Kanzlerkandidatur in der Union

Merz macht’s – und Söder gibt den Königsmacher

Nun ist es offiziell: Friedrich Merz wird Kanzlerkandidat der Union – und Markus Söder verzichtet. Der Schritt dürfte ihm nicht leichtgefallen sein. Doch ihm blieb kaum etwas anderes übrig.

Bei ihrem Auftritt zeigen sich Merz und Söder geschlossen.

© dpa/Kay Nietfeld

Bei ihrem Auftritt zeigen sich Merz und Söder geschlossen.

Von Tobias Peter und Rebekka Wiese

Sie sind auf die Sekunde pünktlich. Es ist 12 Uhr mittags, in der bayerischen Landesvertretung in Berlin kann man die Glocke einer Uhr schlagen hören. Und man kann sehen, wie sich in diesem Moment eine Tür an der Seite des Raumes öffnet. Heraus treten Markus Söder, Parteichef der CSU und bayerischer Ministerpräsident, und Friedrich Merz, Parteichef der CDU und Vorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag. Söder trägt eine blaue, Merz eine rote Krawatte, sie haben dieselbe Musterung. Es ist ein perfekt abgestimmter Auftritt.

Es ist Dienstagmittag, der Pressetermin ist nur wenige Stunden zuvor angekündigt worden. Eine kurze Begrüßung, dann sagt Söder: „Die Kanzlerfrage ist entschieden. Friedrich Merz macht’s.“ Der CSU-Chef darf an diesem Tag als erstes sprechen, die ersten sechs Minuten steht Merz schweigend neben ihm. Es dürfte ihm leichtfallen. Gewinner gönnen gern.

Nicht überraschend

Seit diesem Auftritt am Dienstag ist klar: Friedrich Merz soll Kanzlerkandidat der Union werden. Das werden die Parteigremien am kommenden Montag dann auch offiziell entscheiden. Die Union hat damit einen Machtkampf geklärt, der viele in den Schwesterparteien schon lange besorgt hatte. Dass Merz sich durchgesetzt hat, kam nicht überraschend. Der Druck auf Söder, seinen Verzicht zu erklären, war in den vergangenen Wochen gestiegen.

Dass Merz als Vorsitzender der größeren Schwesterpartei die Kandidatur selbst übernehmen wollte und wohl auch würde, daran zweifelte in der Union kaum jemand. Merz hat die CDU nach der Niederlage bei der vergangenen Bundestagswahl wieder so stabil aufgestellt, dass man kaum ohne ihn in die nächste ziehen kann. Und das, obwohl die Umfragewerte angesichts der schlechten Werte der Ampel sicher besser sein könnten. Dass Merz, der sich in mehreren Anläufen auf den Parteivorsitz gekämpft hatte, nach all den Mühen verzichten könnte, galt als ausgeschlossen. Natürlich gab es auch Stimmen in der Union, die an Merz zweifelten: Er gilt als impulsiv, bei jungen Frauen hat er zudem schlechte Umfragewerte. Doch selbst seine Skeptiker haben inzwischen eingesehen, dass Merz der Kandidat der Stunde ist.

„Ich würde mich nicht drücken“

Nur Söder schien das lange nicht wahrhaben zu wollen. Noch vor zwei Wochen stand der CSU-Chef in einem Zelt auf dem bayerischen Volksfest Gillamoos und hielt eine launige Rede. Er sagte dabei vieles, was erwartbar war („Der Bundeskanzler muss zurücktreten, die Ampel muss weg“), aber eben auch diesen Satz: „Für mich ist Ministerpräsident das schönste Amt, aber ich würde mich nicht drücken, Verantwortung für unser Land zu übernehmen.“ Mit anderen Worten: Kanzler, das würde er schon machen.

Auch wenn man sich in der CDU betont gelassen gab: Natürlich dürfte es Merz und viele andere nervös gemacht haben, dass Söder wieder versuchte, sich als Kandidat ins Gespräch zu bringen. Besonders zu diesem Zeitpunkt: Eigentlich hatte die Union angekündigt, die Entscheidung über die Kanzlerkandidatur für die Bundestagswahl 2025 im Spätsommer zu klären. Da sah es zumindest schräg aus, dass Söder sich zwei Tage nach dem meteorologischen Ende des Sommers sehr interessiert an der Kandidatur zeigte.

Das Trauma der Union

Dabei wollten eigentlich alle vermeiden, dass sich das Drama von 2021 wiederholt. Damals ging es vor der Bundestagswahl um die Frage, ob der damalige CDU-Chef Armin Laschet oder Söder Kanzlerkandidat werden sollte. Söder hatte – wie heute auch – bessere Umfragewerte als der CDU-Vorsitzende. Er trieb den Streit um die Kandidatur so weit, dass die Union sich darüber spaltete und dass Laschet schließlich beschädigt in den Wahlkampf ging. Am Ende verlor die CDU, die nach 16 Jahren Kanzlerschaft von Angela Merkel sicher daran geglaubt hatte, erneut den Regierungschef zu stellen. Es war ein Trauma für die Union.

Daran hat sich Söder nun aber offenbar erinnert. „Ich habe ein Versprechen gegeben, dass 2021 sich nicht wiederholen wird“, sagt er am Dienstag auf der Pressebühne neben Merz. „Ich halte Wort.“ Auch der CDU-Chef erinnert in seinem Statement an diese Zusage. Dass die beiden hier gemeinsam stehen, ist auch ein Zeichen in die Union hinein. Die mustergleichen Krawatten, die weißen Blumengestecke auf der Pressebühne, zumindest oberflächlich sieht bei diesem Auftritt nach Versöhnung zwischen CDU und CSU aus. „Wir sind erstmals wieder komplett zusammen“, sagt Söder dann auch. Und Merz sagt: „Damit sind wir wieder auf Kurs.“

Nicht Verlierer, sondern Königsmacher

Der CSU-Chef versucht an diesem Tag, nicht den Verlierer zu geben, sondern den Königsmacher. Er spricht von seiner „hohen persönlichen Wertschätzung“ für Merz, er sagt: „Er hat meine persönliche Rückendeckung.“ Es ist die bestmögliche Rolle, die ihm bleibt. Umso mehr dürfte er sich über das ärgern, was am Montagabend passierte. Da erklärte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst, auf die Kanzlerkandidatur zu verzichten. Und sagte bei dieser Gelegenheit auch gleich zu, Merz bei einer Kanzlerkandidatur zu unterstützen.

Wüst hatte lange damit kokettiert, mindestens eine wichtige Rolle in der Entscheidungsfindung spielen zu wollen. Er gilt als Angebot an die Mitte, führt den mitgliederstärksten CDU-Landesverband. Doch mit seinen 49 Jahren ist er auch noch jung, er hat Zeit. Jetzt Merz zu unterstützten, könnte ihm bei seinem nächsten Anlauf helfen.

Ein taktisches Manöver von Wüst

Dass er das nun noch vor dem bayerischen Ministerpräsidenten erklärte, überraschte viele – vor allem Söder selbst. Nun sieht es so aus, als habe sich der CSU-Chef lediglich seinem Schicksal gefügt. Dabei sollen sich Merz und Söder schon Ende der vergangenen Woche geeinigt haben, der Auftritt am Dienstag war von ihnen schon länger geplant. Dem zuvorzukommen, war das taktische Manöver von Wüst, über das sich Söder geärgert haben dürfte.

Sechs Minuten spricht Markus Söder auf der Pressebühne, Friedrich Merz noch eine mehr. Danach geben sich die beiden die Hand, schütteln sie sehr lange, vielleicht herzlich, jedenfalls kräftig. Dann verlassen sie die Bühne. Fragen von der Presse wollen sie nicht beantworten. Um 12.14 Uhr schließt sich die Tür hinter ihnen.

Zum Artikel

Erstellt:
17. September 2024, 17:36 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen