Wieland Backes: "Ich bin ein altes Zirkuspferd“

Als Moderator der SWR-Talkshow „Nachtcafé“ war Wieland Backes ein bekanntes Fernsehgesicht. Heute ist der 77-Jährige schriftstellerisch tätig: Am Montag präsentiert er in Backnang sein neues Buch. Im Interview verrät Backes, warum es für ihn auch eine Rückkehr zu seinen Wurzeln ist.

Das Fernsehen vermisst Wieland Backes nicht, aber er freut sich darauf, bei seinen Lesungen wieder vor Publikum zu stehen. Foto: Leif Piechowski

© Lichtgut/Leif Piechowski

Das Fernsehen vermisst Wieland Backes nicht, aber er freut sich darauf, bei seinen Lesungen wieder vor Publikum zu stehen. Foto: Leif Piechowski

Vor fünf Jahren haben Sie sich endgültig vom Fernsehbildschirm verabschiedet, vor zweieinhalb Jahren haben Sie dann Ihre schon länger bestehende Parkinson-Erkrankung öffentlich gemacht. Wie geht es Ihnen heute?

Mir geht es ordentlich. Ich kann mit der Krankheit gut umgehen. Natürlich ärgert sie mich manchmal, aber ich lebe ein glückliches Leben. Als ich die Diagnose vor über zehn Jahren bekam, war es richtig, nicht damit in die Öffentlichkeit zu gehen. Damals war ich noch auf dem Bildschirm und man hat mir überhaupt nichts angemerkt. Wäre ich damals schon mit meiner Diagnose an die Öffentlichkeit gegangen, wäre ich ab sofort der Parkinson-Fall gewesen. Deshalb haben meine Frau und ich das fast neun Jahre unter Verschluss gehalten. In dieser Zeit habe ich auch gelernt, mit der Krankheit umzugehen und sie ein bisschen in die Schranken zu weisen.

Wie muss man sich denn Ihren Alltag als Fernsehrentner vorstellen?

Wir sind nach wie vor ein berufstätiger Haushalt. Meine Frau ist deutlich jünger als ich und hat als Anwältin genügend zu tun. Wir haben uns deshalb darauf verständigt, dass ich jetzt sozusagen der Hausmann bin und meiner Frau den Rücken freihalte. Das wäre mir allerdings nicht genügend Inhalt. Ich habe deshalb zeitweise eine Bürgerinitiative geleitet, habe Theater gespielt und habe jetzt begonnen, zu schreiben. Das kam ganz unerwartet: In der Pandemiezeit saß ich gelangweilt vor dem Computer und habe einfach mal angefangen zu schreiben – ins Blaue hinein, ohne schon eine konkrete Geschichte parat zu haben.

Bücher haben Sie auch früher schon geschrieben: Geschichten über das „Nachtcafé“ und auch eine Autobiografie. Nun präsentieren Sie erstmals ein Buch mit Kurzgeschichten. Wie kam es dazu, dass der Journalist zum Literaten wurde?

Das war am Anfang gar nicht ernst gemeint. Es war ein bisschen wie Fingerübungen, um zu sehen, ob das funktioniert. Einen Roman zu schreiben, hätte ich mich damals auch noch nicht getraut, aber die Kurzgeschichten kamen sehr gut an, wenn ich sie im Bekanntenkreis vorgelesen habe. Das hat mir Mut gemacht, auch an eine Veröffentlichung zu denken.

Was ist schwieriger: Über wahre Ereignisse zu schreiben oder sich Geschichten auszudenken?

Das kann ich nicht sagen. Beides hat seine speziellen Schwierigkeiten und Herausforderungen. Aber ich muss sagen, mich hat das Schreiben, der Fantasie folgend, ohne die Einschränkungen, die die Wirklichkeit einem liefert, sehr beflügelt. Schreiben ist für mich auch ein Gegenpol, um nicht dauernd um meine Krankheit zu kreisen.

Ihr Buch trägt den Titel: „Unmöglich!“ Das Ausrufezeichen dahinter lässt es wie einen Ausruf des Erstaunens klingen. Womit wollen Sie Ihre Leserschaft verblüffen?

„Unmöglich!“ kann ja zweierlei bedeuten. Unmöglich – so was tut man nicht! Oder: Unmöglich – das kann ja kaum wahr sein! Mit diesen zwiespältigen Bildern arbeite ich in meinem Buch. Die Geschichten sind zeitkritisch. Es geht um Arm und Reich, aber auch ums Alter. Eine Geschichte heißt „Belle Époque“. Darin geht es um ein Luxusaltersheim und wie ein Ehepaar, das dort rein soll, ausbricht aus den Zwängen des Alters.

Sie kommen am Montag zu einer Lesung nach Backnang und damit sozusagen zurück zu den Wurzeln, denn Sie sind in Oberbrüden aufgewachsen.

Ja, genau, mein Vater war dort Schulleiter, meine Mutter war Schulleiterin in Unterbrüden. Nach der fünften Klasse bin ich ins Backnanger Gymnasium geschickt worden und da auch bis zum Abitur geblieben.

Welche Erinnerungen haben Sie an diese Zeit?

Das war eine große Zeit. Ich war zeitweise Schulsprecher und habe sehr viele Aktivitäten um die Schule herum angezettelt. Zum Beispiel haben wir ganz ohne Lehrer das Stück „Pygmalion“ von Bernard Shaw, also die Vorlage für „My Fair Lady“, inszeniert und im Gemeindehaus in der Taus aufgeführt. Mit einer geliehenen Doppel-8-Kamera haben wir auch einen hochmoralischen Film mit dem Titel „Die letzte Zigarette“ gedreht. Das ist so ein bisschen ein Muster in meinem Leben, dass ich Sachen anzettele und versuche, andere dafür zu begeistern.

Haben Sie heute noch Verbindungen in die Region?

Meine Mutter ist in Unterbrüden begraben und obwohl sie schon seit 1971 tot ist, haben wir das Grab nie aufgelöst. Dort bin ich heute noch ab und zu. Unsere Mutter war eine außerordentlich interessante Frau: die beste Mutter, die es je gab, und die beste Lehrerin. Als sie mit 64 Jahren starb, herrschte große Trauer in Unterbrüden.

Mit der Veröffentlichung Ihres Buchs und den bevorstehenden Lesungen geht es für Sie nun auch wieder zurück auf die Bühne. Haben Sie die Öffentlichkeit vermisst?

Das Fernsehen fehlt mir nicht und ich habe den Abgang vom Bildschirm keine Sekunde bereut. Aber natürlich bin ich ein altes Zirkuspferd und stehe gerne auf der Bühne. Es ist doch herrlich, wenn man mit den Leuten im Publikum interagieren kann. Darauf freue ich mich und ich bin schon gespannt, ob ich in Backnang bekannte Gesichter wiedersehen werde.

Das Gespräch führte Kornelius Fritz.

Lesung Die Lesung mit Wieland Backes beginnt am Montag, 22. April, um 19.30 Uhr in der Stadtbücherei Backnang, Im Biegel 13. Einlass ist ab 19 Uhr. Martin Hoffmann moderiert den Abend. Im Anschluss gibt es die Möglichkeit, den Abend bei einem Getränk ausklingen zu lassen. Der Eintritt kostet neun Euro, ermäßigt sechs Euro. Eintrittskarten gibt es im Vorverkauf in der Bücherei sowie an der Abendkasse.
Wieland Backes

Ausbildung Wieland Backes wurde 1946 als sechstes Kind in Feldbach, Österreich, geboren. Seine Eltern waren geflüchtete Rumäniendeutsche aus dem Banat. Er wuchs in Oberbrüden auf und machte in Backnang Abitur. Anschließend studierte er Chemie und Geografie an der Universität Stuttgart und promovierte zum Doktor rer. nat.

Fernsehen 1973 kam Backes zum Süddeutschen Rundfunk, 1975 war er erstmals im Fernsehen zu sehen. Von 1987 bis 2014 moderierte er insgesamt 706 Folgen der wöchentlichen Talkshow „Nachtcafé“. Daneben war er auch Moderator weiterer Sendungen wie „Auf der Couch“ oder „Ich trage einen großen Namen“.

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Erstellt:
20. April 2024, 06:00 Uhr

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