Mehr Platz für Autos oder für Emotionen?
Die IHK Stuttgart hat auf einem Podium über die Frage diskutiert, wie die kriselnde Innenstadt besser belebt werden kann.
Von Andreas Geldner
Stuttgart - Das Bild, das Susanne Herre, die Hauptgeschäftsführerin der IHK-Stuttgart, zu Beginn der Diskussion „Lebendige Innenstadt – Stuttgarts City neu denken“ im IHK-Haus gezeichnet hat, war düster. Auf einem imaginären Rundgang führte sie an geschlossenen Läden, an Baustellen und vermüllten Parks entlang. Ist das die Realität in Stuttgart? Und kann man sie ändern? Das war Thema einer Debatte, bei der die Wirtschaft unter sich blieb: Dabei waren ein Einzelhändler, ein Hotelier, ein Innenstadtlogistiker und der Geschäftsführer der City-Initiative Stuttgart (CIS). Auch der Moderator Andreas Kaapke, Professor an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW), und zwei Experten von Tourismuswirtschaft und Mobilitätsforschung waren Ökonomen.
Hat Stuttgart ein Imageproblem? Ist die Stadt zu dreckig? Oder leidet sie, wie er und auch sein aus Leonberg nach Stuttgart fahrender Professorenkollege und Tourismusexperte Christian Buer mit Spitzen gegen die Grünen nahelegten, unter „Autofeindlichkeit“, weil man nicht gut in die Stadt komme? „Ich fühle mich in unterirdischen Parkhäusern unwohl“, sagte die IHK-Geschäftsführerin. Sie parke lieber oben. „Wir haben Mehrheitsverhältnisse in Stuttgart, wo das Auto des Teufels ist“, sagte Carl-Christian Vetter, als im Publikum mitdiskutierender Vertreter der CDU-Stadtratsfraktion.
„Ich glaube, dass die Attraktivität und die Anzahl des Parkraums nicht das Thema sind“, sagte hingegen Steffen Braun, ein Mobilitätsforscher am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation. Auch Sven Hahn von der City-Initiative erwähnte als ein Beispiel wie man Stuttgart attraktiver machen könnte, die Aktionstage mit Gratisnahverkehr. In Hannover habe man so die Besucherzahl um 250 Prozent gesteigert. In Stuttgart nur um 20 Prozent. „Wir haben da aber null Euro in Kommunikation investiert – und ein Eigentor geschossen“, so Hahn.
Auf einer zur Einführung präsentierten, sich aber auf ganz Deutschland beziehenden Umfrage zu den Einflussfaktoren auf die Attraktivität einer Innenstadt, lag die Autofreundlichkeit unter fünfzehn Punkten ganz hinten, vier Plätze nach der Fußgängerfreundlichkeit. Allerdings sind laut anderen Umfragen in Stuttgart viele mit der Verkehrslage unzufrieden. Ganz vorne: der Wunsch nach Aufenthaltsqualität.
„Wir geben zehn Milliarden Euro für einen Bahnhof aus und schaffen es nicht, zwei bis drei Millionen Euro für ein besseres Entree zur Königstraße zu investieren“, sagte Christoph Achenbach vom Einzelhändler Lederwaren Acker. Die Umfrage war im Jahr 2022 von der IHK Köln in Auftrag gegeben worden – in einer Stadt, die Podiumsteilnehmer Ekart Kuhn vom auch auf Lastenräder setzenden City-Logistikunternehmen Ekupac vertraut ist: „Im Vergleich zu Köln ist Stuttgart noch sehr sauber.“
Doch trotz des Schmuddelimages hat sich die Stadt viel besser vom Einbruch der Besucher durch Corona erholt als Stuttgart. Laut einem vom Moderator präsentierten Städtevergleich sind dort 54 Prozent mehr Passanten als 2021 unterwegs. Stuttgart steht mit plus zwölf Prozent schlechter da – und damit auch schlechter als andere Großstädte. „Der Unterschied dürfte sein, dass in diese Städte wieder mehr Touristen kommen“, sagte Kaapke. Hahn von der City-Initiative betonte den Zusammenhang von Tourismus, Kultur und Einkaufen. Der Einzelhandel brauche eine Grundfrequenz an Besuchern. „Die Menschen kommen heute nicht mehr nur in die Stadt, um einzukaufen – sie wollen etwas erleben.“
Ein Diskutant aus dem Publikum – ein Hotelier, der in Köln gelebt hat – sieht diesen Wandel als entscheidend an. In Stuttgart werde zu technokratisch diskutiert, etwa wie man ins Zentrum komme. „Aber erst müssen die Menschen in die Stadt wollen. Und das hat mit Emotion zu tun.“ Womöglich brauche es mehr Toleranz dafür, dass etwa das imagebildende Weindorf Spuren hinterlasse, fragte Moderator Kaapke: „Eine Stadt lebt nur, wenn es auch ein paar Flecken gibt.“