Werner Hansch wirft dem VfB Verrat an der Jugend vor

Der frühere Kult-Sportreporter war lange spielsüchtig. Nun übt er scharfe Kritik am VfB Stuttgart wegen der Wahl des Hauptsponsors.

Von Florian Dürr

Stuttgart - Werner Hansch war Gefangener seiner Spielsucht – fast zehn Jahre lang ging er „durch die Hölle“. Mit Pferdewetten verlor der Kultreporter vieles, was ihm wichtig war: Lebensgefährtin, Haus, Freunde. Von Letzteren lieh er sich Geld, um es zu verzocken und die Kassen der Glücksspielanbieter zu füllen. Die Zeiten als gefeierter Sportkommentator waren vorbei.

Heute warnt der Mann, der am Mittwoch seinen 85. Geburtstag feierte, vor den Gefahren des Glücksspiels, andere sollen nicht die gleichen Fehler machen wie er. Doch ausgerechnet Hanschs geliebter Fußball unterstützt immer mehr den Gegner, von dem die Gefahr ausgeht. „Ich kann das nur bedauern, dass der Fußball sich mit den Wettanbietern verbrüdert hat. Es ist so traurig, dass man es gar nicht beschreiben kann“, sagt Hansch. Kaum eine Sportsendung könne man als Fußballfan noch ohne Werbung für Sportwetten verfolgen.

Dass der Fußball-Bundesligist VfB Stuttgart zuletzt mit Winamax einen neuen Hauptsponsor aus der Glücksspielbranche präsentierte, dessen Name auf dem Brustring des Trikots prangt, macht Hansch fassungslos: „Der VfB hat seine Glaubwürdigkeit verloren – und seine Jugend verraten“, sagt er und erklärt es an einem Beispiel: „Stellen Sie sich vor, Sie sind VfB-Jugendtrainer und erzählen Ihren Spielern etwas von Werten, dass sie sich von Drogen und Glücksspiel fernhalten sollten. Dann werden Ihnen die Jungs entgegenhalten, was sie jeden Tag auf dem Brustring sehen.“

Die jungen Fans und Spieler des Vereins seien der Werbung und der damit verbundenen Versuchung ausgeliefert – und besonders gefährdet. „Ein Teil der jungen Leute wird sich in der Suchtschleife verfangen, das ist den Verantwortlichen des VfB offenbar egal“, kritisiert Hansch. Dass der Club aus Cannstatt die Kindertrikots mit „Stuttgart“ beschriftet anstelle des Namens des neuen Hauptsponsors, macht es für Hansch nicht besser: „Da hatte wohl jemand ein schlechtes Gewissen, aber das ist nur Makulatur. Die Kinder können lesen, was bei den Großen auf dem Trikot steht“, sagt der frühere Reporter.

Hansch weiß, wie es ist, wenn man erst einmal in den Fängen der Spielsucht steckt: „Das ist etwas ganz Fürchterliches“, sagt er. Bei keiner anderen Sucht sei der wirtschaftliche Verlust so schnell so hoch. Bei kaum einer anderen Sucht gehe es so schnell „ums Überleben“, sagt er.

1,4 Millionen Menschen in Deutschland gelten als spielsüchtig, berichtete zuletzt Burkhard Blienert, der Drogen- und Suchtbeauftragte der Bundesregierung. Weitere drei Millionen Menschen zeigten riskantes Spielverhalten. In der „Süddeutschen Zeitung“ forderte der SPD-Politiker die Verantwortlichen im deutschen Profifußball auf, nicht mehr für Sportwetten zu werben: „Die Nähe von Sport und Suchtfolgen passt für mich nicht zusammen.“

Werner Hansch hat seine Spielsucht vor drei Jahren öffentlich gemacht, seitdem ist er auch ehrenamtlicher Botschafter des bundesweiten Fachverbandes Glücksspielsucht. Der Kultreporter hat die anerkannte Krankheit mithilfe einer Therapie und Gesprächen in Selbsthilfegruppen überwunden. Heute will er, dass die Spielsucht bei anderen erst gar nicht ausbricht. Zudem setzt sich Hansch mit seinem Start-up „Zockerhelden“ dafür ein, dass Betroffene ihre Glücksspielverluste von illegalen Online-Casinos oder Online-Sportwetten zurückbekommen.

Ein Kompliment macht Hansch unterdessen den VfB-Ultras, die in der ersten Runde des DFB-Pokals beim 4:0-Sieg der Stuttgarter über die TSG Balingen mit einem Banner gegen den neuen Hauptsponsor protestiert haben. „Ich kann dem VfB nur gratulieren, dass er solche Fans hat. Jeden Einzelnen, der da mitgewirkt hat, möchte ich umarmen.“

Der Fußball könne mit seinem Stellenwert in der Gesellschaft eigentlich „wunderbar als Präventionsebene“ funktionieren, sagt Hansch. Doch derzeit passiere das Gegenteil – und der VfB Stuttgart mache mit.

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Erstellt:
16. August 2023, 22:06 Uhr
Aktualisiert:
16. August 2023, 23:24 Uhr

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