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Backnanger Wochenmarkt in Corona-Zeiten: Markthändler überwiegend zufrieden mit dem Verkaufsergebnis – Ältere Kunden sind seltener unterwegs

Nach wie vor ist am Mittwoch und am Samstag Wochenmarkt in der Backnanger Innenstadt. Und auch die Kunden sind unterwegs. Ältere Mitbürger sieht man weniger. Alle Vorsichtsmaßnahmen wie Abstand halten werden eingehalten. Begegnungen kommen dabei trotzdem nicht zu kurz.

Handschuhe haben fast alle Händler auf dem Backnanger Wochenmarkt in Gebrauch. Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Handschuhe haben fast alle Händler auf dem Backnanger Wochenmarkt in Gebrauch. Foto: J. Fiedler

Von Hans-Christoph Werner

BACKNANG. Das Abstandhalten ist verinnerlicht. Die Besucher des samstäglichen Wochenmarktes halten sich daran. Ein Beamter des Ordnungsamts geht den ganzen Vormittag immer wieder durch die Straßen, er hat nichts zu beanstanden. Irgendwie hat man den Eindruck, die Menschen seien schneller, entschlossener unterwegs. Kaum jemand ist auszumachen, der zwischen den Ständen nur zum Flanieren unterwegs ist. Die Markthändler geben überwiegend an, dass zielgerichteter eingekauft würde. Hamsterkäufe? Nein, das gebe es gar nicht.

Freilich gibt es beim Abstandhalten gewisse Hilfen. Vor den Tischen haben die Händler zum Teil ihre leeren Transportkisten aufgestellt, sodass zur Seite hin von Kunde zu Kunde der gebührende Abstand eingehalten wird. Andere haben mit Straßenkreide eine Linie auf dem Pflaster gezogen. Oder man behilft sich mit Aufstellern, auf denen zu lesen: „Mindestens 1,50 m Abstand zu ihren Mitmenschen. Keine Selbstbedienung! Danke! Bleiben Sie gesund!“ Damit deutlich wird, wie das gemeint ist, ist der Text mit einem Herzchen geschmückt.

Begegnungen kommen nicht zu kurz. Auf Distanz freilich. Was aber wiederum bedingt, dass man sich lautstark unterhalten muss. Und das hat leider den Nebeneffekt, dass andere mitbekommen, was da geredet wird. So erfährt man zum Beispiel, dass eine der Damen Barbara heißt und sich beide für Stoffe interessieren. Und dass bedauerlicherweise irgendeine Hochzeit abgesagt ist.

Freilich muss man bei solchem Smalltalk beachten, wo man steht. Manche bleiben mitten im Weg stehen. Und stellen damit andere vor die Notwendigkeit, die Redenden im großen Bogen zu umgehen. Aber da geht dann der Platz aus.

Menschen, die ein Fahrrad dabeihaben, haben es leichter. Was in normalen Zeiten als Ungebührlichkeit gelten würde, dass man bis an den Stand heranschiebt, wird jetzt geduldet. Und für den dahinter Stehenden ist durch die Fahrradlänge unmissverständlich der Abstand angegeben.

Atemschutzmasken oder Einmalhandschuhe sieht man selten bei den Kunden. Zumindest Handschuhe haben fast alle Händler in Gebrauch. Annette Weller, die zusammen mit ihren beiden Mitarbeitern den Käsewagen von Martina Röhrle-Heller aus Auenwald bedient, gibt an, dass sie sich alle nach jedem Kunden die Hände waschen. Solchen Luxus von fließendem Wasser und Waschbecken hat freilich nur ein motorisierter Verkaufswagen.

Ansonsten ist Geduld gefragt. Wobei dies genaues Hinschauen erfordert. Wohin mündet die Warteschlange? Zeitweise reicht die zur Bäckerei Mildenberger bis weit auf die Schillerstraße. Kurioses ergibt sich. Einmal kommt es dazu, dass die Wartenden entlang der Schaufenster des Modehauses Kapphan stehen. Aber nicht, weil dieses etwa geöffnet hätte, sondern weil gegenüber, an der Einmündung der Kesselgasse in die Schillerstraße, der Stand des Schöntaler Hofes Adrion voll besetzt ist. Und zwischen Modehaus und Marktstand muss Platz bleiben, weil immer wieder Leute passieren wollen. Nur die ersten Meter der Uhlandstraße sind von der Hausecke Schillerstraße weg bis hin zur Straße „Am Rathaus“ ein Problem. Hier stehen die Häuser eng. Und hier steht der Stand von Cornelia Schaaf aus Allmersbach am Weinberg. Wenn Kunden am Stand stehen und gleichzeitig viele Menschen vorbeigehen wollen, wird es eng mit ein Meter fünfzig. Der Herr vom Ordnungsamt hat es bemerkt. Man wird Abhilfe schaffen.

In Corona-Zeiten hat ein Markttag auch Beispiele spontaner Hilfsbereitschaft. Auch wenn diese das Abstandsgebot überspringt. Der Stand von Elisabeth Fleischmann aus Steinbach steht zwischen Weltladen und Café Weller. Einer Kundin kippt davor das vollbepackte Fahrrad um. Einkäufe rollen auf den Boden. Zwei Passanten sind schnell und dicht zur Stelle und helfen, das Heruntergefallene aufzuheben. Hilfsbereitschaft ist nicht außer Mode gekommen.

Fast alle Marktstandbetreiber geben an, dass sich die ersten Kunden schon sehr früh einstellen. Lukas Adrion vom gleichnamigen Hof in Mittelschöntal hat eigens drei seiner Verkäuferinnen eine Stunde früher bestellt. Durchgehend ist auch die Meinung, dass ältere Mitbürger ausbleiben. Aber man erfahre auch, dass für andere mit eingekauft werde.

David Burckhardt vom Wacholderhof in Murrhardt, der mit Käse, Brot und Gemüse auf dem Markt vertreten ist, gibt an, dass er mehr verkauft. „Die Leute,“ so seine Meinung, „gehen weniger essen und versorgen sich selbst. Die Luxusküchen der Deutschen würden jetzt benutzt. Und nicht bloß die Mikrowelle.“ Annette Weller vom Käsewagen hat den Teller mit den kleinen Probierstücken abgeschafft. Die Kunden müssten jetzt mehr auf die fachkundige Beratung setzen.

Costa Pinheiro hat ihren Blumenstand in der kurzen Straße „Am Rathaus“. Man sieht Primeln, Orchideen, Azaleen, Tulpen und Rosen. Sie ist am späten Vormittag zufrieden mit dem, was sie verkauft hat. Einige Meter daneben steht Michaela Fuchs mit dem Stand des Geflügelhofes Reber aus Murrhardt. Eier, Nudeln, Hähnchenschenkel und Maultaschen hat sie im Angebot. Über die Kundennachfrage kann sie nicht klagen.

Wo die Spaltgasse in die Uhlandstraße mündet, hat Elisabeth Beck aus Althütte auf einer Biertischgarnitur ihre Ostergestecke ausgestellt. Sie sammelt Naturmaterialien und fertigt daraus zierliche Gebilde. „Damit Frühling- und Ostergefühle kommen, trotz Corona“, sagt sie. Ella Friedrich aus Germannsweiler, die auf dem Markt vor allem Eigenprodukte anbietet, nimmt bei den Kunden große Zurückhaltung wahr. „Den Einschnitt merkt man deutlich.“ Vor allem der Mittwoch-Markttag wird nach ihrer Einschätzung nur wenig in Anspruch genommen.

Während verkauft und gekauft wird, fahren die Autos weiter durch die Grabenstraße, manche scheinbar nur zum Sightseeing. Neugierig erstaunt blicken die Fahrgäste aus den Edelkarossen. Da sind doch tatsächlich Menschen unterwegs, die auf dem Markt einkaufen.

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Erstellt:
30. März 2020, 06:00 Uhr

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