Corona wirbelt Zeitplan durcheinander

Die Nominierungsveranstaltungen der Parteien für die Landtagswahl 2021 können derzeit wegen des Versammlungsverbots nicht stattfinden. Die CDU und die SPD haben ihre Treffen bereits abgesagt. Noch ist offen, wie die Kandidaten gekürt werden sollen.

Corona wirbelt Zeitplan durcheinander

Die nächste Landtagswahl findet am 14. März 2021 statt. Zwar ist es noch ein Weilchen hin, aber den Parteien läuft jetzt schon die Zeit davon, weil sie ihre Kandidaten nicht küren können. Dazu sind Versammlungen nötig, Briefwahl oder digitale Konferenzen reichen dazu nicht aus. Foto: A. Becher

Von Matthias Nothstein

BACKNANG. Die Zeitpläne der Parteien für die Nominierung ihrer Kandidaten für die Landtagswahl am 14. März 2021 werden derzeit aufgrund der Coronapandemie gehörig durcheinandergewirbelt. Die CDU hatte ursprünglich geplant, ihren Kandidaten für den Wahlkreis Backnang am 29. Mai zu küren. Im Rennen sind bislang Reinhold Sczuka und Georg Devrikis. Der Termin im Wonnemonat wurde vor Wochen schon gecancelt, wie es bei den Christdemokraten weitergeht, ist noch offen.

Auch bei den Sozialdemokraten stand der Termin bereits fest: Es war der Wunsch des seitherigen Landtagsabgeordneten Gernot Gruber, die Nominierung am 17. Juni vorzunehmen. Datum und Ort wären geschichtsträchtig gewesen. Nämlich der frühere Tag der Deutschen Einheit und das Waldheim, wo sich einst die Arbeiterbewegung zu Hause gefühlt hat. Der SPD-Termin ist ebenfalls Makulatur, der Kreisverband hat den Termin aus Sicherheitsüberlegungen gestrichen.

Im Gegensatz zur CDU hat die SPD inzwischen aber einen Plan B. So will der Kreisverband Rems-Murr für die Nominierungsversammlungen aller drei Landtagswahlkreise an Rems und Murr gemeinsam eine Halle mieten, nämlich das Bürgerzentrum in Waiblingen. Als Termin haben die Genossen den Samstag, 26. September, ins Auge gefasst. Dann könnte – so sieht es die Planung derzeit vor – jeder der drei Wahlkreise seinen Kandidaten küren, und zwar hintereinander weg im Schichtbetrieb. Jedem Wahlkreis würde die Halle für eine bis zwei Stunden zur Verfügung stehen, dann käme der nächste an die Reihe. So könnte der Aufwand, der in Zeiten von Corona wohl auch im September noch ein großer sein wird, etwas minimiert werden. Ein Ort, ein Tag.

Die Frage, wie die Parteien ihre jeweiligen Entscheidungen herbeiführen, ist also noch nicht geklärt, zumindest nicht endgültig. Da alle politischen Veranstaltungen derzeit abgesagt sind, hofft Georg Devrikis, der zweite Bewerber aufseiten der Christdemokraten, dass eine digitale Kreisvorstandssitzung demnächst Antworten liefert. „Ich sitze auf glühenden Kohlen. Ich weiß noch nicht, wie es weitergeht, wir müssen abwarten.“ Deutlich gelassener sieht es Sczuka. Er verweist auf die viele Zeit, die noch zur Verfügung steht. Die Wahl ist am 14. März nächsten Jahres, und die Kandidaten müssen bis spätestens 14. Januar feststehen. Da bleibt noch mehr als ein halbes Jahr übrig. Sczuka: „Eng wird es nicht.“ Allerdings räumt er ein, dass die möglichen Schwierigkeiten umso größer werden, je länger sich die Hängepartie hinzieht. „Es wär allen gelegen, früh zu wissen, wo man dran ist.“ Für den amtierenden Bürgermeister sowieso. Denn wenn er nominiert und dann auch noch gewählt werden würde, müsste in Althütte ein neuer Bürgermeister gewählt werden.

Einfach wird die Lösung mit Sicherheit nicht. Sczuka verweist auf das gültige Parteiengesetz. Danach müsse die Nominierungsversammlung als Präsenssitzung ablaufen, die Mitglieder müssten also vor Ort sein. Pragmatische Lösungen, wie sie zum Teil bei Gemeinderäten praktiziert werden, dass also Sitzungen per Videokonferenz abgehalten werden, sind in diesem Fall nicht vorgesehen. Das gilt auch für Briefwahl. Möglich wäre ein solcher Weg nur, wenn die Parteistatuten geändert würden, aber auch dazu müsste eine Versammlung einberufen werden.

Landtagswahlrecht könnte Kleinparteien vor unlösbare Schwierigkeiten stellen

Vor noch größeren Problemen stehen die ganz kleinen Parteien. All jene also, die bislang noch nicht im Landtag vertreten sind. Die Kandidaten dieser Parteien und Listen müssen 150 Unterstützungsunterschriften vorlegen, damit sie zur Wahl zugelassen werden. Doch wie diese bekommen in Zeiten von Corona? Im Rems-Murr-Kreis wollte Philip Köngeter als Kandidat für die Piratenpartei sein Glück versuchen. Er beklagt: „Die aktuelle Situation macht es quasi unmöglich, sich als Kandidat aufzustellen. Versammlung sind derzeit nicht erlaubt, aber 150 Unterschriften pro Wahlkreis offiziell nötig. Und im Rems-Murr-Kreis haben wir drei Wahlkreise. Die Zeit läuft ab.“ Die Piratenpartei schlägt deshalb Anpassungen im Landtagswahlrecht vor, um einen sicheren und fairen Ablauf der Wahl zu gewährleisten. Köngeter: „Ich erwarte, dass aufgrund der Situation die Verantwortlichen die Hürden senken. Ich wäre mit vielen Lösungen einverstanden. Etwa damit, dass wir die Unterstützungsunterschriften online einholen können.“ Aber trotz vieler Anfragen an die Landesregierung bekommt Köngeter keine Antworten. „Wir könnten mit vielen Vorschlägen leben, aber dass gar nichts kommt, ist ärgerlich. Ich befürchte, dass ich jetzt nicht kandidieren kann.“ Ursprünglich war die Aufstellungsversammlung der Piraten schon im März vorgesehen, aber auch sie musste abgesagt werden.

Borys Sobieski, Landesvorsitzender der Piraten, kritisiert: „Diese Regelung macht es uns und anderen kleinen Parteien nahezu unmöglich, an der Wahl teilzunehmen, wenn die Coronapandemie weiter anhält.“ Eine persönliche Sammlung von insgesamt über 10000 Unterschriften für alle 70 Wahlkreise im Land sei aktuell undenkbar „und wäre auch in den nächsten Monaten absolut verantwortungslos“. Selbst wenn sich die Lage über den Sommer verbessern sollte, wäre die verfügbare Zeit deutlich verkürzt und das Sammeln erschwert. Sobieski: „Auch ohne Kontaktverbot wird sich wohl kaum jemand auf der Straße zu einer Unterschrift überreden lassen.“

Um eine faire Wahl zu gewährleisten, schlägt die Piratenpartei vor, die Sammlung von Unterschriften auszusetzen und nicht zur Bedingung für die Wahlzulassung zu machen. Aufstellungsversammlungen könnten dann später im Jahr unter verschärften Hygienebedingungen stattfinden, ohne dass danach noch eine zeit- und kontaktintensive Sammlung notwendig ist. Für eine digitale Sammlung der Unterschriften sieht der Landesverband Baden-Württemberg aktuell keinen Weg, der nicht mit erheblichem Mehraufwand für die Unterzeichner verbunden ist oder die Rechtmäßigkeit der Unterschriften sicherstellen kann.

Corona wirbelt Zeitplan durcheinander

Gernot Gruber

Corona wirbelt Zeitplan durcheinander

Reinhold Sczuka

Corona wirbelt Zeitplan durcheinander

Georg Devrakis

Gruber noch ohne Konkurrenz, CDU hat bislang zwei Bewerber

Für den Wahlkreis 17 Backnang wird es bei der SPD voraussichtlich wenig spannend. Gernot Gruber tritt wieder an und weiß bis dato noch von keinem Konkurrenten. Ein solcher würde es vermutlich auch schwer haben, weil der Backnanger zuletzt ein sensationelles Ergebnis eingefahren hat. Relativ gesehen natürlich, denn das Ergebnis der Partei insgesamt war 2016 ein Desaster. Gruber jedoch holte von 70 Wahlkreisen im Land das achtbeste SPD-Resultat.

Eigentlich hatte er sich gefreut, die Nominierungsversammlung im Waldheim zu veranstalten, war er doch für die 2016er-Wahl schon dort aufs Schild gehoben worden. Fünf Jahre zuvor war die Örtlichkeit ebenso bewusst gewählt, damals war es der Awo-Keller.

Bei der CDU wird es deutlich spannender. Nachdem der bisherige Platzhirsch Wilfried Klenk nicht mehr antritt, hat Althüttes Bürgermeister Reinhold Sczuka seinen Hut in den Ring geworfen. Und wenn es nach seiner Einschätzung geht, darf er der Nominierung auch gelassen entgegensehen, da sein Name und sein Wirken im gesamten Wahlkreis bekannt und geschätzt sind. So ist der 53-Jährige nicht nur seit 1993 Bürgermeister in Althütte, sondern seit 1999 auch Mitglied im Kreistag und dort seit elf Jahren Vorsitzender der CDU-Fraktion. Des Weiteren rechnet er sich auch deshalb gute Chancen aus, weil er nicht nur jetzt schon einen großen Teil des Wahlkreises im Kreistag vertritt, sondern weil er auch viele Verbindungen in andere Teile des Wahlkreises pflegt, insbesondere auch in Richtung Welzheimer Wald. Althütte habe dabei den Vorteil einer zentralen Lage.

Die Wahl ist für Sczuka allerdings kein „g’mähtes Wiesle“, da auch Georg Devrikis Wilfried Klenk beerben will. Klenk war 20 Jahre lang Landtagsabgeordneter, sogar Landtagspräsident, Vizepräsident und Staatssekretär. Nun möchte Devrikis zumindest als Abgeordneter sein Nachfolger werden und in den Landtag einziehen. Der 38-Jährige ist seit drei Wahlperioden als Stadtrat in Murrhardt aktiv und seit einigen Jahren auch Vorsitzender des CDU-Stadtverbands. Ferner ist der gläubige Katholik auch Mitglied im Kreisvorstand. Ob noch andere auf das Kandidatenkarussell aufspringen, steht noch nicht fest.