Auch die Lockerungen werden gefeiert

Während für die einen das Fronleichnamsfest im Vordergrund steht, freuen sich andere vor allem über die neuen Möglichkeiten der Freizeitgestaltung. Allerdings gab es auch auf Terrassen von Lokalen noch freie Plätze.

Auch die Lockerungen werden gefeiert

Vor der Eisdiele in Murrhardt gibt es Schlangen, die Plätze gegenüber im Freien sind nur teilweise belegt. Foto: J. Fiedler

Von Wolfgang Gleich

MURRHARDT. „Endlich frei! Wir dürfen wieder spielen! Vor unserem Publikum!“ Es war ein Seufzer aus tiefster Seele, mit dem Kapellmeister Patrick Siben von den Stuttgarter Salonikern seine Gefühle und Erwartungen beschrieb, die er mit dem Konzert im Söhnle-Pavillon im Stadtpark am Feuersee in Murrhardt verband – der erste öffentliche Auftritt nach einer „furchtbar langen Durststrecke“, erklärt der Musiker.

Murrhardt hatte sich gründlich auf den Fronleichnamsfeiertag vorbereitet, auf die „Rückkehr von wenigstens einem Stück Normalität“, so Martin Badmann, der sich vor dem Testzelt beim Rathaus in die Gruppe der Wartenden einreihte. Auf der Arbeit sei er schon getestet worden, erzählte er, aber dies sei sein erster „offizieller Test“. Er benötige ihn weniger für seinen Bummel durch die Stadt und über den Marktplatz, aber vielleicht bekomme er dabei Lust, irgendwo zum Essen einzukehren oder es sich abends in einem Biergarten gemütlich zu machen. Und dann gehe nichts ohne.

Das Testzentrum sei kurzfristig aufgebaut worden, „für diejenigen, die bisher weder zwei Termine ergattern konnten, um sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen, noch nachweisen können, dass sie von einer Covid-19-Erkrankung genesen sind“, erläuterte Akchan Defne, die im Testzelt die Personalien der Probanden aufnahm und ihnen nach dem Test den ausgedruckten Nachweis aushändigte. Dies alles geschah unter den wohlwollenden Augen zweier charmanter Damen des Ordnungsamts, die nach ihrem Rundgang über den Marktplatz begeistert berichteten, dass sich sowohl die Gastronomie wie auch deren Kundschaft akribisch an die Vorschriften halten würden. Sie hätten bisher keinerlei Anlass gehabt einzuschreiten, würden im Gegenteil überall auf Verständnis und Entgegenkommen treffen.

Nach wie vor, so betonte auch Brigitte Lucht, die um 13 Uhr die Städtische Kunstsammlung aufschloss, gelten für die Teilnahme am Gemeinschaftsleben „die drei Gs als Voraussetzung: geimpft, genesen oder getestet, zusätzlich zu den bereits bekannten Hygiene- und Abstandsregeln“. Sie selbst, gestand sie lachend, habe sich beim Aufschließen der Eingangstür erst vorsichtig orientieren müssen. Nach so einer langen Pause sei alles noch ungewohnt, da müsse sie aufpassen, dass sie nicht einen Alarm auslöse und die Sirene losgehe. Für den ersten Tag rechne sie nicht mit allzu vielen Besuchern, die Menschen müssten sich schließlich erst allmählich an die wiedererlangte Freiheit gewöhnen. Aber sie freue sich schon auf die interessanten Gespräche mit den interessierten, oft sehr sachkundigen Besuchern, hoffe auf Schulkassen und Gruppen von Kindern. „Sie können sich nicht vorstellen, was für scharfe Augen und was für einen unvoreingenommenen Blick gerade Kinder haben. Sie entdecken in Gemälden Details, die uns Erwachsenen überhaupt nicht auffallen, die wir noch nicht einmal wahrnehmen.“ Was das Besondere an der Städtischen Kunstsammlung sei? „Das Remstal ist Musik, der Schwäbische Wald steht für Malerei. Und nirgendwo können Sie einen besseren Eindruck davon bekommen als hier in Murrhardt, das so vielen Künstlern Heimat war.“

Seine „alte Heimat“ wiedersehen wollte auch Ralph Louis Diezel aus Ludwigsburg. Er sei im Schwäbischen Wald aufgewachsen und verbinde mit Murrhardt sehr viele schöne Jugenderinnerungen, an die Eisdielen, das „Sternkino“, die Wirtschaften. Deshalb komme er immer wieder mal hierher. „Schließlich ist Murrhardt immer einen Besuch wert!“, bekannte er im Brustton der Überzeugung. „Neuland“ betraten dagegen drei Ehepaare „aus der Heilbronner Gegend“. Sie seien zum ersten Mal hier, verrieten sie, als sie auf dem Parkplatz beim Friedhof die Rucksäcke aus den Kofferräumen holten. Die wild-romantische Hörschbachschlucht ist das Ziel.

Beim ersten Besucher am Morgen, berichtete Christian Schweizers Vater Rolf Schweizer, habe es sich um einen Landtagsabgeordneten gehandelt, der zu den Stammgästen des Museums gehöre. Musik und Museum hätten gemeinsam, merkte Christian Schweizer an, dass man sich Zeit nehmen müsse, um sie für sich zu erschließen. Und Zeit sei zu einem kostbaren Gut geworden. Die allmähliche Öffnung nach dem Lockdown sei auch für seinen Vater und ihn der lang ersehnte Silberstreif am Horizont. Denn als Privatmuseum, das seit 100 Jahren von seiner Familie betrieben werde, seien sie durch alle Förderraster gefallen.