Wohin fließen die Transfereinnahmen?

Mit den Verkäufen von Endo, Mavropanos und Sosa kassiert der VfB augenscheinlich 50 Millionen Euro an Ablösesummen. Doch die Realität ist eine andere. Die Stuttgarter haben zudem viel Geld in den Kader gesteckt und gleichen Einnahmeverluste aus.

    

© Baumann

    

Von Carlos Ubina

Stuttgart - Die Rechnung ist einfach. Zunächst. 50 Millionen Euro hat der VfB Stuttgart augenscheinlich an Transfereinnahmen erzielt. Dazu können noch zehn Millionen Euro an Boni kommen. Ein nettes Sümmchen denken sich da viele Fans – und fragen sich, warum der Bundesligist offenbar mehr Geld in Steine als in Beine investiert. Die Anhänger wollen natürlich lieber die Mannschaft verstärkt sehen, als ständig die Kosten für den Stadionumbau zu bedenken. Das ist der Eindruck, der sich außerhalb in den vergangenen Wochen verfestigt hat. Doch hier fängt die VfB-Rechnung an, kompliziert zu werden. Da es im realen Fußballgeschäft anders läuft als in den virtuellen Managerspielen. Aber der Reihe nach.

„Unter dem Strich bin ich mit der Transferperiode sehr zufrieden. Sportlich, weil wir trotz der Abgänge eine gute Mischung im Kader haben, und finanziell, weil uns die Einnahmen helfen“, sagt der Vorstandsvorsitzende Alexander Wehrle, der bei der Transferbilanz stets auf einen entscheidenden Unterschied aufmerksam macht. Das reine Zusammenzählen der Ablösesummen für Wataru Endo (FC Liverpool/20 Millionen Euro), Konstantinos Mavropanos (West Ham United/20 Millionen) und Borna Sosa (Ajax Amsterdam/10 Millionen) ergibt erst einmal das Bruttoergebnis. So weit, so gut.

Am Ende zählt jedoch netto – und da bleiben dem VfB etwa 35 Millionen Euro, da ein Teil des Geldes noch abgeht. Für Weiterverkaufsbeteiligungen, Beraterhonorare, den Restbuchwert. So sind die Verträge gestaltet, und Wehrle wehrt sich gegen den pauschalen Vorwurf, dass zu wenig Geld in die Mannschaft fließe. Er will nun auf der Mitgliederversammlung am Sonntag erläutern, wie die Situation nach den Wechseln aussieht.

Vor allem, weil die Stuttgarter zu Beginn der Transferzeit in eine Art Vorleistung gegangen sind. Erst einmal wurden Spieler verpflichtet, ehe welche verkauft wurden. Angefangen mit Serhou Guirassy. Der Mittelstürmer trägt zwar schon ein Jahr lang das Trikot mit dem Brustring, doch aus der Leihe machten die VfB-Verantwortlichen vor der Relegation eine Festverpflichtung.

Eine teure Angelegenheit, wenn man so will. Die Ablöse für Guirassy an Stade Rennes betrug knapp zehn Millionen Euro. Dazu kommt das Jahresgehalt, das über drei Millionen Euro liegt, und auch die Berater wollten bezahlt werden. Ergibt ein Paket, das sich auf fast 15 Millionen Euro beläuft.

Ausgaben, die weitestgehend sofort fällig sind. Ebenso wie bei den Einkäufen Angelo Stiller, Woo-yeong Jeong und Jovan Milosevic. Auch hier gibt es noch künftige Bonuszahlungen zu berücksichtigen. Maximilian Mittelstädt ist da vergleichsweise günstig zu haben gewesen. Ansonsten bevorzugte der Sportdirektor Fabian Wohlgemuth ein alternatives Modell, weil nicht mehr Mittel zur Verfügung standen: die Leihe.

Zuletzt kam Anthony Rouault auf Leihbasis an die Mercedesstraße, davor waren es Leonidas Stergiou, Jamie Leweling, Deniz Undav und vor allem Alexander Nübel. Der Torhüter kostet fast drei Millionen Euro im Jahr an Gehalt und eine Million Euro an Gebühr für den FC Bayern München. Wie Guirassy gehört aber auch Nübel zu den Unterschiedsspielern beim VfB. Von ihnen soll das Team sportlich profitieren.

Da Guirassys Ausstiegsklausel für diesen Sommer verfallen ist, befürchten Wehrle und Wohlgemuth nicht mehr, dass der Angreifer noch weggekauft wird – auch im einkaufsfreudigen Saudi-Arabien endet die Shoppingzeit an diesem Donnerstag. Und falls doch ein Angebot mit einer Fabelsumme aus Tausend und einer Transfernacht ins Haus flattern sollte, hat es der VfB selbst in der Hand, den 27-Jährigen mit dem Stempel „unverkäuflich“ zu versehen.

Da jedoch lange nicht klar war, ob Torjäger Guirassy Stuttgart verlässt, hat Wohlgemuth vorgesorgt – mit Undav. Der Stürmer hat sich zwar während der Vorbereitung verletzt, gilt aber als ein Mann mit Qualität. Und diese ist wie immer nicht ganz günstig. Mehr als 20 Millionen Euro hat der VfB insgesamt in den Kader gesteckt, um eine möglichst sorgenfreie Saison zu spielen. „Ich glaube, wir haben den Spagat zwischen unseren wirtschaftlichen Vorgaben und unseren sportlichen Ambitionen gut hinbekommen“, sagt Wohlgemuth.

Der wahre Transferüberschuss – 15 Millionen Euro – ist nun dafür vorgesehen, die Mindereinnahmen durch den Stadionumbau zu kompensieren. Zehn Millionen Euro sind das aktuell durch die geringere Zuschauerauslastung und das Fehlen von Veranstaltungen. Kredite aus der Coronakrise müssen zudem bedient werden. 90 Millionen Euro betrug der damalige Umsatzverlust. Eine ähnliche Summe steckt im Stadionumbau.

Reichlich Geld wird also benötigt und der sogenannte 100-Millionen-Deal greift noch nicht. Ohnehin mehr Marketing als Wirklichkeit, ist der Porsche-Einstieg als Investor bislang nicht unterschrieben – und somit auch kein Cent geflossen. Noch im Herbst soll aber eine erste Tranche von 20 Millionen Euro aus Zuffenhausen kommen.

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Erstellt:
5. September 2023, 22:10 Uhr
Aktualisiert:
6. September 2023, 21:55 Uhr

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