Volocopter
Bald kommen die Flugtaxis – Baden-Württemberg ganz vorne
Global tüfteln gut 200 Firmen an Flugtaxis. Ganz vorne wähnt sich Volocopter aus dem baden-württembergischen Bruchsal. 2024 soll dessen Volocity voll lizenziert fliegen – mit Präsident Emmanuel Macron als Passagier Nummer eins?

© volocopter
Soll bald keine Zukunftsmusik mehr sein – ein Volocity im Anflug.
Von Thomas Magenheim
Der Plan ist ehrgeizig, räumt der Chef des Lufttaxi-Start-ups Volocopter ein. „Aber wir werden auf jeden Fall als erstes Unternehmen weltweit mit Ausnahme Chinas zertifiziert und kommerziell fliegen“, verspricht Dirk Hoke. Zu den Olympischen Spielen Ende Juli 2024 in Paris soll es so weit sein. Eng werden könne es nur bei der Lizenz durch Europas Flugsicherheitsbehörde Easa, meint der frühere Siemens- und Airbus-Manager. „Es ist sehr eng getaktet“, gibt der 54-Jährige zu. Notfalls werde sein Flugtaxi Volocity in Paris per Sondererlaubnis abheben. Bei der Easa-Lizenz gehe es nur um Wochen. 2024 werde der elektrische Minihubschrauber definitiv voll lizenziert in den kommerziellen Betrieb gehen.
Das baden-württembergische Lufttaxi-Start-up werde damit das erste seiner Art sein, prognostiziert Hoke unerschütterlich. Eine bemerkenswerte Ansage ist das schon, weil weltweit über 200 Firmen senkrecht startende wie landende Elektrofluggeräte entwickeln und alle ähnliche Ziele verfolgen. Sie wollen innerstädtische Verkehre emissionsfrei revolutionieren und die Nase vorn haben. In den USA gelten die Flugtaxifirmen Joby und Archer als führend. In Deutschland ist Lilium aus Bayern ein Rivale.
Platz für nur einen Fluggast
Aber so konkret wie beim Volocity mit Paris ist es offiziell noch nirgendwo. „Wir wollen dort mit einem subventionierten Preis von zehn bis 15 Euro je Kilometer starten“, kündigt Hoke an. Transportstrecken bis zu 20 Kilometer von fünf Veriports genannten Start- und Landeplätzen peilt er an der Seine an. Der Volocity kann neben dem Piloten einen Passagier befördern. „Wenn ich mir etwas wünschen könnte, wäre Emmanuel Macron Passagier Nummer eins“, sagt der Volocopter-Chef. Hirngespinste sind das nicht. Frankreichs Staatspräsident gilt als innovationsfreundlicher Lufttaxi-Fan.
Vor den Augen der Welt erfolgreich über Paris mit einem derart prominenten Passagier im Lufttaxi zu fliegen wäre für die ganze gerade entstehende Hightech-Branche ein Fanal. Klar ist Experten aber auch, dass es nicht alle bis zum Erstflug schaffen werden. Das liegt vor allem an vielfach offener Finanzierung. Volocopter ist mit rund 600 Millionen Euro Investorengeld bis Ende dieses Jahres durchfinanziert. Für 2024 fehlen noch bis zu 250 Millionen Euro, räumt Hoke ein. Bauchschmerzen bereitet ihm das nicht. Es gebe Gespräche mit neuen wie bestehenden Investoren, die den 54-jährigen Hessen zuversichtlich stimmen.
Volocopter soll europäisch bleiben
„Volocopter will ein europäisches und deutsches Unternehmen bleiben“, verspricht er. Es sollen keine außereuropäischen Investoren in dominierendem Ausmaß einsteigen, soll das heißen. Speziell in Asien sitzt Geld für Lufttaxis lockerer als etwa hierzulande. Dennoch glaubt Volocopter, die ausgewogene Eignerstruktur beibehalten zu können. Die rund 50 Investoren des Start-ups verteilen sich zu 60 Prozent auf Europäer, darunter Mercedes-Benz, DB Schenker und die Volocopter-Gründer, 25 Prozent Asiaten wie Geely und 15 Prozent US-Firmen wie Microsoft oder Intel. Einen dominierenden Großaktionär gibt es nicht. Technisch sieht Hoke ohnehin keine Hürden mehr, zumindest für sein Unternehmen. „Wir werden so sicher fliegen wie ein Airbus“, verspricht er und meint damit die Einhaltung von Flugsicherheitsstandards wie in der da sehr anspruchsvollen zivilen Luftfahrt.
Auch kommerziell glaubt der Volocopter-Chef über ein Geschäftsmodell zu verfügen, das sich am Markt durchsetzen kann. Kein Nachteil sei es, dass der Volocity nur einen Passagier befördern kann, während etwa Lilium – wenn auch geplant erst Ende 2025 – mit sechs Fluggästen abheben will. Zum einen sei ein eigener Vier- bis Fünfsitzer bis 2026 in Arbeit. Zum anderen will Hoke abwarten, ob Konkurrenten ihre Versprechen am Ende auch fristgerecht einhalten.
Volocopter hat neben Paris Flugstrecken in Rom, dem japanischen Osaka und in Saudi-Arabien konkret im Blick. „Ich könnte mir vorstellen, ab 2025 auch in Baden-Württemberg zu fliegen“, ergänzt Hoke. Es gebe Gespräche dazu. Konkret werden könne er noch nicht. Schon 2024 will der ADAC in Deutschland mit zwei Volocities für die Notfallrettung einen Testbetrieb aufnehmen.
Ein Preis von vier Euro pro Kilometer
Um all diese Pläne auch Realität werden zu lassen, sollen am Firmensitz Bruchsal anfangs im Einschichtbetrieb mit 700 Beschäftigten rund 50 Flugtaxis jährlich gebaut werden. Im Bedarfsfall könne das schnell auf zwei bis drei Schichten erweitert werden, sagt Hoke. 435 Volocities seien bislang vorgeordert. Bei Lilium sind es mit 740 Elektro-Jets deutlich mehr. „Vorbestellungen, oftmals mit deftigem Kleingedrucktem, sind keine relevante Größe“, sagt Hoke. Sie sind vielfach an das Einhalten von Leistungsversprechen und Zeitplänen geknüpft, heißt das. Orderbücher können hinfällig werden, wenn etwas nicht wie geplant klappt.
Für das eigene Haus hat der Volocopter-Chef keine Bedenken. „Wir sind am weitesten fortgeschritten“, ist er sich sicher und sieht als eigentlich offene Flanke den Faktor Fluggast. „Es geht darum, öffentliche Zustimmung und Menschen zu gewinnen, neue Technik wird nicht immer gleich umarmt“, sagt Hoke. Speziell in Deutschland sei das so. Eisbrecher könnten da Flugtaxipreise von vier Euro je Kilometer spielen. „Das sehe ich bis Ende dieses Jahrzehnts als erreichbar an“, meint der Volocopter-Chef zuversichtlich.
Volocopter
FlugtaxiVolocopter wurde vom Softwareentwickler Stephan Wolf, seinem Jugendfreund Alexander Zosel und dem Physiker Thomas Senkel 2011 gegründet. Binnen zwölf Jahren entwickelte das Start-up ein senkrecht startendes wie landendes Flugtaxi, das optisch einem Minihubschrauber ähnelt.
Reichweite Das erste zweisitzige Modell Volocity zielt auf innerstädtischen Taxibetrieb und Reichweiten von 20 Kilometern. Das kleinflugzeugähnliche Modell Voloregion soll dann bis zu 100 Kilometer weit elektrisch fliegen und fünf Personen befördern können. tmh
KonkurrenzDer bayerische Konkurrent Lilium peilt von Anfang an Distanzen von über 150 Kilometern, damit nicht innerstädtischen, sondern regionalen Verkehr auch zwischen Städten und damit ein anderes Marktsegment an. Der ebenfalls elektrische Lilium-Jet mit sieben Sitzplätzen und 175 Kilometer Reichweite ähnelt einem Flugzeug. Er soll Ende 2025 kommerziell in Betrieb gehen und damit gut ein Jahr später als der Volocity. In direkter Konkurrenz stehen würden beide Start-ups dann ab 2026, wenn der Voloregion an den Start gehen soll.