„Darauf haben wir zwei Monate gewartet“

Baden-Württemberg will Coronaregeln stufenweise wieder lockern – Öffnungsdaten für Vereine, Außengastronomie und Hotels

Individualsport, Fahrschulen, Außengastronomie: Schrittweise sollen die Coronamaßnahmen in den nächsten Wochen gelockert werden. Wer darf wieder öffnen und wer muss sich noch etwas gedulden? Wir haben uns bei den betroffenen Betrieben und Vereinen der Region umgehört.

„Darauf haben wir zwei Monate gewartet“

Etliche Gastronomiebetriebe, so auch das Waldheim „bei Vesna“ in Backnang, haben in der Coronakrise auf Abholservice umgestellt. Bald soll Außenbewirtschaftung wieder möglich sein, dann öffnet auch der Biergarten. Foto: J. Fiedler

Von Steffen Grün, Kristin Doberer und Armin Fechter

BACKNANG/ALTHÜTTE/MARHÖRDT. Die Backnanger Jugendmusik- und -kunstschule, die ab 17. März von der Schließung betroffen war und zunächst auf OnlineUnterricht ausgewichen ist, kann bereits seit Mittwoch wieder Einzelunterricht in den Instrumentalfächern geben. Grundlage ist eine entsprechende Verordnung des Kultusministeriums. Die Möglichkeiten sind aber weiterhin eingeschränkt, nicht nur weil die üblichen Hygiene- und Schutzvorkehrungen zu beachten sind, sondern auch weil Bläser und Gesang noch ausgenommen sind. Hier geht es, wie der Leiter Michael Unger erläutert, um das Problem der Aerosole in der Raumluft, eine Frage, die wissenschaftlich noch nicht geklärt ist. Im Bandhaus und im Vereinshaus konnten, so Unger weiter, die geforderten Sicherheitsauflagen umgesetzt werden, in vielen anderen der insgesamt 53 dezentralen Unterrichtsstätten in Backnang und Umgebung war dies noch nicht möglich. Das hängt insbesondere damit zusammen, dass viele Stunden bislang in Schulen gegeben wurden. Dort gilt aber für Externe immer noch ein Betretungsverbot. Deshalb werden jetzt andere öffentliche Räume gesucht. Im Kunstbereich ist nach wie vor nur Berufs- und Studienvorbereitung sowie Einzelunterricht möglich. Deshalb wurden alternative Ideen in Angriff genommen, etwa Filmclips oder Kunst im öffentlichen Raum.

Hotels dagegen müssen noch etwas weiter warten. Sie dürfen erst ab Pfingsten wieder für Touristen öffnen, bisher war nur die Unterbringung von Geschäftsleuten erlaubt. „Grundsätzlich ist es natürlich positiv, man kann zumindest wieder planen. Jetzt geht es darum, Hygienepläne zu entwickeln“, sagt Fabio Gomez, Inhaber vom Hotel Alte Vogtei. Dabei wünsche er sich vor allem vom Land Baden-Württemberg eine klare Kommunikation zur genauen Umsetzung, vor allem was die Gastronomie im Hotel betrifft. „Uns beschäftigt, wie wir zum Beispiel mit dem Thema Frühstück umgehen sollen. Da fehlen uns einfach noch konkrete Informationen zum richtigen Verhalten.“ Trotzdem freue er sich auch für seine Mitarbeiter, dass es zumindest wieder vorangeht. „Für die Mitarbeiter ist das super, wir mussten ja die letzten Wochen auf null runterfahren“, sagt der Hotelier. Einen großen Ansturm erwartet er aber nicht, er glaube eher, dass die Buchungen ganz langsam wieder anlaufen werden. „Man muss auch bedenken, dass alle Veranstaltungen abgesagt wurden. Kein Heimspiel von Andrea Berg, kein Wasen in Stuttgart, keine Hochzeiten, keine Messen. Ganz optimistisch kann ich also noch nicht sein, man muss jetzt erst mal abwarten.“

Außengastronomie darf „vor Pfingsten“ wieder öffnen, so wurde beschlossen. Michael Matzke, 1. Vorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga im Rems-Murr-Kreis, geht zunächst davon aus, dass damit das letzte Mai-Wochenende gemeint ist – Näheres unbekannt, es gehe noch um viele Detailfragen. Als positives Signal wertet der Backnanger, dass die Landesregierung ein neues Sonderprogramm für die Gastronomie aufgelegt hat, um Liquiditätsengpässe zu überbrücken. Am späten Nachmittag teilt dann der Backnanger CDU-Landtagsabgeordnete und Staatssekretär im Innenministerium Wilfried Klenk mit, dass die Landesregierung das weitere Vorgehen für die Öffnung von Gastronomie und Tourismus vorgestellt habe. Danach sollen zunächst Gastronomiebetriebe ab 18. Mai schrittweise öffnen dürfen. Für die Gaststätten gelten dann strenge Auflagen: Die Öffnungszeiten und die Gästezahl werden begrenzt sein. Die Betriebe müssen ein Hygiene-Konzept ausarbeiten. Auch muss der Betrieb das Abstandhalten sicherstellen, beispielsweise durch separate Ein- und Ausgänge und eine Reservierungspflicht. Biergärten wie etwa das Waldheim können damit bald öffnen. Gudula Hammer vom Waldheimverein ist guter Dinge: „Wir haben auf zirka 1200 Quadratmetern die Möglichkeit, Tische und Bänke im Außenbereich zu verteilen.“ Viel Platz also für Wirtin Vesna, um große Abstände zu realisieren.

Der Vereinssport steht in den Startlöchern: Im Freien ist ab nächste Woche alles, was ohne Körperkontakt und mit den gebotenen Hygienemaßnahmen möglich ist, wieder erlaubt. Zum Beispiel Tennis, das freut Hans-Ulrich Kirmse. „Die Plätze sind in einem guten Zustand, am Montag geht es los“, sagt der Chefcoach der TSG Backnang, der sich beim Training um zwei Schützlinge auf der anderen Netzseite kümmern darf, die aber den Sicherheitsabstand einhalten müssen. Ansonsten sind vorerst nur Einzel gestattet, der Kabinentrakt bleibt zu und auch aufs kühle Getränk nach dem Spiel müssen die Sportler bis zum Neustart der Gastronomie noch verzichten. Wie viel los sein wird, kann Kirmse nicht abschätzen, weil die 14 Freiplätze anders als die Hallenfelder nicht vorab reserviert werden können. Die Mitglieder, die ein Vorrecht haben, stecken ihre Karte vor Ort in die Platzbelegungstafel und dürfen dann eine Stunde spielen – oder auch länger, wenn nicht alle Plätze belegt sind.

Auch Ramona Noller vom Golfclub Marhördt weiß noch nicht, wie groß der Zulauf sein wird, weil Startzeiten auf dem Platz mit 18 Löchern erst zwei Tage vorher gebucht werden können. Es hängt sicherlich nicht zuletzt vom Wetter ab, wie viele der gut 1300 Mitglieder schon in den ersten Tagen wieder abschlagen, chippen und putten wollen. „Es ist schön, dass es vorwärtsgeht“, freut sich Ramona Noller über den Neustart, „das ist ein erster Schritt.“ Dass Turniere und Veranstaltungen vorerst weiterhin nicht stattfinden, ist allerdings ein Problem, zudem stellen die Hygienemaßnahmen den Verein vor zusätzliche Herausforderungen. Cars, Trolleys und Bälle müssen desinfiziert werden, zudem sind die Löcher mit Einsätzen auszustatten, damit nicht jeder Spieler hineingreifen muss, um seinen Ball herauszufischen. Das Coronavirus verlangt Ungewöhnliches, auch das gehört zur viel zitierten neuen Normalität.

Für die Reitschule von Jeanette Kuttler waren die Lockerungen sehr gute Nachrichten, sie arbeitet nun an einem Plan, um alle Hygienerichtlinien ab Montag umsetzen zu können. Auf dem Pferd müsse man ohnehin Abstand zu anderen Reitern halten. „Nur für vor und nach dem Reiten müssen wir nun eine Lösung finden“, sagt die Reitlehrerin aus Althütte. Einige Ideen hat sie aber schon: nur ein Reiter pro Pferd pro Tag, danach gründliche Reinigung der Ausrüstung. Nur eine beschränkte Zahl an Reitern auf dem Reitplatz und eine zeitliche Absprache mit den Einstellern. „Wir mussten uns die letzten Wochen schon gut absprechen. Denn wir hatten einen Notfallplan, nach dem sich Leute um etwas Auslauf für die Pferde gekümmert haben, zum Beispiel mit Spaziergängen“, sagt Kuttler. „Ich hatte Glück, dass alle meine Reitschüler auch weiterhin gezahlt haben, so konnte ich die Pferde auch in den letzten Wochen gut versorgen.“ Sie sei sich sicher, dass ihre Schüler sich darüber freuen, dass der Reitunterricht wieder losgeht. Schließlich habe allen das Hobby gefehlt.

Auch für Fahrschulen kann der Unterricht am Montag wieder beginnen, eine Erleichterung für Davids Fahrschul-Akademie in Backnang. „Darauf haben wir die letzten zwei Monate lang gewartet. Jetzt hoffen wir auf weitere Auskünfte vom Tüv dazu, wie es bei Prüfungen ablaufen soll“, sagt Magdalena Aggelidakis. Auch hier wird jetzt an der richtigen Strategie für die Öffnung getüftelt, damit die Hygieneregeln eingehalten werden können. Klar ist, dass sich neben dem Fahrschüler und dem Fahrlehrer keine dritte Person im Auto befinden darf, dass beide einen Mundschutz tragen müssen und dass nach jeder Fahrstunde das Auto gereinigt und gut gelüftet werden muss. „Wir sind froh, dass wir gleich wieder mit Praxisstunden und der Theorie starten können. Damit beim Theorieunterricht auch der Mindestabstand eingehalten werden kann, überlegen wir, mehrere Gruppen anzubieten. Vielleicht an mehreren Tagen“, sagt Aggelidakis. Sie müsse nun erst mal weitere Vorgaben abwarten und auch sehen, wie groß der Andrang für die Fahrstunden ist.