Sternwarte überrascht mit zwei seltenen Teleskopen

Nur selten gibt es Gelegenheit, einen Blick in das historische Gebäude auf dem Unicampus in Vaihingen zu werfen. Bei einem Rundgang haben Interessierte mehr über seine Besonderheiten erfahren.

Die Sternwarte wirkt wie ein Fremdkörper auf dem modernen Unicampus in Stuttgart-Vaihingen.

© Lichtgut/Max Kovalenko

Die Sternwarte wirkt wie ein Fremdkörper auf dem modernen Unicampus in Stuttgart-Vaihingen.

Von Alexandra Kratz

Stuttgart - Der alte Turm mit dem Kuppeldach wirkt wie ein Fremdkörper auf dem Unicampus in Vaihingen. Umringt von Studentenwohnheimen ragt er geschätzte 15 Meter in die Höhe. Seine Tür bleibt meistens verschlossen – doch wann immer es ihm möglich ist, öffnet Martin Greitmann sie für interessierte Besucher. Er ist Professor an der Fakultät Mobilität und Technik an der Hochschule Esslingen und als Hobby-Astronom Mitglied im Arbeitskreis Astronomie der Universitätssternwarte Pfaffenwald. Vor Kurzem nun zeigte er einer Delegation des Bürgervereins Vaihingen-Rohr-Büsnau das historische Bauwerk.

Die Sternwarte auf dem Campus in Vaihingen gibt es seit knapp 90 Jahren. Hermann Fellmeth ließ sie 1934 neben seinem Landhaus, dem Pfaffenhof, erbauen. Ein altes Schwarz-Weiß-Bild zeigt das Anwesen inmitten von Wiesen und Wäldern. Ein paar Straßen gab es schon, aber von dem Unicampus war noch nichts zu sehen. „So herrschten damals noch beste Beobachtungsbedingungen“, sagte Martin Greitmann, kein Licht störte beim Blick in den Sternenhimmel. Hermann Fellmeth stattete seine Sternwarte mit zwei großen Teleskopen aus: einem sogenannten Cassegrain-Teleskop und einem Schupmann’schen Medial. Montiert wurden sie von der Firma Georg Tremel.

Doch nach seinem Tod fanden Fellmeths Erben keinen Käufer. Das Gebäude war ohnehin in einem desolaten Zustand, und so lag es nahe, die Sternwarte abzureißen und die Teleskope einem Museum zu schenken. „Zum Glück konnte das verhindert werden“, sagte Martin Greitmann. Die Erben schenkten die Sternwarte der Uni Stuttgart. Es gab nur eine Bedingung: Die Uni sollte sie wieder herrichten und für die Öffentlichkeit zugänglich machen. 1976 wurden die Renovierungsarbeiten abgeschlossen. Die „Freunde der Universität Stuttgart“ stifteten unter anderem Bücher und Sternkarten. Die Firma Zeiss in Oberkochen setzte die heruntergekommenen optischen Geräte wieder in Stand.

Die beiden Teleskope in der Sternwarte auf dem Unicampus in Vaihingen sind etwas Besonderes. „Das Schuppmann’sche Medial ist ein Unikat, es ist das größte funktionsfähige Schuppmann’sche Medial in Europa“, sagte Martin Greitmann. Ludwig Ignaz Schuppmann (1851 bis 1920) war Architekt und Universitätsprofessor in Aachen. Sein Hobby war die Astronomie. Zu seinen Lebzeiten wurden nur drei Instrumente dieser Art gebaut, wobei zwei im Krieg verloren gingen. Einzig das Medial, das sich heute in dem Turm am Pfaffenwaldring befindet, existiert noch. In den USA gibt es aber regelrechte Fangemeinden von Amateurastronomen, die selber Schuppmann-Mediale entwerfen und montieren. Gegen modernere Spiegelteleskope konnte sich das Schuppmann’sche Medial aber nie durchsetzen.

Das zweite Gerät ist ein Cassegrain-Teleskop und damit ein Spiegelteleskop. Der Franzose Laurent Cassegrain (circa 1629–1693) war katholischer Pfarrer und lehrte an einem Gymnasium in Chartres. Am 25. April 1672 publizierte er eine Arbeit über das nach ihm benannte Teleskop im „Journal des Scavans“, dem Organ der Pariser Akademie der Wissenschaften. Da nur wenige Jahre vorher auch das Newton-Teleskop sowie das Gregory-Teleskop erfunden worden waren, fand eine europaweite Diskussion über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Systeme statt.

Martin Greitmann weiß viel über die Funktionsweisen und technischen Besonderheiten der beiden Fernrohrtypen zu erzählen. Bei kleinen privaten Führungen wie der für den Bürgerverein Vaihingen-Rohr-Büsnau lässt er Interessierte an seinem umfangreichen Wissen teilhaben. Dann öffnet er auch das Dach der Sternwarte, dreht die Kuppel und richtet die Teleskope aus. Den Sternenhimmel beobachten kann man aber freilich erst tief in der Nacht, wenn die Studenten rundum die Lichter in ihren Zimmern ausgemacht haben. „Weil die Sternwarte inzwischen von Wohnheimen umgeben ist, haben sich wegen des Streulichts die Beobachtungsbedingungen drastisch verschlechtert“, saft Martin Greitmann. Zudem habe sich in den vergangenen drei Jahrzehnten seit der letzten Reinigung eine Staubschicht auf der Optik gebildet, die das eintreffende Bild streue und daher unscharf mache. Dies habe zur Folge, dass die Teleskope fast ausschließlich zur Planeten-, Mond- und seit Neustem auch Sonnenbeobachtung benutzt werden. Doch in diesem Bereich leisten sie nach wie vor hervorragende Arbeit.

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Erstellt:
13. Juni 2023, 22:06 Uhr

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