An der Uni wird schon seit Jahren Cannabis angebaut

Drei Cannabis-Pflanzen dürfen Privatpersonen nun anbauen. Wenig im Vergleich zu den Hunderten, die bei der Uni Hohenheim wachsen.

Forschen zu Cannabis: Professorin Simone Graeff-Hönninger und Doktorand Christian Büser von der Uni Hohenheim

© Lichtgut/Christoph Schmidt

Forschen zu Cannabis: Professorin Simone Graeff-Hönninger und Doktorand Christian Büser von der Uni Hohenheim

Von Julia Bosch

Stuttgart - Der typisch süßliche Geruch bleibt aus beim Betreten des Raumes, in dem Christian Büser mit Cannabis-Pflanzen experimentiert. „Die riechen erst, wenn sie blühen“, erklärt der Doktorand. Aber wenn es so weit ist, stört ihn das auch kaum mehr: „Ich bin so langsam etwas geruchstot.“ Christian Büser verbringt einen großen Teil seiner Zeit in dem Gewächshaus der Uni Hohenheim, in dem Cannabis angebaut wird.

Während Privatpersonen seit April dieses Jahres bis zu drei Pflanzen zu Hause anbauen dürfen, macht Christian Büser wissenschaftliche Versuche mit rund 160 Pflanzen in Hohenheim. Mehr als 400 weitere wachsen bei der Versuchsstation der Uni auf dem Ihinger Hof in Renningen (Landkreis Böblingen).

Fragt man Christian Büser, was ihn an Cannabis begeistert, sagt er: „Bei anderen Pflanzen ist alles bereits kleinteilig erforscht.“ Bei Cannabis experimentiere er mit verschiedenen Genetiken, Wasser und Dünger – ohne zu wissen, was herauskomme. Zudem habe die Pflanze eine hohe gesellschaftliche Relevanz: bei der Behandlung von Krankheiten, als Nahrungsmittel oder im Bereich der Hautpflege. Und auch aufgrund der Klimaerwärmung ist sie interessant: Cannabis bindet verhältnismäßig viel CO2.

Nur einen Effekt hat das Hohenheimer Cannabis nicht: Es berauscht nicht. „Man kann das rauchen, aber es bringt nichts“, sagt Christian Büser. Seine Hanfpflanzen haben alle einen THC-Gehalt von unter 0,2 Prozent. THC steht für Tetrahydrocannabinol und ist der Hauptwirkstoff, der dafür verantwortlich ist, dass man sich berauscht fühlt, wenn man einen Joint raucht.

In Hohenheim wird an THC-armen Pflanzen geforscht. Deshalb sind die Gewächshausräume in Hohenheim, in denen Cannabis wächst, auch nur durch normale Schlösser gesichert – nicht durch Stahlbetontüren oder Ähnliches. Denn der Fokus liegt auf den gesundheitsfördernden Stoffen: den sogenannten Cannabinoiden. Diese werden zum Beispiel als Öl, Creme oder Gel verkauft.

Deshalb hat sich für die Forschenden in Hohenheim durch die Teillegalisierung bisher auch wenig verändert. Es sind nur neue Fragen aufgekommen. „Im Gesetz steht, dass die Forschung Erleichterungen erfahren soll, aber was heißt das?“, fragt sich Simone Graeff-Hönninger, Professorin für Pflanzenbau. Wenn sie nun auch an THC-reichen Pflanzen für die Medizin forschen wollten, müssten sie immer noch einen Antrag stellen: „Aber bei welcher Behörde?“ Schließlich sei die Uni weder eine Privatperson noch ein Cannabis Social Club. „Vieles ist noch unklar“, sagt die Professorin.

Durch die lange Verhinderung der Nutzung von Cannabis-Pflanzen sei viel Potenzial ungenutzt geblieben, finden die Wissenschaftler. Zum Beispiel könnten Medikamente mit THC auch Menschen mit Parkinson, mit Multipler Sklerose oder mit Spastiken helfen. „Warum sollte so etwas verboten werden, während Krebspatienten vollgepumpt werden mit allem Möglichem?“, kritisiert Christian Büser. „Das entzieht sich jeder Logik.“ Im Übrigen seien auch viele CBD-Produkte, die man in deutschen Läden kaufen könne, „tiefste Grauzone“, sagt Simone Graeff-Hönninger. Denn im Nahrungsbereich sei Hanf hierzulande immer noch nicht zugelassen.

Seit 2018 wird an der Uni Hohenheim Cannabis angebaut, seit 2019 in einem deutsch-kanadischen Forschungsnetzwerk mit inzwischen rund 50 Partnern. Darunter sind viele Unternehmen, die den Bereich des medizinisch Phytocannabinoid-reichen Cannabis für sich entdeckt haben. Das Netzwerk wird vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert.

Und auch an jungen Menschen, die in dem Bereich forschen wollen, mangelt es nicht. „Ich werde bombardiert mit Anfragen“, sagt Simone Graeff-Hönninger. „Für Studierende ist das ein spannender Arbeitsmarkt“, weiß sie. Alumni aus ihrem Bereich hätten alle danach schnell eine Stelle gefunden. „Wir brauchen Leute, die wissenschaftlich fundiert mit Cannabis arbeiten, anstatt es im Keller anzubauen.“

Am Ende hat Christian Büser noch einen Tipp an alle „Hobby-Grower“, also an Menschen, die nun privat Cannabis anbauen: „Ihr macht die Pflanzen todessicher kaputt, wenn ihr zu viel gießt.“ Trockenstress sei in der Regel kein Problem, „solange man die Pflanze nicht völlig grillt“. Aber zu viel Wasser sei definitiv keine gute Idee.

Zum Artikel

Erstellt:
26. April 2024, 22:04 Uhr
Aktualisiert:
27. April 2024, 21:56 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen