Biden zwischen allen Stühlen

Der US-Präsident muss gegenüber Israel endlich klare Worte finden und einen Kurs vorgeben.

Von Eidos Import

Erst mit Verzögerung hat das US-Außenministerium einen Bericht zum Einsatz amerikanischer Waffen durch Israels Militär im Gazastreifen veröffentlicht. Der sogenannte NSM-20-Bericht an den US-Kongress kommt zu dem Schluss, dass Israel „aller Wahrscheinlichkeit“ nach internationale Standards beim Schutz der Zivilbevölkerung in Gaza verletzt hat, aber „keine spezifischen Instanzen“ gefunden werden konnten, die das Zurückhalten von Militärhilfe an Israel rechtfertigten.

NSM-20 steht als Kürzel für das Nationale Sicherheitspaket-Memorandum, mit dem US-Präsident Joe Biden im Februar den Bericht in Auftrag gegeben hatte. Damit gab er Forderungen des linken Flügels der Demokraten nach, die ein Ende der Waffenlieferungen der USA für Israels Krieg in Gaza verlangt hatten. Es sehe so aus, als sei die Regierung zuerst zu einem Ergebnis gekommen und habe die Fakten dem angepasst, fasste ein Kongressmitarbeiter die Kritik an dem Report zusammen. Ein demokratischer Abgeordneter sprach von „Feigheit“ der Verfasser, „das Offenkundige auszusprechen“.

Der Donald Trump nahestehende Senator Tom Cotton aus dem US-Bundesstaat Arkansas hielt Biden umgekehrt vor, „der Hamas zum Sieg verhelfen zu wollen“. Das ist nicht weit von der Sicht des rechtsradikalen Nationalen Sicherheitsministers in Benjamin Netanjahus Regierung, Itamar Ben-Gvir, entfernt, der in den sozialen Medien nur „Hamas“, ein Herz und „Biden“ postete – also „Hamas liebt Biden“.

Falls das israelische Militär für eine Offensive in dicht bevölkerte Teile der Stadt Rafah einmarschiere, werde das Konsequenzen bei den US-Waffenlieferungen haben, drohte Biden in einem Interview. Doch der vermutlich engste Freund Israels, der jemals im Weißen Haus gesessen hat, hat nach dem Scheitern seiner nach dem Terroranschlag vom 7. Oktober verfolgten Umarmungsstrategie erkennbar Mühe, einen klaren Kurs gegenüber Netanjahu zu finden. Bidens Lavieren wird auf allen Seiten als Schwäche interpretiert. Und der Bericht des Außenministeriums ist nun der sichtbare Ausdruck dieses Schlingerkurses.

Der gewiefte Taktiker Netanjahu erweckt nicht den leisesten Anschein, sich von der „roten Linie“ des US-Präsidenten in Rafah beeindrucken zu lassen, während Biden umgekehrt nicht genug tut, die Kritik von Linken und an den Universitäten seines Landes zum Verstummen zu bringen. Im Gegenteil goss der mutlose Bericht weiteres Öl in den Flächenbrand der Studierendenproteste.

Joe Biden muss sich aus diesem Dilemma befreien, wenn ihm das bei den Präsidentschaftswahlen im November nicht zum Verhängnis werden soll. Angesichts des prognostizierten Kopf-an-Kopf-Rennens zwischen ihm und dem Republikaner Donald Trump kann er es sich nicht leisten, wegen seiner Gazapolitik in den wichtigen Swing States Tausende an Wählerstimmen zu verlieren.

Das geht nur, indem er Führungsstärke demonstriert. Wie der frühere US-Präsident Ronald Reagan einst dem damaligen israelischen Ministerpräsidenten Menachim Begin im Libanonkrieg eine klare Ansage erteilte und ihn zum Waffenstillstand drängte, muss Biden dem Hitzkopf Netanjahu in Gaza jetzt den Kurs vorgeben, zumal der israelische Ministerpräsident weder einen Plan für einen Sieg über die Hamas noch die Zukunft der Palästinensergebiete hat.

Bidens politischer Selbsterhalt gebietet, dass er auf das Einhalten der „roten Linie“ in Rafah pocht – und andernfalls nicht nur die Lieferung von Bomben und Artillerie pausieren lässt, sondern stoppt, bis Israel sich an die Normen des Völkerrechts hält.

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Erstellt:
12. Mai 2024, 22:04 Uhr
Aktualisiert:
13. Mai 2024, 22:00 Uhr

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