Markus Lanz über Koalitionen im Osten

„Wenn über allem die Wagenknecht schwebt…“

Im ZDF-Talk kritisiert die CDU-Vizevorsitzende Karin Prien das BSW als „Kaderpartei mit Personenkult“. Mit ihrer Aversion gegen Sahra Wagenknecht ist sie nicht allein.

Markus Lanz mir Karien Prien, als die CDU-Politikerin im April diesen Jahres bereits in seiner Talkshow zu Gast war. (Archivbild)

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Markus Lanz mir Karien Prien, als die CDU-Politikerin im April diesen Jahres bereits in seiner Talkshow zu Gast war. (Archivbild)

Von Christoph Link

Über die Folgen der Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen hat Markus Lanz am Dienstagabend im ZDF diskutieren lassen und zeitweise glitt die Debatte dermaßen ins Weltpolitische ab, dass es Widerstand der Studiogäste gab.

Beispielsweise bei der Frage, inwieweit die USA den INF-Abrüstungsvertrag im Jahr 2019 zu Recht kündigten oder nicht, bei der Karin Prien, stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende und Bildungsministerin in Schleswig-Holstein dann doch mal nachhakte: „Was hat denn das jetzt mit Thüringen zu tun?“

Schulmeister Markus Lanz

Sehr viel, entgegnete daraufhin Moderator Markus Lanz in seiner schulmeisterlichen Art und erinnerte daran, dass es ja die Wahlgewinnerin und vermutliche Königsmacherin in Sachsen und Thüringen, Sahra Wagenknecht, gewesen sei, die die Außenpolitik – namentlich eine diplomatische Lösung im Ukraine-Krieg und ihr Nein zu einer Stationierung von US-Tomahawk in Deutschland – zur Bedingungen für landespolitische Bündnisse gemacht habe.

Karin Prien konstatierte, dass sich ihre CDU sowohl in Sachsen als auch Thüringen in einem Dilemma befinde: „Wir sind dort ja die einzige Partei in der Mitte, die anderen finden ja faktisch nicht mehr statt, oder es sind Parteien, mit denen man nichts zu tun haben will.“ Keinen Hehl macht die CDU-Landesministerin daraus, dass sie auch mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) – mit denen die CDU sowohl in Dresden als auch in Erfurt verhandeln will – am liebsten nichts zu tun hätte.

Das BSW sei eine „Kaderpartei mit Personenkult“, es habe eine Nähe zu Russland, sei auf Distanz zur Nato und zur EU und pflege einen Antiamerikanismus. Trotzdem müsse man die Lage sehen, wonach die AfD ( „unsere Ablehnung gegen die ist bockfest“) in Thüringen auf fast 33 Prozent gekommen sei und das BSW auf über 15 Prozent. „Damit müssen wir umgehen.“ Von ehernen Prinzipien der CDU – etwa der Westbindung – könne und werde sich die Partei aber nicht verabschieden. Andererseits wolle man den Landesverbänden auch „keine klugen Ratschläge“ geben.

„Wagenknecht hetzt“

Ins Horn der Wagenknecht-Kritiker blies auch der Friedensforscher Jan van Aken, Ex-Linken-Bundestagsabgeordneter und Kandidat für den neuen Linken-Bundesvorsitz, über den im Oktober entschieden wird. Wagenknecht sei eine Politikerin, die ihr Fähnchen nach dem Wind hänge, beispielsweise führe sie jetzt einen „fremdenfeindlichen Diskurs“ und hetze gegen Ausländer, so van Aken. Früher habe sie anders gesprochen.

Außenpolitisch war van Aken aber von Sahra Wagenknecht nicht so weit entfernt, auch er sprach sich im Ukrainekriege für eine Verhandlungslösung über die Vermittlung von China oder Brasilien aus, einem Gesprächsangebot von einem Freund wie China könne sich Russland nicht entziehen. Skeptisch zum Friedenskurs von Wagenknecht äußerte sich allerdings der Musiker Sebastian Krumbiegel („Ich bin der einzige Ossi in dieser Runde“), der Putin habe ja bisher „alle verarscht“, mit so einem Mann könne man nicht verhandeln.

Umlackierte Linke im BSW

Zur Innenpolitik zurück führte die Journalistin Kerstin Münstermann („Rheinische Post“), die bemerkte, es werde schwierig für die Koalitionsgespräche in Sachsen und Thüringen, „wenn über allem Sahra Wagenknecht schwebt“, die baue da vermutlich eine Brücke auf, „über die man nicht gehen kann“. Münstermann kritisierte besonders heftig aber die CDU-Spitze in Berlin, die noch an ihrem Unvereinbarkeitsbeschluss gegenüber der Linkspartei festhalte, gleichzeitig aber Bündnisse mit dem BSW erlauben will.

Das sei doch „völliger Humbug“, sie wisse nicht, wie man das den Menschen vermitteln wolle. In Thüringen habe der Linken-Ministerpräsident Bodo Ramelow gemeinsam mit der CDU die Haushalte für das Land aufgestellt und gut kooperiert, auf der anderen Seite sei das BSW doch eine Linkspartei 2.0 und die führenden BSW-Politikerinnen in Thüringen und Sachsen, Katja Wolf und Sabine Zimmermann, seien doch „umlackierte Linke“.

Also, wenn mit dem BSW, warum dann nicht auch mit der Linken? Münstermann ist der Ansicht, dass CDU-Parteichef am Montag eine Chance vertan hatte, da er in der Frage keinen Kurswechsel verkündete. Die Debatte driftete dann auf einige Nebenschauplätze ab, etwa zur umstrittenen Äußerung von Merz, dass „kleine Paschas“ in bestimmten Kulturkreisen auch in Deutschland groß gezogen werden, woraufhin van Aken bemerkte, dass Friedrich Merz doch selbst einer der größten Paschas sei und es auch deutsche Jungen gebe, die problematische Frauenbilder in sich trügen. Von Karin Prien musste sich van Akten dann vorwerfen lassen, er tue ja so, als ob es keine Integrationsprobleme gebe.

Existenzängste plagen Bürger

Für van Aken sind die jedenfalls nicht zentral. Er verstehe gar nicht, warum ständig von illegaler Migration geredet werde, das sei ein Kampfbegriff der Rechten, der jetzt von anderen Parteien übernommen werde. Das Grundgesetz gewähre das Recht auf Asyl, Menschen in Not hätten ein Recht hierher zu kommen und Asyl zu beantragen: „Daran ist nichts illegal.“ Die AfD habe mit ihrem Diskurs die anderen Parteien „am Nasenring“ durch die Manege geführt, aber alle härteren Regeln, die jetzt gegen Migranten diskutiert werden, zahlten nur aufs Konto der AfD ein. „Alle reden über Migration, aber es gibt doch schlimmere Probleme.“

Im thüringischen Landkreis Sonneberg stelle Migration beispielsweise gar kein Problem dar, aber 44 Prozent der Beschäftigten erhielten dort den Mindestlohn, bundesweit der Spitzenwert, da gebe es schlichtweg Existenzängste. Im Wahlkreis Sonneberg 1 erzielte die AFD übrigens gut 40 Prozent, das BSW gut 15 Prozent. Markus Lanz sagte zu, in seiner nächsten Sendung (Mittwoch) auch Vertreter dieser beiden Parteien einzuladen.

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Erstellt:
4. September 2024, 07:52 Uhr

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