Trickser trifft Täuscher

Der Handel zwischen Putin und Kim ist gefährlich. Das gilt sowohl für die Region als auch für die ganze Welt.

Putin erklärt Kim die Raketentechnik.

© AFP/MIKHAIL METZEL

Putin erklärt Kim die Raketentechnik.

Von Christian Gottschalk

Stuttgart. - Am Weltraumbahnhof Wostotschny ist Russland so gut wie zu Ende. Auf der einen Seite sind es rund 100 Kilometer bis nach China, auf der anderen ist es etwas weiter bis zum Ochotskischen Meer. Dass sich Russlands Präsident Wladimir Putin und sein nordkoreanischer Kollege Kim Jong-un ausgerechnet in Sichtweite der Raketenrampen freundlich die Hände schütteln, das ist durchaus als Botschaft zu verstehen. Kriegsherr Putin braucht Munition, die hat Nordkorea. Der dortige Diktator braucht Raketentechnik, die hat Russland. Der Ort des Treffens signalisiert: Genau um diese Themen geht es bei den Gesprächen.

Dass belastbare Details dieses Abkommens ans Licht kommen werden, ist unwahrscheinlich. Putin und Kim sind Trickser und Täuscher. Das gilt im Verhältnis zum Rest der Welt, insbesondere zum gemeinsamen Intimfeind, den USA. Das gilt aber auch für das Verhältnis untereinander. Die obersten Führer ihrer Nationen haben eher den Habitus von Mafiabossen denn von seriösen Staatenlenkern.

Dass man ihnen nicht trauen kann, haben beide schon des Öfteren unter Beweis gestellt. Wladimir Putin mag in Nordkorea einen gewissen Bonus haben, denn er hat das Verhältnis der Staaten massiv verbessert, das unter seinem Vorgänger Jelzin komplett zerrüttet gewesen ist. Tiefe Freundschaft und Vertrauen ist zwischen Pjöngjang und Moskau derweil nicht entstanden.

Gleichwohl wäre es ein gewaltiger Fehler, das Treffen als gewaltige Inszenierung zweier Selbstdarsteller abzutun. Kommt es wirklich zu dem Deal von nordkoreanischer Munition gegen russische Technik, dann steht das Gleichgewicht in der gesamten Region auf dem Spiel – und in der Folge könnte das ohnehin fragile Verhältnis zwischen westlicher und östlicher Welt noch brüchiger werden. Denn es gibt – neben den USA und seinen Verbündeten – einen wichtigen Akteur, dem der russisch-nordkoreanische Schulterschluss missfallen muss: China.

Das wiederum hat mit Japan zu tun. Kaum ein Land fühlt sich von Nordkorea so bedroht wie das Inselreich. Immer wieder schrillen dort die Alarmsirenen, wenn nordkoreanische Raketen zu Testzwecken in Richtung Nippon abgeschossen werden. Rüstet Nordkorea auf, dann muss auch Japan aufrüsten, und zwar gewaltig. Ein neues Dreierbündnis, welches vor wenigen Wochen zwischen Tokio, Washington und Seoul geschlossen worden ist, kann dabei nur der Anfang sein. Japan wird massiv in seine Streitkräfte investieren – und daran wiederum hat China selbstverständlich kein Interesse.

So wenig, wie China es mögen kann, dass Pjöngjang den Schulterschluss mit Russland sucht. Bisher hat alleine Peking das dortige Regime am Leben erhalten. Das hat der durchaus auch gegenüber China vorhandenen Aufmüpfigkeit Nordkoreas Grenzen gesetzt. Ein weiterer Unterstützer gefährdet den Status quo – doch mit dem Ist-Zustand ist Peking aus mehreren Gründen nicht unzufrieden. Zum einen braucht man Nordkorea als Puffer zu den US-Soldaten, die im Süden der koreanischen Halbinsel stationiert sind. Zum anderen besteht die Furcht, dass Millionen von verarmten Flüchtlingen nach China strömen könnten, wenn das Regime von Pjöngjang einmal am Ende ist.

Wenn Peking das russisch-nordkoreanische Techtelmechtel also schon nicht verhindern kann, dann wäre es aus seiner Sicht wohl am besten, sich an die Spitze der Bewegung zu setzen. Noch handelt es sich bei den drei Ländern eher um einen Block von Gegnern der USA. Das kann sich ändern. Ein ausgewachsenes Bündnis der Autokraten ist möglich. Es würde die Welt noch ein Stück weit gefährlicher machen.

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Erstellt:
13. September 2023, 22:10 Uhr
Aktualisiert:
14. September 2023, 22:05 Uhr

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