Nach den Landtagswahlen
Steigt die FDP aus der Ampel aus?
Die Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen waren für die FDP ein Desaster. Eine Basisinitiative fordert nun, Parteichef Christian Lindner solle mit der Partei aus der Ampel aussteigen – oder zurücktreten. Auch in der Fraktion herrscht Frust.
Von Tobias Peter
Es war wie bei einer Geburtstagsfeier, wenn ein Jüngerer ein paar salbungsvolle Worte über einen Älteren sagt. Als SPD, Grüne und FDP Ende 2021 ihren Koalitionsvertrag vorstellten, lobte Christian Lindner die Erfahrung und Professionalität von Olaf Scholz. Der FDP-Chef drehte sich zu Scholz und attestierte ihm „ein inneres Geländer“, mit dem er aus einer klaren Werthaltung heraus das Land nach vorn führen könne.
Heute ist das Verhältnis von Scholz und Lindner angespannt, wenn nicht zerrüttet. Das haben die öffentlichen Gefechte während der Haushaltsverhandlungen offengelegt. Gleichzeitig hat sich gezeigt: Lindner ist zwar bereit, die Ampelpartner maximal zu provozieren, wenn er glaubt, es nutze der FDP. Bislang ist er aber immer derjenige gewesen, der die Partei in dem umstrittenen lagerübergreifenden Bündnis gehalten hat.
Ergebnisse jenseits der Kenntlichkeit
Der Frust in der FDP nach den desaströs verlorenen Landtagswahlen von Thüringen und Sachsen ist riesig. 1,1 Prozent der Wählerstimmen in Thüringen und 0,9 Prozent in Sachsen – Ergebnisse jenseits der Kenntlichkeit. Das bringt jetzt auch noch mal Bewegung in die Debatte in einer Partei, die ihrem Chef eigentlich bedingungslos folgt. Lindner hat die FDP wieder zurück in den Bundestag gebracht, nachdem sie im Jahr 2013 aus dem Parlament geflogen war. Dafür sind ihm viele in der Partei bis heute dankbar. Und er prägt das Außenbild der FDP wie kein anderer. Das ist den meisten bewusst.
In einem offenen Brief fordert nun die Basisinitiative „Weckruf“ Lindner dazu auf, entweder die Ampelkoalition aufzukündigen oder seinen Platz an der Parteispitze zu räumen. Die FDP-Mitglieder erinnern „sehr geehrten Herrn Lindner“ an seinen Satz nach den gescheiterten Verhandlungen über eine Jamaika-Koalition im Jahr 2017. „Es ist besser nicht zu regieren, als falsch zu regieren“, hatte der heutige Finanzminister gesagt. Diese Aussage sei aktuell so wahr wie nie zuvor, so die Briefeschreiber.
Alexander Rackow, FDP-Mitglied und Anwalt in Bad Segeberg, ist einer der Mitinitiatoren. „Wir haben nichts gegen Christian Lindner“, sagt er. „Aber wenn er nicht willens ist, die Ampelkoalition zu beenden, muss er halt gehen.“ Es gehe jetzt darum, die Partei zu retten.
Die FDP-Bundestagsfraktion trifft sich in dieser Woche zu ihrer Herbstklausur. Dort dürfte es hinter verschlossenen Türen hart zur Sache gehen. „Wir müssen in den nächsten Tagen eine klare Antwort auf die Frage finden, ob unserem Land mit der Ampelkoalition wirklich noch geholfen ist oder ob sie am Ende dem Land und unserer Demokratie sogar eher schadet“, hat die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Gyde Jensen dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) gesagt. Ungewöhnlich harte Töne.
Lindner ist daran gelegen, dass der Wahlkampf der FDP in Brandenburg nicht durch Streit in der Partei torpediert wird. Für Lindner dürfte es nicht leichter werden, dass ihm die Fraktion seiner Linie beim Haushalt und auch bei dem mit der SPD fest vereinbarten Rentenpaket folgt.
Auch Kritiker sieht keine Alternative
Anzeichen dafür, dass der FDP-Chef nach den Wahlen in Brandenburg auf einen Kurs einschwenken könnte, die Ampel zu verlassen, gibt es nicht – es wäre angesichts der desaströsen Umfragewerte für die FDP auch ein höchst riskantes Manöver. Viele in den anderen Ampelparteien halten den FDP-Chef aber für eine Spielernatur. Sein nächster Zug ist nicht zwingend berechenbar.
Bei einer Mitgliederbefragung um den Jahreswechsel hat sich mit 52 Prozent der Teilnehmer eine sehr knappe Mehrheit für den Verbleib in der Ampel ausgesprochen. Der Kasseler FDP-Chef Matthias Nölke, der damals die Befragung mitinitiiert hatte, sagt heute: „Wenn die FDP Anfang des Jahres aus der Ampel ausgestiegen wäre, stünden wir jetzt weit besser da.“ Die Forderung, notfalls müsse Lindner nun zurücktreten, hält er aber für nicht sinnvoll. „Ich sehe keine Alternative zu Christian Lindner als Parteichef“, sagt Nölke. „Als in der schwarz-gelben Koalition Guido Westerwelle als Vorsitzender abgetreten ist, war der Sturz mit Philipp Rösler nur noch tiefer.“ Nölke sagt: „Die FDP braucht sehr viel Glück bei der nächsten Bundestagswahl.“