CDU bringt mithilfe der AfD Antrag durch

War das der „Pakt mit dem Teufel“ oder normale Parlamentsarbeit?

Die CDU hat in Thüringen eine Gesetzesänderung zur Grunderwerbsteuer durchgebracht – mit Stimmen der AfD. Wie funktionieren die Thüringer Verhältnisse? Und: Was bedeutet das Vorgehen der CDU? Alles Wichtige in Fragen und Antworten.

Björn Höcke ist Chef der AfD-Landtagsfraktion in Thüringen.

© dpa/Martin Schutt

Björn Höcke ist Chef der AfD-Landtagsfraktion in Thüringen.

Von Tobias Peter

Die CDU in Thüringen hat jetzt im Landtag einen Antrag zur Senkung der Grunderwerbsteuer durchgesetzt – mit den Stimmen von FDP und der rechtsextremen AfD. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow hatte die CDU zuvor vor einem „Pakt mit dem Teufel“ gewarnt. Doch was ist genau passiert – und was bedeutet es? Dazu die wichtigsten Fragen und Antworten.

Was hat der Thüringer Landtag exakt beschlossen?

Bislang beträgt die Grunderwerbsteuer in Thüringen 6,5 Prozent. Das ist – wenn auch gemeinsam mit mehreren anderen Bundesländern – der höchste Satz in der Bundesrepublik. Zum Vergleich: In Sachsen liegt der Satz bei 5,5 Prozent, in Baden-Württemberg sind es 5 Prozent und in Bayern 3,5 Prozent. Die CDU erklärt, sie wolle mit der Senkung junge Familien entlasten, die sich Wohneigentum zulegen wollen. Die rot-rot-grüne Regierungskoalition fürchtet das Loch in ihrem Haushalt – und kritisiert, profitieren würden insbesondere Immobilienkonzerne.

Warum ist die Aufregung über die Entscheidung so groß?

Die CDU, die im Thüringer Landtag in der Opposition sitzt, hat die Gesetzesänderung lediglich mit den Stimmen der AfD durchbekommen. Die AfD hat sich in den zehn Jahren seit ihrer Gründung immer weiter radikalisiert. Ihr Thüringer Verband – geführt von Björn Höcke – gilt als eindeutig rechtsextrem. Friedrich Merz hatte vor seiner Wahl zum CDU-Chef versprochen, mit ihm werde es eine Brandmauer zur AfD geben. „Die Landesverbände, vor allem im Osten, bekommen von uns eine glasklare Ansage: Wenn irgendjemand von uns die Hand hebt, um mit der AfD zusammenzuarbeiten, dann steht am nächsten Tag ein Parteiausschlussverfahren an“ , sagte er damals.

Wie reagieren die anderen Parteien nun auf die Entscheidung in Thüringen?

SPD, Grüne und Linke sind empört. „Die CDU in Thüringen paktiert mit einer Partei, die vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wird und deren Chef sich aktuell für die Verwendung von Nazi-Vokabular vor Gericht verantworten muss“, sagte SPD-Chefin Saskia Esken unserer Redaktion. „Die AfD ist keine normale Partei, mit der man gemeinsam politische Ziele durchsetzt, sondern eine Gefahr für Deutschland und unsere Demokratie“, fügte sie hinzu. Saskia Esken fragt: „Wie viel ist das Wort von Friedrich Merz in der CDU noch wert, und wo bleibt der Aufschrei innerhalb der Union?“ Die AfD feiert die Geschehnisse von Thüringen als Erfolg – „Die Brandmauer ist Geschichte“, verkündet AfD-Chefin Alice Weidel.

Und was sagt Friedrich Merz?

Merz hat bereits vor der Abstimmung argumentiert, es handele sich nicht um eine Zusammenarbeit. Seine Erklärung ist, die CDU müsse als Oppositionsfraktion in der Lage sein, eigenständig Anträge einzubringen. Für die Thüringer CDU ist die Sache ohnehin klar. „Ich kann nicht gute, wichtige Entscheidungen für den Freistaat, die Entlastung für Familien und der Wirtschaft, davon abhängig machen, dass die Falschen zustimmen könnten“, sagt Mario Voigt, der in Thüringen an der Spitze von Partei und Fraktion steht.

Ist das, was in Thüringen passiert ist, eine Zusammenarbeit von CDU und AfD oder nicht?

Das ist eine politische Bewertungsfrage, die – wie sich gerade zeigt – von der CDU auf der einen und Linke, SPD und Grünen auf der anderen Seite unterschiedlich ausgelegt wird. Die CDU argumentiert, es habe keine Absprache mit der AfD gegeben. Die andere Seite hält dagegen, die CDU nehme die Zustimmung der AfD gern in Kauf. 

Hat die Minderheitsregierung aus Linke, Grünen und FDP noch nie von den Stimmen der AfD profitiert?

Die CDU weist darauf hin, dass die AfD im Landtag bei der Änderung des Auftrags für einen Untersuchungsausschuss bereits gemeinsam mit Rot-Rot-Grün gestimmt habe. Der Untersuchungsausschuss soll Fragen zur Personalpolitik der Landesregierung aufklären. Dabei geht es darum, ob bei Einstellungen der Grundsatz der Bestenauslese ignoriert wurde. CDU und FDP wollten dies für Rot-Rot-Grün untersuchen. Die Minderheitsregierung konterte mit dem Plan, auch CDU-geführte Vorgängerregierungen einzubeziehen. Das fand auch die AfD unterstützenswert. Darüber, ob die rot-rot-grüne Minderheitsregierung bei einer Änderung der Kommunalordnung auf Stimmen der AfD angewiesen gewesen ist, gibt es unterschiedliche Auffassungen.

Warum gibt es in Thüringen überhaupt eine Minderheitsregierung?

Die Wähler in Thüringen haben der Politik ein höchst kompliziertes Wahlergebnis beschert. Die stärkste Partei ist die Linke, sie ist als einzige im Landtag über 30 Prozent gekommen. Auch mit SPD und Grünen reicht es nicht zu einer Mehrheit aus. Linke und CDU hätten gemeinsam eine Mehrheit. Die CDU hat als Bundespartei aber eine Beschlusslage, nach der sie weder mit der Linken noch der AfD koaliert. Bei der Ministerpräsidentenwahl gab es im dritten Wahlgang plötzlich eine Mehrheit für den FDP-Kandidaten Thomas Kemmerich. Er erhielt die Stimmen von CDU, FDP und AfD – und nahm die Wahl auch an. Nach massiver öffentlicher Empörung trat Kemmerich dann doch zurück. Bodo Ramelow wurde erneut Ministerpräsident – ist aber mit seiner Minderheitsregierung im parlamentarischen Alltag auf Unterstützung von CDU oder FDP angewiesen.

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Erstellt:
16. September 2023, 00:14 Uhr

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