Strobl: „Es hätte Tote geben können“

Der Innenminister ist der Ansicht, dass die Gewalttäter bei den Ausschreitungen am Rande einer Eritrea-Veranstaltung im Römerkastell „nicht der Gemeinschaft angehören wollen“. Die Polizei hat weitere Verletzte zu beklagen, die Zahl steigt auf 31.

Ein massives Polizeiaufgebot musste angesichts der Gewaltexzesse einschreiten.

© Fotoagentur Stuttg/Andreas Rosar

Ein massives Polizeiaufgebot musste angesichts der Gewaltexzesse einschreiten.

Von Christine Bilger

Stuttgart - Am Montag ist der Hof des Römerkastells wieder aufgeräumt, die Spuren des Kampfes zwischen der Polizei und mehr als 200 gewaltbereiten Protestierenden sind entfernt. Sie waren bewaffnet angerückt, weil hinter verschlossenen Türen der Verband der eritreischen Vereine in Stuttgart eine politische Veranstaltung abhielt. Dieser gilt als regierungsnah, vor der Tür demonstrierten die Gegner des diktatorischen Regimes. Nun ist es wieder friedlich dort im Hallschlag, wo die Kreativbranche ihre Heimat gefunden hat.

Bei der Polizei merkt man die Auswirkungen noch deutlich: Auf 31 ist die Zahl der verletzten Einsatzkräfte zwei Tage nach den Ausschreitungen beim Römerkastell im Stadtteil Hallschlag gestiegen. „Und das können noch mehr werden“, sagt der Innenminister Thomas Strobl (CDU) bei einer Pressekonferenz am Ort des Geschehens. Denn es sei häufig der Fall, dass Einsatzkräfte erst später merkten, dass sie eine Verletzung erlitten haben. „Wenn der Adrenalinspiegel wieder sinkt“, so Strobl.

Der sei hoch gewesen am Samstag. Denn die Einsatzkräfte, zunächst gerade mal 20, hätten sich „einem Steinregen“ von den Protestierenden ausgesetzt gesehen. „Eine wahre Wand aus Steinen“, habe ihm eine Polizistin beschrieben, berichtet der Innenminister nach seinem Besuch im Polizeipräsidium am Montag.

Immer wieder kam am Wochenende auch die Frage auf, warum der als regimetreu geltende Verband in Stuttgart einen städtischen Raum bekam. Das hat eine Vorgeschichte. Denn der Verband ist nicht zum ersten Mal in Stuttgarts städtischen Gebäuden zu Gast. Passiert sei vor den Türen nie etwas. Vor gut einem Jahr sei der Verband auf das Schulverwaltungsamt zugekommen, das die Vermietung der Räume manage. Dort sei man hellhörig gewesen, sagt die Sprecherin der Stadt, Susanne Kaufmann. Man habe das Ordnungsamt und die Polizei eingeschaltet. Als Antwort kam, dass der Verfassungsschutz keine eritreischen Verbände oder Einzelpersonen beobachte. Das nahm man als Unbedenklichkeitsbescheinigung. Auf der Grundlage dieser Information – die das Landesamt für Verfassungsschutz auch ein Jahr später auf Anfrage unserer Zeitung genauso bestätigt – sei bei den nachfolgenden Anmietungen vorgegangen worden. Also nur vom Schulverwaltungsamt, ohne Einbeziehung anderer Ämter.

Der Verband hat auch die Veranstaltung am Samstag in Zuffenhausen angemeldet, von der noch nicht ganz klar ist, ob sie stattfinden wird. Klar ist nur: Versammlungen in geschlossenen Räumen bedürfen weder der Genehmigung noch der Anmeldung. Die Polizei werde dann mit einem deutlich größeren Aufgebot von Anfang an dabei sein, so die Organisatoren nicht zurückziehen, betonte der Polizeivizepräsident Carsten Höfler. Er weist Kritik am ursprünglichen Ansatz mit 20 Einsatzkräften zurück. Man habe Hinweise gehabt, dass es zu verbalen Protesten kommen könnte, dass man „vielleicht vereinzelt“ Teilnehmende an dem politischen Seminar in der Halle und Kritiker draußen auseinanderhalten müsste. Hinweise auf mögliche Gewalttaten, zumal in diesem Ausmaß, habe es nicht gegeben. Deswegen habe die Polizei im Vorfeld auch keine intensive Aufklärung betrieben – und so auch die Anreise der mehr als 200 Kritiker, 63 kamen aus der Schweiz, nicht beobachten können. Die 20 Beamtinnen und Beamte hätten ausgereicht, um den Eingang zu sichern, so Höfler. Am Samstag waren es rund 300 Einsatzkräfte, die der Gewalt ein Ende bereiten konnten.

„Respekt und Dank“ sprach Strobl den Polizistinnen und Polizisten aus, die „ein Blutbad verhindert“ hätten. Wenn die ersten 20 und später die Verstärkung nicht gewesen wären, hätte es „sicher Schwerverletzte und auch Tote geben können“, so der Minister.

Thomas Strobl verwies auf Artikel 8 des Grundgesetzes, um dann noch ein politisches Statement anzuhängen. Dieser Artikel garantiere friedliche und unbewaffnete Versammlungen unter freiem Himmel. Wer sich jedoch wie die Angreifer am Samstag verhalte und das nicht respektiere, dazu noch die Polizeibeamtinnen und -beamten angreife, der habe „gezeigt, dass er sich dieser Gemeinschaft nicht zugehörig fühlt und ihr auch nicht angehören will“, so der Innenminister. Die Begriffe Ausweisung und Abschiebung kamen dabei nicht vor.

Bislang sind 228 Tatverdächtige identifiziert. In Untersuchungshaft sitzt nur einer von ihnen. Bei dem 26-jährigen Eritreer liege ein konkreter Tatvorwurf vor sowie ein Haftgrund: Er war gesehen worden, wie er Steine auf die Polizei warf. Außerdem habe er keinen festen Wohnsitz. Der 26-Jährige sei auch in Gießen schon im Juli an den Krawallen beteiligt gewesen. Die Polizei hat die 20-köpfige Ermittlungsgruppe „Asmara“ eingesetzt, die nun die weiteren Taten aufarbeiten soll.

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Erstellt:
18. September 2023, 22:08 Uhr
Aktualisiert:
19. September 2023, 21:58 Uhr

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