Was Guirassy am VfB schätzt

Die zeitlich begrenzte Ausstiegsklausel des Mittelstürmers ist ausgelaufen. Dennoch ist nicht sicher, ob der 27-Jährige über den 1. September hinaus in Stuttgart bleibt – aber die Chancen steigen.

Von Carlos Ubina

Stuttgart - Das Gute an Serhou Guirassy ist ja, dass er aus nahezu jeder Position treffen kann – mit nahezu jedem Körperteil, der dafür beim Fußball infrage kommt. Mit dem rechten und linken Fuß, per Kopf, auch mal mit dem Knie, wenn es sein muss. Ganz gleich, von welcher Seite das Spielgerät zugepasst wird und in welcher Höhe es angeflogen kommt. Der Strafraum ist Guirassys Toprevier, und seine Mitspieler vom VfB Stuttgart versuchen den Mittelstürmer dort so häufig wie möglich in Szene zu setzen. Denn damit erhöht sich die Erfolgswahrscheinlichkeit des Bundesligisten.

Guirassy weiß diese Bedeutung im Stuttgarter Spiel zu schätzen. Sehr gut sogar, wenn man sich auf dem Vereinsgelände an der Mercedesstraße in Bad Cannstatt umhört. Der 27-Jährige fühlt sich wohl – im Club, im Team und in der Stadt. Weiche Standortfaktoren sind das für den umworbenen Angreifer, der Teil der schwäbischen French Connection beim VfB ist. Und solange die harten Argumente nicht für einen anderen Arbeitgeber sprechen, bleibt er.

Nach Informationen unserer Redaktion ist die Ausstiegsklausel in Guirassys bis 2026 laufendem Vertrag ausgelaufen. Bis vergangenen Donnerstag hätte sie gezogen werden können, doch kein Club hat von ihr Gebrauch gemacht. Für 15 bis 18 Millionen Euro hätten die Stuttgarter ihren wertvollsten Stürmer dann ziehen lassen müssen. Ohne jeden Verhandlungsspielraum.

Mit Ajax Amsterdam und Bayer Leverkusen gab es wohl Interessenten. Doch Guirassy zieht es nach England. Zudem sieht sich der Nationalspieler Guineas an einem Punkt in seiner Karriere, an dem er dauerhaft spielen und Tore erzielen will. Bei vielen Clubs der Premier League wartet starke Konkurrenz, in Stuttgart steht er dagegen unangetastet im Zentrum des Sturms. „Wir haben ein paar Argumente, warum es auch ganz schön sein könnte, hierzubleiben“, sagt Sebastian Hoeneß, „wir haben Qualität in der Mannschaft. Das sieht er auch.“

Nun kann der Trainer über die Begegnung im DFB-Pokal an diesem Samstag (13 Uhr) in Reutlingen gegen den Regionalligisten TSG Balingen hinaus erst einmal mit dem wuchtigen und spielstarken Torjäger planen. Was nicht bedeutet, dass Guirassy bis zum Transferschluss am 1. September nicht vielleicht doch bei einem anderen Verein unterschreibt. Aber das Heft des Handelns hält jetzt der VfB in der Hand.

Die Ablösesumme ist frei verhandelbar, und der Sportdirektor Fabian Wohlgemuth hat bereits verdeutlicht, dass er die Offensivkraft halten will. Trotz der Vorgabe, dass die Stuttgarter einen Transferüberschuss erzielen wollen. Um die 20 Millionen Euro sollen es sein. Im Grunde verhält es sich im Fall Guirassy nun wie bei Hiroki Ito. Sowohl der in Frankreich geborene Stürmer als auch der japanische Verteidiger gelten als fester Bestandteil des Kaders – allein ein immens hohes Angebot würde die VfB-Verantwortlichen ins Grübeln bringen.

Kein Spieler trägt das Etikett unverkäuflich. Neuerdings nicht einmal der Spitzenverdiener Guirassy, der mehr als drei Millionen Euro im Jahr verdienen soll. So viel plus die knapp zehn Millionen Euro an Ablöse an Stade Rennes und eine Ausstiegsklausel war den Stuttgartern die fixe Verpflichtung des Mannes mit der Rückennummer Neun wert. Vollzogen im vergangenen Mai unmittelbar vor der Relegation gegen den Hamburger SV. Verbunden ist damit noch immer die Hoffnung, ihn mindestens eine Saison lang halten zu können – oder im Zweifel von einem Wechsel finanziell zu profitieren.

„Business-Case“, nennt sich Zweiteres in der Branche. Zu einem reinen Geschäft kann Guirassys Vertragsverlängerung immer noch werden, wenn nicht andere VfB-Profis verkauft werden. Konstantinos Mavropanos und Borna Sosa werden seit Längerem als potenzielle Abgänge gehandelt. Nur: Bisher liegen keine konkreten Angebote für die beiden Abwehrspieler auf dem Tisch.

Die Einnahmen sind jedoch einkalkuliert – auch nach den Millionendeals mit Porsche als geplantem Investor und dem neuen Hauptsponsor Winamax. Zum einen ist der Einstieg des Sportwagenherstellers, der in einer ersten Tranche 20 Millionen Euro bringen soll, noch nicht vollzogen. Zum anderen kompensiert der VfB mit dem Trikotsponsor aus Frankreich (bis zu 8,5 Millionen Euro jährlich) den Ausstieg der Mercedes-Benz-Bank als bisherigem Partner.

Umstände, die Hoeneß die Arbeit mit der Mannschaft erschweren, weil sie weiter von Ungewissheiten geprägt ist. Noch immer können den Stuttgartern wichtige Spieler abhandenkommen, nicht zuletzt Guirassy. Aber der Trainer gibt sich optimistisch. Seine Elf spiele einen Fußball, der zu den Fähigkeiten des Stürmers passe. „Wir sollten uns nicht kleiner machen, als wir sind“, sagt Hoeneß und will Guirassy weiter als feste Größe in seiner Mannschaft haben.

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Erstellt:
11. August 2023, 22:10 Uhr

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