Wie gut ist Nübel wirklich?

Der Neue im VfB-Tor war einst der meistgehypte Keeper Deutschlands. Nach zwei Jahren in Monaco ist es ruhig geworden um Alexander Nübel. Die Einschätzungen zu seiner Klasse fallen unterschiedlich aus.

 

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Von Gregor Preiß und David Scheu

Stuttgart - Am Wochenende wurden in München die letzten Details des Deals verhandelt, dann war klar: Alexander Nübel wechselt für ein Jahr zum VfB Stuttgart. An diesem Dienstag soll der 26-Jährige den Medizincheck bestreiten, anschließend der Transfer bekannt gegeben werden. Die Leihgebühr beträgt eine Million Euro, Nübel nimmt Abstriche beim Gehalt in Kauf. Am Mittwoch wird er bereits ins VfB-Training einsteigen.

Eine Saison lang soll der gebürtige Paderborner den Fußball-Bundesligisten verstärken. Nicht als offizielle Nummer eins – die symbolkräftige Rückennummer hatte sich bereits Fabian Bredlow gesichert –, aber als sehr wahrscheinliche neue Stammkraft. Auch wenn der VfB aus Gründen der Fairness den Konkurrenzkampf im Tor für offen erklären wird.

Ohne die Aussicht auf verlässliche Spielpraxis wäre der Keeper, der noch bis 2025 beim FC Bayern unter Vertrag steht und der in den vergangenen zwei Jahren an die AS Monaco ausgeliehen war, jedoch kaum nach Stuttgart gewechselt. In seiner Heimat will sich der schon vor Jahren zum Nachfolger von Manuel Neuer auserkorene Torhüter in Erinnerung rufen und neu beweisen. Denn zuletzt ist es ruhiger geworden um Nübel.

Rückblick: Nach seiner furiosen Zeit auf Schalke, die ihn 2020 zum FC Bayern führte, begleiteten Nübel beständig Schlagzeilen über die Neuer-Nachfolge. Doch zum Einsatz kam der damals meistgehypte deutsche Torhüter so gut wie nie. Weshalb sich Nübel 2021 zum Wechsel in die Ligue 1 entschloss.

Die deutsche Torhüterhoffnung für zwei Lehrjahre bei einem europäischen Spitzenclub: Das schien zu passen. Doch die Erwartungen haben sich nur bedingt erfüllt. Statt wie gewohnt in der Champions League traten die Monegassen in den vergangenen beiden Jahren nur in der Europa League an. Wo Nübel zwar immer im Tor stand – aber gemischte Kritiken erhielt. „Unterm Strich ist er hinter den Erwartungen zurückgeblieben“, sagt der Journalist Christopher Roux, der als AS-Reporter für den „Monaco Matin“ arbeitet. „Letztlich hat er nur selten ein Spiel für die Mannschaft gewonnen. Schon gar kein wichtiges.“

In seiner Beurteilung schwingt die Enttäuschung über die gesamte Mannschaftsleistung mit. Als Sechster verpasste Monaco zuletzt den Einzug ins internationale Geschäft. „Nübel hatte seinen Anteil“, urteilt Roux, „aber natürlich nicht nur er.“ Stärken auf der Linie – ja. Als größte Schwäche identifizierte der Beobachter dafür die Strafraumbeherrschung des 1,93-Meter-Hünen. „Alex hat seine Abwehr wenig entlastet und blieb zu oft auf der Linie kleben. Erst am Ende der Saison kam er öfter aus dem Tor.“

Zu einem ähnlichen Urteil gelangt Alexis Menuge. „Seine Leistungen waren schwankend, weshalb er in Frankreich kritisch beäugt wurde. Viele fragten sich, wie Bayern ihn damals holen konnte“, sagt der DAZN-Experte für die französische Liga. Menuge missfiel zudem Nübels Körpersprache. „Brust raus hat man bei ihm selten gesehen. Meist hat er nach Gegentoren den Kopf hängen gelassen.“

Schwächen in der Strafraumbeherrschung waren es, die auch Vorgänger Florian Müller immer wieder zur Last gelegt wurden und wo auch Fabian Bredlow nicht sattelfest wirkt. Ist Alexander Nübel also wirklich die erhoffte Verstärkung für den VfB?

Daran glaubt zumindest Marc Ziegler. Der Torwartkoordinator des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) kennt Nübel gut aus den U-Mannschaften. Zieglers Urteil: „Er ist ein kompletter Torhüter, der fußballerisch brutal viel mitbringt und zuletzt im Ausland an Reife gewonnen hat.“ Darauf baut auch Nübel selbst, der Anfang dieses Jahres im ZDF seine Frankreich-Erfahrung ins Feld führte: „In der Persönlichkeitsentwicklung mache ich gerade Fortschritte. Das erste Mal im Ausland, alleine dort, das ist eine neue Erfahrung.“

Angesprochen auf seine eher introvertierte Art antwortete Nübel: „Das wirkt nach außen vielleicht ein bisschen kälter. Vielleicht kommt das arrogant rüber, ist es aber nicht. Ich bin eher fokussiert.“ Auch Ziegler, der früher selbst für den VfB zwischen den Pfosten stand, sieht hier keine Schwäche und betont: „Dass er in Monaco zum Führungsspieler geworden ist, kommt ihm künftig sicher in der Organisation und Kommunikation mit der Mannschaft zugute.“ Beispiele für eher ruhige Torhüter gibt es auch in der Bundesliga – etwa Leipzigs Peter Gulacsi, der seit Jahren auf Topniveau spielt.

Ob dieses Alexander Nübel bei seiner Bundesliga-Rückkehr (wieder-)erlangen wird, dürfte eine der spannenden Fragen sein. Auch in München wird man sicher mit Interesse auf den VfB und Nübel blicken. Schließlich läuft der Vertrag mit dem Torhüter noch zwei Jahre. Eine Rückkehr zu den Bayern scheint aber längst ausgeschlossen.

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Erstellt:
24. Juli 2023, 22:04 Uhr

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