EU-Kommission
Streit über Melonis Mann in Brüssel
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat in Straßburg ihr Team vorgestellt. Für Aufregung sorgt vor allem eine Personalie aus Italien.
Von Knut Krohn
Ursula von der Leyen ist die Quadratur des Kreises geglückt. Die EU-Kommissionspräsidentin hat am Dienstag in Straßburg die 26 Namen der zukünftigen 15 Kommissare und 11 Kommissarinnen präsentiert. Immer wieder betonte die Deutsche, wie schwierig es gewesen sei, das Team zusammenzustellen. Es sei ein Puzzlespiel aus nationalen Interessen, Gender-Fragen oder auch geografischer und parteipolitischer Ausgewogenheit gewesen. „Nicht alle Forderungen konnten berücksichtigt werden“, erklärte Ursula von der Leyen.
Doch schon während der Präsentation meldeten sich die Kritiker zu Wort. Die größte Empörung gab es bei der Nennung des Namens von Raffaele Fitto. Wie jeder der 27 EU-Mitgliedsstaaten hat natürlich auch Italien das Recht auf einen Posten in der Kommission. Doch dass der Vertreter der postfaschistischen Partei Fratelli d’Italia ein Schlüsselressort bekommen und darüber hinaus noch einer der sechs geschäftsführenden Stellvertreter werden soll, war vor allem für die linken Parteien im Parlament zu viel der Ehre.
Giorgia Meloni sieht sich als Gewinnerin
Giorgia Meloni, Premierministerin und Parteichefin von Fratelli d’Italia, sprach dann auch aus, was viele Demokraten befürchten. „Italien spielt endlich wieder eine zentrale Rolle in Europa“, schrieb sie auf „X“. In Brüssel soll der 55-Jährige zuständig für Kohäsion und Reformen sein. Damit wird er auch über die Vergabe der milliardenschweren Regionalfördergelder der EU bestimmen, die rund ein Drittel des laufenden EU-Haushalts ausmachen. Das ist jener Geldtopf, aus dem vor allem das ärmere Süditalien sehr viel Unterstützung bekommt.
Geradezu empört reagierten die Grünen. „Der Vorschlag, Raffaele Fitto zum Exekutiven Vizepräsidenten zu ernennen, ist eine falsche Konzession an Giorgia Meloni und ihre postfaschistischen Brüder Italiens“, erklärte die Europaparlamentarierin Anna Cavazzini am Dienstag und sieht darin ein fatales politisches Signal. „Ursula von der Leyen setzt damit ein großes Fragezeichen hinter ihr Bestreben, die Europäische Union in den nächsten fünf Jahren politisch fest in der demokratischen Mitte zu verankern.“
Ähnlich äußern sich die Sozialdemokraten. Ursula von der Leyen mache sich unglaubwürdig, wenn sie einen Italiener zu ihrem Stellvertreter mache, dessen Chefin - Ministerpräsidentin Meloni - gegen von der Leyen gestimmt habe, sagt der Vorsitzende der Europa-SPD, René Repasi.
Unterschiedliche Bewertungen über Fitto
Wesentlich zurückhaltendere Bewertungen über den extrem-rechten Fitto kommen aus der konservativen EVP-Fraktion im Parlament, zu der auch CDU/CSU gehören. Betont wird, dass der 55-Jährige seine Karriere einst in christdemokratischen Volkspartei Democrazia Cristiana (DC) gestartet hat. Später schloss sich Fitto der Partei Forza Italia von Silvio Berlusconi an, wechselte dann aber in das Lager von Giorgia Meloni. Aus den Reihen der CDU wird betont, dass er gemäßigt und vor allem proeuropäisch sei.
EVP-Chef Manfred Weber (CSU), der zuletzt immer wieder den Kontakt zu Giorgia Meloni gesucht hat, bezeichnete ihn sogar als „Brückenbauer“. Er sei ohne Zweifel bestens geeignet, den Job zu machen, sagte er. Die Kommission müsse eine Kommission sein, die Europa zusammenführt. Und deswegen setze er sich offensiv dafür ein, dass Italien in der Kommission gut vertreten sei. Raffaele Fitto selbst ist in Brüssel bestens vernetzt, da er mehrere Jahre im Europaparlament saß.
Eine Demütigung für Ungarn
Für Genugtuung sorgte eine andere Personalie. Der ungarische Kandidat Oliver Varheyli soll das Ressort Gesundheit und Tierschutz übernehmen. Für den Mann, der bisher als EU-Kommissar für die Erweiterung zuständig war, ist das eine geradezu demütigende Degradierung. Allerdings agierte er bisher vor allem als Erfüllungsgehilfe von Ungarns Premierminister Viktor Orban, der mit seiner Blockadepolitik in zentralen Politikbereichen die EU bisweilen in die Handlungsunfähigkeit trieb.
Mehr als fraglich ist auch, ob Varheyli die nächste Hürde nimmt. Denn die Fachausschüsse im Europaparlament wollen die designierten Kommissarinnen und Kommissare bis Anfang November anhören und sie auf Tauglichkeit und Befangenheit prüfen. Erst danach wird die Kommission von den Abgeordneten als Ganze gewählt. In der Vergangenheit sind manche missliebigen Anwärter bei dieser Prozedur durchgefallen.