieren sollte. Eine Folge unter anderem der Flutkatastrophe im Ahrtal, als die Warninfrastruktur kläglich versagt hatte. Auch Deutschland sah sich in den vergangenen Jahren mit einer Vielzahl an Katastrophen konfrontiert: Fluchtwellen, Corona, Wetterextreme oder die neuen Bedrohungen durch den Ukraine-Krieg.

Wann immer es ernst wird, kann sich unsere Gesellschaft auf vorwiegend ehrenamtliche Helfer verlassen. Technisches Hilfswerk, Feuerwehr oder Rettungsorganisationen sind schnell vor Ort und leisten professionelle Hilfe. Das Bundesinnenministerium schätzt die Zahl der Frauen und Männer, die freiwillig im Bevölkerungsschutz mitwirken, auf 1,7 Millionen. Das ist ein großer Vorteil gegenüber anderen Ländern. Aber kein Grund, sich darauf auszuruhen. Eine Landtagsabgeordnete aus Baden-Württemberg hat es einmal so formuliert: Man müsse „gottfroh“ sein, dass der Katastrophenschutz in diesem Land vom Ehrenamt gestemmt werde. Wenn man sich so sehr über etwas freut, dann sollte man es wertschätzen und ein Ohr für die Betroffenen in Deutschland haben. Denn aus den vergangenen Jahren könnte man einiges lernen und dauerhaft verbessern.

Dazu gehört die finanzielle Ausstattung. Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat jetzt angekündigt, die zuvor gestiegenen Gelder für das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe sowie das Technische Hilfswerk deutlich zu kürzen. Zur gleichen Zeit beklagt etwa das Rote Kreuz, dass Ausbildung und Ausstattung der Helfer zu einem guten Teil aus Spendengeldern bezahlt werden müssen, und fordert eine Vollfinanzierung. Dabei sind wiederum die Länder angesprochen.

Damit ist man an einem zweiten wichtigen Punkt: Die Strukturen in Deutschland sind zu kompliziert. Es ist eine Vielzahl von Beteiligten im Spiel. Zum Bevölkerungsschutz gehören der Katastrophenschutz, der Sache der Bundesländer ist, und der Zivilschutz. Dem obliegt die Versorgung der Bevölkerung im Kriegsfall und gehört zu den Bundesaufgaben. Auch auf der regionalen Ebene gibt es Probleme mit den Zuständigkeiten und der Vernetzung. Es würde sich lohnen, hier anzusetzen.

Wo man bereits versucht, etwas zu ändern, dauert es oft zu lang. Nach Ende des Kalten Krieges hat man in Deutschland die Sirenen abgebaut. Jetzt sollen neue entstehen. Wie aber auch der jüngste Warntag gezeigt hat, sind die Fördergelder bisher zu gering, um große Bauprogramme zu finanzieren. Die Länder haben noch nicht einmal einen Überblick darüber, welche Kommune über welche Warnmittel verfügt.

Es wird also nicht reichen, das Ehrenamt zu loben. Die Helferinnen und Helfer müssen ihre Aufgaben gut erfüllen können. Das ist Sache des Bundes und der Länder. Und noch etwas ist zuletzt deutlich geworden: Die Bevölkerung hierzulande selbst muss sich wieder mehr mit dem Thema Vorsorge auseinandersetzen. Denn die nächsten Katastrophen kommen bestimmt. Auch direkt vor der Haustür.

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Erstellt:
17. September 2023, 22:08 Uhr
Aktualisiert:
18. September 2023, 21:57 Uhr

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