Nach der Brandenburg-Wahl
Sprengt Christian Lindner die Ampel-Koalition?
Sie sind beide raus: Sowohl FDP als auch Grüne haben bei der Wahl in Brandenburg den Wiedereinzug in den Landtag verpasst – ein weiteres Mal. Wackelt nun die Ampelregierung?
Von Tobias Peter und Rebekka Wiese
Christian Lindner ist ein Politiker mit vielen Gesichtern. Er kann ein und dieselbe Botschaft aggressiv wahlkämpferisch oder auch ruhig und ernst vortragen. An diesem Montag nach der Brandenburg-Wahl will der Finanzminister und FDP-Vorsitzende wie ein Staatsmann wirken. Unter dem blauen Sakko trägt er einen schwarzen Rollkragenpullover.
Er fordere, so sagt es Lindner im Hans-Dietrich-Genscher-Haus in Berlin, „dass die staatstragenden demokratischen Parteien sich gemeinsam der Herausforderung stellen, die Weltoffenheit unseres Landes dadurch zu verteidigen, dass wir die Kontrolle und Konsequenz bei der Einwanderung herstellen“. Geschehe dies nicht, profitierten die Parteien am Rand.
Sprengstoff für die Koalition
Es ist der Tag nach der Abstimmung über den Landtag in Brandenburg – und somit nach einer von vielen Wahlen, die vor allem eines gezeigt haben: die Unzufriedenheit mit der Ampelregierung. Zwar hat die SPD – durch den fulminanten Endspurt von Ministerpräsident Dietmar Woidke – die Wahl in Brandenburg gewonnen. Doch die Grünen sind an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert, die FDP kommt gerade mal noch auf 0,8 Prozent. Das ist Sprengstoff für die weitere Zusammenarbeit in der Koalition. Der Sprengmeister könnte Christian Lindner sein.
In diesem „Herbst der Entscheidungen“ werde sich zeigen, ob die Ampel die Kraft für wichtige Weichenstellungen finde. „Diese drei Fragen: Migration, wirtschaftlicher Erfolg dieses Landes und stabilitätsorientierte Haushaltspolitik mit mutiger Schwerpunktsetzung, das sind die Fragen, die in diesem Herbst geklärt werden müssen“, sagt Lindner. Auf Nachfrage nennt er einen Zeitraum bis kurz vor Weihnachten.
Ein lauter, ein wenig vulgärer Lindner
Keine Frage, Lindner klingt anders als vor drei Wochen nach den verlorenen Wahlen in Sachsen und Thüringen. Damals war es ein lauter, sogar ein wenig vulgärer Lindner, der sagte: „Insbesondere haben die Leute die Schnauze voll davon, dass dieser Staat möglicherweise die Kontrolle verloren hat bei Einwanderung und Asyl in Deutschland.“ Aber in der Sache ist das, was er jetzt sagt, nicht so viel anders: Der FDP-Vorsitzende will Veränderungen. An den von ihm genannten Themen werde die Koalition gemessen, sagt er. Und auch die FDP messe die Koalition daran.
Linder weiß, dass auch er selbst gemessen wird. Über Jahre galt er als derjenige, der in der FDP Prokura hat. Doch der Druck auf ihn wächst nun langsam. Gerade in der SPD schauen sie kritisch auf die Frage, was Lindner als nächstes tun könnte. Nach den Jahren des Streits überwiegt zwar der Glaube, dass die FDP die Ampelzeit bis zum regulären Ende im Herbst 2025 durchhalten werde. Aber viele Sozialdemokraten halten Lindner für einen Spieler – für einen, der sich nicht in die Karten schauen lässt.
„Für uns alle sehr, sehr schwer“
Und die Grünen? Auch für sie ist der Tag nach der Wahl nicht einfach. Parteichef Omid Nouripour ist heiser, als er in der Geschäftsstelle der Partei vor die Presse tritt. „Der Abend war für uns alle sehr, sehr schwer“, sagt Nouripour. „Das war eine sehr enttäuschende Niederlage für uns alle.“ Man sieht es ihm an.
Für die Grünen ist die Wahlniederlage ein Déjà-vu. Aus fünf Landesregierungen sind sie seit Anfang 2023 herausgeflogen. Und nach Thüringen ist das Landesparlament in Brandenburg nun das zweite, in dem sie nicht mal mehr den Wiedereinzug geschafft haben.
Einer von vielen Gründen
Auch die Grünen sehen in der Ampelkoalition einen Grund für ihr Scheitern. „Der Bundestrend ist immer der Sockel“, sagt Nouripour auf der Pressekonferenz. Die grüne Erzählung geht so: Die Ampel komme meist zu guten Ergebnissen – nur bemerke das keiner, wenn alle Koalitionspartner ihre eigene Arbeit ständig zerredeten. Wobei sie den Vorwurf vor allem der FDP machen.
Dass er genervt ist, versucht Nouripour vor der Presse auch nicht zu verbergen. Ja, man wolle in der Regierung noch umsetzen, was vereinbart wurde, sagt er. Aber: „Ich würde niemandem raten, in diese Koalition noch Emotionen zu stecken.“ Als eine Journalistin ihn fragt, ob die Grünen auch auf Neuwahlen vorbereitet wären, entgegnet Nouripour: „Ehrlich gesagt sind wir immer für alles aufgestellt und gut vorbereitet.“